Kinder, hütet euch vor dem Alkohol.
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Nachhilfe zu Hause, sondern durch dieselbe Lehrperson, die sich das ganze
Jahr um alle 60 Kinder, um die 10 schwächsten Schüler aber ganz be
sonders bemüht hat. Bekanntlich macht das letzte Drittel einer Klasse mehr
Arbeit und Sorge, als die übrigen zwei Drittel zusammen.
Geradezu empörend ist es, wenn die Meinung geäußert wird, der
Schüler bleibe sitzen, weil der Klassenlehrer einen Haß gegen ihn oder
die Eltern hätte. Man kann wohl zornig sein über das schlechte Be
tragen, über die nachlässigen Arbeiten und über die Unaufmerksamkeit eines
Kindes. Auch ist es wohl zu verstehen, wenn ein Lehrer oder eine Lehrerin
solchen Eltern aus dem Wege geht, die sich über jede Kleinigkeit be
schweren und die Kinder in ihrem ungehorsamen und in ihrem un
ordentlichen Wesen bestärken. Das wäre doch eine gemeine Rache,
sich bei der Versetzung durch solche Gründe bestimmen zu lassen. Meines
Erachtens ist es einem Lehrer überhaupt unmöglich, ein Schulkind auf die
Dauer zu hassen. Auch das dümmste und unartigste Kind ist manchmal
wieder so nett, so drollig, so treuherzig, daß man es garnicht hassen kann;
man muß es trotz seiner Fehler lieb haben.
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Kinbcr, hütet euch vor dem Alkohol!
Line Ansprache vor einer Jugendversammlung von Knaben aus den Bürgerschulen
Kassels während einer Iubiläums-Iahresversammlung des „Deutschen Vereins gegen
den Mißbrauch geistiger Getränke"
von Wilhelm Terbrüggen, Rektor in Hamm i. lv.
Liebe Kinder! Im Geiste möchte ich euch mit in eine Familie
nehmen, die ich vor einiger Zeit als Bezirksvorsteher der Armenverwaltung
öfter besucht habe. Bor dem Hause hängt ein Schild, das uns ankündigt,
daß wir zu einem Schuhmacher kommen, der auch einen Schuhladen besitzt.
Wir werfen einen Blick in das Schaufenster. „Alles ausverkauft!" „Der
Mann muß ein gutes Geschäft haben", denkt ihr im stillen. Wohlan, wir
wollen den „tüchtigen Mann" in seiner Werkstatt aufsuchen. Alles öde
und leer wie der Laden. „Wo ist der Meister?" fragen wir eine ein
tretende Frau, die ein eigenartig aufgedunsenes Gesicht hat. „Im Wirts
haus", sagt sie und wankt dabei. Erschreckt seht ihr mich an. „Ist die
Frau krank?" so lese ich in euren Mienen. „Ja, sie ist schwerkrank.
Täglich nimmt sie ein schlimmes Gift zu sich, das ihre Gesundheit unter
gräbt. Täglich trinkt sie Branntwein, Schnaps." Da geht die Tür aus,
und herein kommt der Mann. Er riecht schon nach Branntwein. Sofort
setzte er sich und starrt uns an und lallt und lallt. Wieder geht die Tür
auf, und ein zehnjähriges, blondes Mädchen tritt herein, die Tochter des
Ehepaares, das vor uns sitzt. Und was tut nun das kleine Ding? Nach
dem es seine Schulsachen weggelegt hat, sagt es mit trauriger Stimme:
„Komm, Mutter!" und bringt sie ins Schlafzimmer. Wir merken aber,
daß hier unseres Bleibens nicht ist, und darum gehen wir schnell hinaus.
Jetzt aber möchte jeder von euch über diese traurigen Familienverhältnisse
etwas wissen. Nun, zehn Jahre sind die beiden Trunkenbolde als Mann
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