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III. Abteilung. Literarischer Wegweiser.
manches darin auch ist: die Erkenntnis wird sich doch bald jedem aufdrängen, daß in
unsern christlichen Begriffen von Leib und Seele, von Gott und Unsterblichkeit außer
ordentlich viel von jener Philosophie steckt, so daß die christliche Dogmatik neben der
Heiligen Schrift auf sie als auf eine wesentliche Voraussetzung angewiesen ist.
Aus Darwin sind neben kleineren Arbeiten die wichtigsten Kapitel aus den beiden
Hauptwerken: „Entstehung der Arten" und „Abstammung des Menschen" wiedergegeben.
Ein Gegenstück zu Darwin bildet das Buch über K. E. von Baer; es dürfte
gerade für unsre Gegenwart erhöhte Bedeutung dadurch haben, daß unsre Natur
philosophie, die von Darwin über Haeckel zum krassen Materialismus sich entwickelte
und dann nach einer kühnen Wendung zum Monismus als modernen Weltanschauung
proklamiert wurde, von diesem Exkurs allgemach zu teleologischen Auffassungen zurück
kehrt. Mit dieser Umkehr zur Metaphysik ist die Zeit von Baers gekommen. Das
vorliegende Buch bringt unter dem Titel „Zur Naturphilosophie" Abschnitte über
Teleologie, Entwicklungslehre, Anthropologie; ferner behandelt es Religions- und
Geschichtsphilosophie.
Bilder und Bilderbücher.
Die „Freie Lehrerve rein igung für Kunst p siege" (Geschäftsstelle:
Hermsdorf b. Berlin) hat „Kunstgaben in Hestform" erscheinen lassen, die wir aufs
angelegentlichste empfehlen möchten. Es liegen jetzt vier solcher Hefte vor:
1. Wilh. Steinhaufen, Göttliches und Menschliches.
2. Hans Thoma, Ein Buch seiner Kunst.
3. Vom Heiland, Ein Buch deutscher Kunst.
4. Alfr. Rethel, 16 Zeichnungen und Entwürfe.
Als der „Kunstwart" s. Zt. anfing, seine „Meisterbilder" zu 25 Pf. herauszugeben,
war jedermann erstaunt und erfreut, daß so etwas für so wenig Geld geboten und
damit wirkliche Kunst jedem zugänglich gemacht werden konnte. Dieses Vorgehen ist
seitdem vielfach nachgeahmt worden. Aber die hier vorliegenden Hefte überbieten
alles bisher Dagewesene. Für den Preis von 1 M. ist ein solches Heft, das
in seinem soliden Umschlag mit geschmackvollem farbigen Aufdruck schon in seiner Aus
stattung einen sehr angenehmen Eindruck macht, und das etwa 18 Bilder enthält, zu
kaufen. In einer Einleitung wird von kundiger und geschickter Hand jedesmal das
Wichtigste über den betr. Künstler und die Bilder gesagt, mit taktvoller Zurückhaltung
zugleich, so daß der Beschauer ganz unbefangen urteilen kann. Es werden nur
Reproduktionen erster Künstler geboten; die getroffene Auswahl ist eine sehr glückliche,
auch hinsichtlich der einzelnen Bilder. Hier, wo es sich um Bilder für das deutsche
Haus handelt, ist mit Recht dem stofflichen Interesse Rechnung getragen. In dieser
Beziehung ist recht glücklich der sittlich-religiöse Gedanke in den Vordergrund gerückt
worden. Diese Bilder moderner Maler sind doch ein herrlicher Beweis für das Vor
handensein und Wirken edler Kräfte in unserer sonst so schwankenden und wirren, ja
trostlosen Zeit. Es drängt sich uns die Überzeugung auf, daß die neueren Künstler,
die mit religiösen Gegenständen sich außerordentlich viel befaßt haben, an Tiefe und
Selbständigkeit der Auffassung den Alten nicht nachstehen; ja, wenn man sich einmal
daran gewöhnt hat, die biblischen Gestalten in deutschem Gewände und Geiste zu sehen,
sprechen diese viel stärker zu uns, als die berühmten und uns von Kindheit an ver
trauten Italiener.
Zu den einzelnen Heften nur noch einige Bemerkungen: Wilh. Steinhaufen,
der Zartsinnige, hat Bilder der verschiedensten Art beigesteuert; im Vordergründe steht
das Tiefreligiöse, dann das Deutsche in Menschen und Landschaft. Einige der Bilder
sind reich an Gestalten und Stimmungen, in andern ist alles auf einen Gedanken,
eine Stimmung zugespitzt. Wer den Künstler bisher nur in den bekannten Stein
drucken kannte, die vielfach hart und befremdlich wirken, der lernt ihn hier in seiner
Tiefe und Ausdrucksfähigkeit kennen. Hans Thoma zu charakterisieren, ist über
flüssig; wir heben nur einige Bilder hervor: Selbstbildnis, Religionsunterricht, Feier
abend im Schwarzwalddorf, Meereserwachen, Saturn, Weihnacht, Christus und Niko
demus, Christus am Kreuz (bei diesem die Hände besonders beachtenswert). Das Heft
„Vom Heiland" ist das Gehaltvollste, was man sich denken kann; wie verschieden
auch Auffassung und Verständnis sind, wir fühlen doch, wie jeder der Künstler sich auf
heiligem Boden wußte und gerungen hat, Unsagbares auszudrücken. Unter den Neueren
sind hier besonders Fritz von Uhde und Hans Thoma vertreten. Das Rethelh eft