Aus Zahns Leben.
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Von sich sagt Zahn: „Ich fühle mich zu dem Geständnis ge
drungen, daß ich viel Pädagogisches und anderes gelernt habe bei der
Herausgabe der Dorf-Chronik, daß ich sie nicht hätte schreiben können,
wenn nicht Lehren und Lernen mein Lebensberuf gewesen, daß mir
in Bestimmung dessen, was volkstümlich ist, die Bibel nach Form
und Gehalt ein außerordentlich tiefgehender Ratgeber gewesen."
Ernste Studien fordert er für die Ausarbeitung eines echt volks
tümlichen Artikels. Er erzählt als ihm hochbedeutsam, daß der berühmte
Historiker Schlözer, als er 1779 von Berlin den Auftrag bekam, für
den Unterricht des späteren Königs Friedrich Wilhelms III. „die Linien
zu einer Geschichte des preußischen Staates" zu schreiben, antwortete, er
habe die Aufgabe äußerst reizend gefunden und sich gleich daran
gemacht, aber bald habe er gesehen, daß die Arbeit noch ausgedehnte
Studien notwendig mache, und so sei er zur Zeit nicht imstande,
auch nur ein Pröbchen zu liefern. „Hört, hört, ihr Kinderbücher-
Fabrikanten, die ihr aus dem Stegreif gleich ein Dutzend Kinder
schriften macht!" ruft Zahn.
Gern hätte ich zu den eingangs gegebenen noch einige Artikel
hier aus der Dorf-Chronik mitgeteilt, aber der Raum will's nicht
gestatten. Bis in seine letzten Lebensjahre hat Zahn die Redaktion
beibehalten und die Freude gehabt, daß seine Chronik in ganz
Deutschland und über dessen Grenzen hinaus unter geringen Leuten
und Gebildeten ihren treuen Leserkreis hatte. Bei den älteren Lesern
war es interessant, zu sehen, mit welcher Aufmerksamkeit sie die
Berichte verfolgten, mit welcher Spannung sie das Urteil des
Chronisten über neu eingetretene Ereignisse erwarteten, wie oft sie als
bedeutsam anführten, was der Chronist gesagt hatte, wie groß über
haupt der Einfluß der Dorf-Chronik war.
Was Zahn in seinem schriftlichen wie mündlichen Verkehr mit
den Volksschullehrern charakterisiert, ist die hingebende Liebe, die er
ihnen entgegenbrachte. „Es ist ein großer Unterschied zwischen der
äußern Gerechtigkeit, die da abwägt und zuteilt, was rechtens, und
der Liebe der Mutter und der Wärterin, die eine eifersüchtige ist."
An diese „eifersüchtige Liebe" zur Volksschule und zu ihren Lehrern
muß man denken, wenn Zahns Worte über die Vorgesetzten und
Leiter der Schule zu hart klingen. „Auch eifersüchtige Liebe kann
schonungslos Schäden und Gebrechen aufdecken, aber sie tut es nie
unzart oder gar ungerecht" (vgl. S. 281 ff.).
Es ist ein wunderlich Ding um diese eifersüchtige Liebe bei
Zahn. Sie ist ihm unerläßliche Vorbedingung jeder wirklich frucht-
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