Welche Aufgaben stellt unsere Zeit der evangelischen Lehrerschaft? 233
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Blick in unsere Zeit hineinschauen und fragen: Welche Aufgaben sind es, die
unsere Zeit an die evangelischen Lehrer besonders stellt?
Unser Verein nennt sich „Verein evangelischer Lehrer". Damit
unterscheidet er sich prinzipiell von einem Verein, der nur Lehrerverein im allge
meinen sein will. Was dieser will, das will auch er; aber er erstrebt Höheres.
Wie jeder rechte Lehrerverein will er seine Mitglieder in ihrer Berufstüchtigkeit
fördern, Hindernisse aus dem Wege räumen, welche einer erfolgreichen Tätigkeit
im Wege stehen. Wir wollen fleißige Lehrer sein, die ihren Kindern ein reiches
und möglichst sicheres Wissen vermitteln möchten; aber vor allem wollen
wir doch erziehen, nicht lediglich den Kopf mit allerlei Kenntnissen füllen,
sondern auf Gewissen und Willen zu wirken suchen, damit in unseren Schülern
der Grund gelegt werde zu Persönlichkeeiten. Und als Ideal steht uns dabei
die eine Persönlichkeit vor der Seele, die im wahren Sinne des Wortes eine
Persönlichkeit war, unser Heiland Jesus Christus. Darum nennen wir uns
„Verein evangelischer Lehrer," weil uns das Evangelium von diesem
Jesus die Grundlage, das Zentrum unseres Gesinnungsunterrichtes sein soll, weil
wir unsere Kinder dem zuführen wollen, der selber gemahnt hat: Lasset die Kind
lein zu mir kommen und wehret ihnen nicht.
Mag man in unseren Tagen, wo so große Fortschritte auf allen Ge
bieten menschlichen Wissens und Könnens gemacht werden, sich vielfach stolz ab
wenden von diesem Erziehungsziel, es ist und bleibt für einen evangelischen
Lehrer und Erzieher auch in der modernen Zeit das einzig wahre und dem tief
sten Bedürfen des Menschenherzens entsprechende. Mögen die Wortführer des
Radikalismus noch so verächtlich auf das Christentum und seine Kultur herab
sehen, was wir erreicht haben, verdanken wir im letzten Grunde doch alles dem
verachteten Nazarener, dem Kinde in Bethlehems Stall. Wenn man einen
Büchner, Feuerbach, Strauß, Häckel, einen Marx, Engels, Liebknecht, Bebel u. a.
in den Büchern der Geschichte als abgetane Größen behandeln wird, dann wird
dieser Jesus noch ebenso von Tausenden und aber Tausenden als ihr Heiland
und Helfer verehrt werden wie in vergangenen Zeiten und wie auch in unseren
Tagen.
Betrachten wir unsere Aufgabe als Erzieher im Lichte des Evangeliums,
dann stehen uns die Kinder so hoch, daß wir mit heiligem Ernst und innerster
Herzensteilnahme an unsere Arbeit an ihnen herantreten. Wir werden bewahrt
vor der verderblichen Meinung, als seien sie uns auf Gnade und Ungnade aus
geliefert und wir könnten mit ihnen machen, was wir wollten. Wir suchen
ihnen vielmehr treue Führer und Berater zu werden, wir beachten mit aller
Sorgfalt die ihnen eigentümlichen Gaben und Kräfte und haben Geduld auch
mit den geistig Armen unter ihnen, eingedenk der Mahnung Jesu: Wer dieser
Geringsten einen ärgert, dem wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals
gehängt würde und er ersäuft würde im Meer, da es am tiefsten ist
(Matth. 18, 6).
Damit ist zugleich uns die ernste Gewissensfrage gegeben: Wie stehst du
selber persönlich zu deinem Gott und Heiland? Ist er dir auch nur erst der
Weise von Nazareth, das hehre Vorbild in allen Tugenden, oder siehst du in
ihm deinen Heiland und Erlöser, der auch dir helfen muß von dem Sünden
druck oder noch besser, der dir geholfen hat zu der herrlichen Freiheit der Kinder