Ein Lehrerfreund.
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auszubilden. Darum wurde er bald ein eifriges Mitglied dieser Conferenz und suchte
den Segen solcher Gemeinschaften weiter zu verbreiten. Mit Hülfe einiger gleichgesinnter
Lehrer gelang es ihm auch, eine Lehrer-Bibelconferenz in Mülheim a/d. Ruhr und später
auch in Esten zu gründen. Seine Fragen und Bemerkungen warm meist darauf be
rechnet, den Gesichtskreis über das Geheimniß Gottes des Vaters und Christi zu er-
weitern; sie gaben Zeugniß von seiner Bescheidmheit, seinem klaren Denken und dem
großen Reichthum einer gewissen Erkenntniß. Die seltenen Vorzüge, welche diesen Mann
schmückten, übten eine solche Anziehung auf seine vielen Freunde aus, daß sich besonders
in den Ferien nicht seltm eine große Zahl Lehrer in seinem Hause zusammm fand.
Alles, was Liebe und Gastfreundschaft zu bieten vermag, fand sich hier in reichem Maße,
wobei ihm seine trme Gattin unermüdlich zur Seite stand. Da er sich in gleicher Hin
gebung als Lehrerfteund dem ev. Lehrerverein für Rheinland und Westphalen anschloß,
so wählte ihn dieser bald zu seinem Rendanten. Auch in dieser Stellung gab er dem
Lehrerstande Beweise seiner aufopfernden Liebesthäügkeit. Freilich war dieselbe nur we
nigen Eingeweihten offenbar; denn der sel. Freund handelte nach dem Grundsatz: „Laß
die Linke nicht wissen, was die Rechte thut." Weit waren die Grenzen seiner Wohl
thätigkeit, wie sein für alle gute Bestrebungen weit geöffnetes Herz. Thatkräftig suchte
er sie zu fördern, wo und wie er konnte. Der Jünglingsverein in Esten fand an ihm
eine feste Stütze, die Mstsion und Bibelverbreitung einen guten Freund. Doch war
er bei all seiner christlichen Thätigkeit sehr nüchtern und bei seinem fteimüthigen und
entschiedenen Bekenntniß ohne alle Frömmelei und Scheinwesen. Seine große Umsicht
und Tüchügkeit auch in praktischm Dingen machte es ihm mcht schwer, in städtischen,
kirchlichen und Schul-Angelegenheitm manches Gute zu fördern, zumal seine Stellung
in diesen verschiedenen Corporaüonm als Mitglied eine einflußreiche war. Diesen guten
Einfluß werden namentlich auch die Lehrer Estms seiner Zeit erfahren haben.
Aus diesem thätigen, segensreichen Wirken wurde unser lieber Freund unerwartet
und schnell weggerafft. Die Nachricht von seinem Tode versetzte daher nicht allein seine
treffliche FamUie und die Lehrer nah und fern, sondern auch seine Vaterstadt in Trauer
und Theilnahme. Ein unabsehbarer Leichenzug folgte ihm zur Ruhestätte. Wohl 50
Lehrer gaben ihrer Liebe und Theilnahme durch Abschieds- und Trostgesänge Ausdruck.
Mit ehrenden, herzlichen Worten gedachte der Herr Pfarrer W. des Verstorbenen, der
es verstanden, sich durch seine ungeheuchelte, ernste Frömmigkeit die Achtung und Liebe
seiner Mitbürger zu erwerben, der den Beweis geliefert, daß auch ein Kaufmann ein
wahrer Md ganzer Christ sein und bleiben köMe. —
Nach der Beerdigung versammeltm sich etwa 30 Lehrer zu einer Conferenz. Der
Schmerz über den großen Verlust beschränkte die Unterhaltung wesentlich auf das Leben
und Wirken des theuren Dahingeschiedenen. Aus den vielen Zügen, die hier zu weh
müthiger Freude das Bild des Verstorbenen auffrischten, will ich mit einem schönen
Zeugniß über den trefflichen Mann schließen, das ihm ein treuer Freund gab. „B. war
ein Mensch seltener Art, und was ihn als Mensch so besonders werth und selten machte,
war sein Ringen und Forschen nach höherem, geistlichem Gut. Nie zufrieden mit halbem
Wissen oder mit herkömmlichen Anschauungen auf confessionellem, politischem und socialem
Gebiete, scheute er keine Anstrengung und kein Opfer, um den Wegen der ewigen Weis
heit nachzuspüren. Er war ein Mensch der Sehnsucht! Liebe hat er in reichem Maße
ausgesäet, Liebe hat er reichlich geerndtet. Sein Andenken bleibet in Segen!" —
E. H.