Rundschau.
Mit dem letzten Satze, dessen Stil übrigens einen trefflichen Beleg für die Un-
vergleichlichkeit der akademischen Bildung gibt, will der Vers. dem Tadel derer be
gegnen, die meinen, daß wissenschaftliche Arbeiten über „Plutarchs Quellen in der
Bita des Sertorius" oder „AusgewählteMascheronische Konstruktionen" für die päda
gogische Tätigkeit nichts austrügen. Aber diesen Tadel versteht der Vers.
nicht einmal, denn er beruft sich auf Mediziner und Juristen, die doch auch in
ihren Fachblättern „interessante Fälle" erörterten. Er sieht nicht, daß die analogen
„interessanten Fälle" für den höheren Lehrer pädagogische und methodische Fragen
wären. Aber der Philologe, der sich soeben seiner tiefen pädagogischen Bildung und
Einsicht rühmte, ist Lehrer nur ganz im Nebenamt; vor der Öffentlichkeit möchte er
als der „Nurwissenschaftler" glänzen. Er „kennt die Hilfsmittel der Formalstufen, der
Musterstunden usw sehr wohl: aber er braucht sie kaum zu verwenden. Schablonen
. . . sind für die Meister der Kunst überflüssig" (wörtlich!). Der schon genannte Dr.
Frick hat einmal die Volksschule wegen der sorgfältigeren pädagogisch-methodischen
Durcharbeitung der Lehrstoffe als die Hochschule für die höhere Schule be
zeichnet. Und er, der Begründer und langjährige Mitherausgeber der für die Unter
richtspraxis der höheren Schulen so bahnbrechenden „Lehrgänge und Lehrproben", der
genaue Kenner des höheren und des Volks-Schulbetriebs durfte sich schon ein Urteil
erlauben. Er kannte allzu genau die Früchte jener gepriesenen pädagogischen Studien
auf der Universität, die unvergleichliche Tüchtigkeit der „Meister der Lehrkunst" an den
höheren Schulen, bei denen die jungen Herren in die Lehre gehen.
Was kennt der Vers. von der Volksschule? Weil er hier. wo er Belege aus der
Wirklichkeit herausgeben müßte, keine gibt, darf man sagen, er kennt nichts von
ihr. Seine Vorstellung von ihr ist höchstens ein Zerrbild. Dafür allerdings liefert
er einen Beweis. Er redet gönnerhaft von „den hübschen Kleinmeistereien wackerer
Volksschulpädagogen", etwa, um „nur ein Beispiel" zu nennen, von „dem blendenden
Drill einer Kopfrechnerschar". In diesem „nur ein Beispiel" verrät sich die Unwissen
heit des Vers. auf dem Gebiet, über das er so sicher urteilt. — Jetzt verstehen wir
auf einmal, wie er zu jenem Gegensatz in den Zielen der beiden Schulgattungen
kommt: Auf der einen Seite steht ihm der Drill, auf der andern die Gewöhnung an
straffes selbständiges Denken. Mit dieser Schablone, die doch gewiß viel
abgegriffener ist als jene von dem pedantischen Oberlehrer, macht
er sich daran, über Wert und Unwert der öffentlichen Schulen auf
zuklären.
„Soll eine Urkunde enträtselt, eine Geschichte der Stadt geschrieben, ein Gutachten
in Fragen der allgemeinen Bildung eingeholt werden, so wendet sich die Bürgerschaft
ganz bestimmt an die Akademiker." „Unser Bürgertum hat seine maßgebenden Berater
in Unterrichtssachen in den Kreisen seiner Akademiker zu suchen." — Ob das in
Essen, dem Wohnort des Vers., wirklich so ist, kann ich nicht glauben. Hoffentlich
erfahren wir bald Genaueres darüber. Aber das wissen wir bestimmt, daß es an
vielen Orten ganz anders ist, daß nämlich vielfach bei derlei wissenschaftlichen Arbeiten
die Volksschullehrer in der Vorderreihe stehen.
Anstatt sich über die Voreingenommenheit den Akademikern gegenüber zu be
schweren, sollte man lieber sich des viel zu günstigen Vorurteils freuen und eine
öffentliche Kritik nicht geradezu herausfordern. Das Allersonderbarste ist doch, daß
dem so lange mißachteten und unterschätzten Volksschullehrer das bißchen Anerkennung,
das seinen Arbeiten und Erfolgen zuteil wird, von eben dieser bevorrechteten Seite
aus geschmälert werden soll. — Wir wollen eine weitere Kritik einstweilen zurückstellen
und nur noch kurz auf einzelnes hinweisen. Prof. Reinke und Pastor Flügel
haben die Volksschullehrer als die fleißigsten Bücherkäufer (der letztere hatte
besonders philosophische Werke im Sinn) bezeichnet. — Im Verein für wissen
schaftliche Pädagogik sind die Volksschullehrer weitaus in der Mehrzahl. Die
Akademiker sind verhältnismäßig nur sehr schwach vertreten. Den meisten genügt
offenbar das Bewußtsein, das alles auf der Universität und nachher bei „den un
vergleichlich hervorragenden Meistern der Lehrkunst" während des Seminarjahres
schon „gehabt zu haben".
Stellung des Zentrums zur Schulaufstchtsfrage. Auf dem diesjährigen Zentrums-
Parteitag für den Landkreis Aachen sprach der Landtagsabgeordnete Dr. Kaufmann-
Aachen sich über die Schulfrage aus. Er erklärte, das Zentrum habe den während