Full text: Katholische Lehrerzeitung - 4.1893 (4)

Katholische Lehrerzeitung. 
Organ nir Jörderung des katholische,i Mrerverkandes. 
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bMgst berechnet. 
IV. Jahrgang. Nr. 18. 
Druck und Verlag von Ferdinand Lchöningh. 
Paderborn, Münster, Osnabrück, Mainz. ^ 
20. Juni 1893. 
Mit dieser Nummer schließt das zweite Werteljaür. Westeklungen aut das dritte 
Vierteljahr bitten wir schleunigst aufzugeben. (Wost-Ieitungs-Wreiskiste Nr. 3302.) Aür 
Empfehlungen in Areundeskreisen find wir recht dankbar und stehen Wrobenummern gern 
zu Diensten. Die verehrlichen Post-Abonnenten werden ergebenst ersucht, den beiliegenden Bestellzettel 
ausgefüllt der zustehenden Post möglichst bis zum 25. d. M. zu übermitteln. 
Paderborn. Aie Geschäftsstelle. 
Inhalt: Erziehender Unterricht vor dreihundert Jahren, preußischer Gerichtshöfe seit dem Jahre 1881. II. — Be- 
- „Herr, habe Geduld mit mir!" Von I. Bauer. — richte: Aus Nassau, Kassel. — Stellenanzeiger. —Brief- 
Die Bestrafung der Schulversäumnis in den Entscheidungen | tasten. — Anzeigen. 
Erziehender Unterricht vor dreihundert 
Jahren. 
i. 
„Ich gestehe, keinen Begriff zu haben 
von Erziehung ohne Unterricht, so 
wie ich rückwärts auch keinen Unter 
richt anerkenne, der nicht erzieht." ! 
(Herbart.) 
Den werdenden Menschen mit der erforderlichen Ein 
sicht und Willensstärke auszurüsten, damit er nach den, 
Willen Gottes Christus ähnlich werde und demgemäß 
handele: das ist die erhabene und schwere Aufgabe der 
Erziehung. „Die rechte Bildung des Willens zu einem 
guten Willen, der sich dem göttlichen gleichförmig macht, 
und zu einem festen Willen, der auch unter Schwierigkeiten 
seine Pflicht thut, kurz, zur christlichen Freiheit oder zu 
einem christlichen Charakter ist die Krone der Erziehung" 
(Kehrein). Wenn Familie, Kirche, Staat und Schule zur 
Erreichung dieses Zieles gemeinsam ihre Kräfte einsetzen, 
so bedienen sie sich hierzu vornehmlich dreier Mittel: der 
Regierung, des Unterrichtes und der Zucht. Der 
Regierung, insofern sie dem noch nicht zur Einsicht 
gelangten Kinde Verhaltungsmaßregeln vorschreiben, wo 
durch dessen Thun geordnet, alles das zurückgehalten wird, 
was ihm oder der Umgebung schaden könnte; der Zucht, 
damit der bereits zur Einsicht Gelangte auf Grund dieser 
Einsicht nun sein Wollen einrichte, sein ganzes späteres 
Leben mit ihr in Einklang bringe. Es ist die Erziehung 
im engern Sinne oder Charakterbildung. Zwischen beiden 
Erziehungsmitteln steht somit — als eines der wichtigsten 
— der Unterricht. Warum er neben der Gnade Gottes 
und dem guten Beispiele als das wichtigste bezeichnet werden 
muß, kann nicht zweifelhaft sein. So hoch wir auch die 
unmittelbaren Einwirkungen der Umgebung des Kindes, vor 
nehmlich aber die Persönlichkeit des Lehrers als Faktoren der 
Erziehung schätzen, so steht doch fest, daß eine heilsame Wirkung 
von dieser Seite erst nach Erlangung einer gewissen Erkennt 
nis erwartet werden kann. Die richtige Einsicht wird 
allein durch den Unterricht gewonnen; auf ihm fußt somit 
das ganze Gebäude der Schulzucht; letztere kann nur in 
soweit ihrer Aufgabe gerecht werden, als der Unterricht die 
seinige gelöst hat. Der Mensch kann niemals etwas er 
streben , wovon er kein Wissen besitzt; der Wille hat seine 
Wurzeln im Gedankenkreise. „Der Wille seinerseits ist ab 
hängig von dem prüfenden, überlegenden Verstände und 
der abwägenden, richtenden Vernunft, und so ist klar, daß 
die Bildung und Stärkung der Willenskraft wesentlich be 
dingt ist durch die erfolgreiche Entwickelung einer richtigen, 
von Vorurteilen und namentlich von Gefühlen nicht unter 
jochten und beherrschten Erkenntnis" (Allekers Volkssch.). 
„Das Haupterziehungsmittel aber bleibt der Unterricht" 
(ebendas.). „Durch Zucht wird der Wille gewöhnt zur 
Richtung; durch Unterricht aber erhält er seine eigene 
Richtschnur" (vr. I. Mich). 
Wann aber wird der Unterricht eine solch hohe Be 
deutung rechtfertigen? Erst dann, wenn durch ihn der 
Gedankenkreis so gebildet wird, daß daraus auch ein gutes 
Wollen entspringen kann, denn nicht jeder Unterricht er 
zieht. „Der nicht erziehende Unterricht will den Zögling 
nur dahin bringen, daß er etwas weiß. Der Schüler 
erwirbt sich durch das Lernen eine gewisse Summe von 
Kenntnissen, er lernt des Vorteils wegen, den ihm ein 
solcher Besitz bringt, insofern derselbe für das Leben brauch 
bar ist, sei es selbst zum Zeitvertreib oder zu einer ver 
brecherischen Absicht" (Ziller, Allgem. Pädag.). Ein 
Unterricht solcher Art wird die hohen Erwartungen niemals 
erfüllen, die wir oben an ihn stellten. Er ist kein lebendiger, 
^ befruchtender Quell, sondern nur tönendes Erz, ein toter
	        
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