Ein Lehrerfreund.
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Er zählte zu den Stillen im Lande, die in der Gewißheit, daß ihr Name im Himmel
angeschrieben ist, sich keinen Namen auf Erden zu machen wünschen. Das charakteristische
seiner Gesinnung war ein heißes Verlangen nach den unvergänglichen Gütern, die uns
in Christo Jesu erschlossen sind, für welche die Welt keinen Sinn hat. Darum paßt
das Wort Hamanns, das Jakobi auf Wizenmanns Grab setzen ließ, auch auf ihn: „Selig
ist der Mann, dessen Ziel und Laufbahn sich in die Wolke jener Zeugen verliert, deren
die Welt nicht werth war." —
Die hier folgenden Mittheilungen über Bs. Leben sind aus meinem langjährigen,
vertrauten Umgang geschöpft und erreichen ihrm Zweck, wenn sie dem Leser noch einmal
das Bild des theuren Mannes in deutlichen Zügen vor Augen malen.
B. verlebte seine Jugendjahre bei seinen allgemein geachteten Eltern in Essen, Be
sitzer eines sehr frequenten Gasthofs. Schon ftüh äußerte sich bei ihm ein lebhafter
Sinn für Schicklichkeit, Gerechtigkeit und Wohlthätigkeit. So gestattete er nicht, daß in
seiner Gegenwart einem Angetrunkenen geistige Gettänke verabreicht wurden und wies
die Kellner ernstlich zurecht, wenn es doch geschah. — Arme und Nothleidende wandten
sich nicht vergebens an ihn. Es war ihm eine Freude, mit seinen Ersparnissen Thränen
zu trocken und Seufzer zu stillen. Seinen Eltem und Lehrern nöthigte er durch sein
bescheidenes und doch entschiedenes Verhalten Achttmg ab. Als Gymnasiast schloß er
sich einem genialen Jüngling, welcher Theologie studiren wollte, mit seltener Innigkeit an.
Mit bedemend geringerm Anlagen ausgestattet, wußte er dennoch seinen begabten Freund
durch seinen Wissensdrang so zu fesseln, daß sich beide oft halbe Tage lang auf einem
Zimmer abschlössen und in ihrer Weise Gottesgelehrsamkeit trieben, wobei es mitunter
zu heftigen Disputationen kam. Mit vornehmen, weltlich gesinntm Leuten verkehrte er
höchst ungem und war in ihrer Mitte zurückhaltmd und furchtsam. Fand er aber einm
nach Wahrheit suchenden Menschen, mochte er gleich den Geringsten im Voll angehören,
so schloß er sich ihm an und suchte von ihm zu lernen. Fortan aber blieb er ihm
mit aufopfernder Liebe zugethan. Diese Demuth gerade ist ein hervorstehender Zug in
dem Bilde des sel. B. Gewiß ist sein großer Reichthum an Erkenntniß eine Frucht
dieser christlichen Gesinnung. — Sein Gott, mit dem er täglich in kindlichem Gebet
verkehrte, stärkte und festigte diesen auf den Kern des Menschen gerichteten Blick, indem
er ihm einst einen armen Fuhrmann und später einen armen Handelsreisendm zusandte,
mit denen er sich besonders in seinen Ferientagen in dem Hause seiner Eltem versam
melte und schon früh den Segm der Gemeinschaft erfahren konnte nach dem Worte:
„Wo zwei oder drei versammell sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen."
Sie unterhielten sich über Wahrheiten der heil. Schrift und wurde ihm hier von den
schon ältem und bewährten christlichen Freunden nicht blos neue Anregung für seinm
auf die ewigen Wahrheiten gerichteten Forschungstrieb gegeben, fondem namentlich ein
tieferes Verständniß des Heilsplanes Gottes mit den Menschenkindem schon in seinen
Jünglingsjahren aufgeschlossen. Frühe ging er aus, den Herrn zu suchen, frühe fand
er ihn. Frühe entwickelte sich in ihm die fette Ueberzeugung, daß Erkenntniß der Wahr
heit und die Weisheit von oben die köstlichsten, begehrenswerthesten Schätze sind und
daß sie, wie schon die vergänglichen Schätze dieser Welt, erstrebt und errungen sein
wollen.
Seiner innersten Neigung nach wäre er am liebsten Landwirth geworden, denn er
dachte sich gerne den Bauernstand als den freiesten, Gott und der Natur am nächsten
bleibenden Stand. Dazu mochten die patriarchalischen Zustände, die aus der Bibel in
seine Anschauung übergegangen waren, nicht wenig beitragen. Seine Eltem hatten ihn
indeß für den Kaufmannsstand bestimmt und schickten ihn von der Secunda des Gym
nasiums nach Duisburg zu einem Kaufmann in die Lehre. Er hatte hier Gelegenheit,
etwas Tüchüges zu lernen und benutzte sie tteulich. Mtt seinm Freunden, die ihm so