BEILAGE ZUR PÄDAGOGISCHEN POST
SCHRIFTLEITUNG: DR. MED. KLEEFISCH / ESSEN
OBERARZT D. FR A.NZ-S ALES-HAUSES / ABTEILUNG VORSTAND
DES HFILPÄDAGOGISCHEN SEMINARS / DOZENT AN DER
SOZIALHYGIENISCHEN AKADEMIE IN DÜSSELDORF / ESSEN
SCHWANENBUSCHSTRASSE 110 / ANRUF 6488 (-vT. 8035) 12-1
NUMMER 2-3
AUGUST-SEPTEMBER
An die deutscken Aerzte!
Durch den Vertrag von Versailles und die Annahme des
„Dawes-Gutachtens“ wurden Deutschland ungeheure Lasten
auferlegt, die, wenn überhaupt, nur von einem körperlich
und geistig gesunden, willenskräftigen und wirtschaftlich er
starkten Volke in langer und harter Arbeit getragen werden
können. Freiheit und Leben unserer Kinder hängen davon ab,
wann und wie wir diese riesige Aufgabe angreifen und be
wältigen. An die deutschen Aerzte tritt die verantwortungs
volle Pflicht heran, ihrem Volke den Weg zur Stärkung seiner
leiblichen und seelischen Kräfte zu zeigen. Der deutsche
Boden vermag das deutsche Volk heute nicht zu ernähren;
wir sind gezwungen, um hohen Preis im Ausland unentbehr
liche Nahrungsmittel wie Brot, Fleisch und Fett zu kaufen.
Das hierzu nötige Geld muß durch angestrengte und ver
längerte Arbeit der deutschen Industrie und Landwirtschaft
aufgebracht werden. Hunderte von Millionen Goldmark
gehen heule noch ins Ausland für den Ankauf von Genuß-
mitteln, die ein falscher Glaube dem Volke als unentbehrlich
erscheinen läßt und auf die ein wüicnsschwaches Geschlecht
wähnt, nicht verzichten zu können. Die deutschen Aerzte
haben diesen falschen Glauben geduldet, ja leider nicht
selten geteilt und unterstüßt. Das Märchen von der blut
bildenden Kraft des französischen Rotweins und vom Heil
wert des Kognaks wird noch oft erzählt und gern geglaubt.
Es ist wahrlich an der Zeit, diese Irrlehre aus den Köpfen
der Menschen zu vertreiben.
Seit Kriegsschluß ist der Verbrauch an Schnaps, Bier
und V ein wieder gewaltig in die Höhe gestiegen; die Irren-
anstalten und 1 rinkerheilanstalten füllen sich wieder mit
1 linkem, die Veibrechen und ünglücksfälle im Rausche
nehmen überhand. Weite Kreise unseres Volkes sind ver
armt, haken mit der Not zu ringen und verlieren den Mut zu
einer Familie von mehr als ein oder zwei Kindern. Ein
großer Teil des deutschen Bodens geht der Volksernährung
verloren; viel deutsches Getreide, deutsche Kartoffeln, deut
scher Zucker und deutsches Obst werden noch immer zur
Herstellung geistiger Getränke verwendet. Die Ausgaben
für Alkohol (1924 schon wieder, niedrigst gerechnet, 2100
Millionen!) und für den Tabak erschweren die Aufbringung
der notwendigsfen Mittel für ein gesundes Wohnen und
Leben. Die Tuberkulose zehrt am Marke unseres Volkes.
Verträgt es sich damit, daß die berufenen Sachverständigen
in den Fragen der Ernährung und Lebenshaltung unseres
Volkes gleichgültig zusehen, wie dieses Volk in gedanken
losem Leichtsinn seine Zukunft zerstört und seine Würde
preisgibt, sein Ansehen bei den anderen Völkern der Erde
schädigt? Alkohol und Tabak sind entbehrliche Genußmiltel,
sie sind für sehr viele schädlich, sie belasten den Haushalt
des Deutschen Reiches aufs schwerste, und mit ihrem Ver
brauch steigt nach den Bestimmungen des Londoner Ab
kommens (Dawes-Gutachten) die Höhe unseres Tributs an
die Gegner. Alkohol und Tabak hindern den Aufstieg
unserer Kinder und Enkel zur Freiheit, erschweren die Erlö
sung vom loche drückender Knechtschaft. Was wir brauchen,
sind stahlharter Wille, unermüdliche Arbeitskraft, nüchterner
Sinn, bei sparsamem Haushalt, doch gute, kraftspendende
Nahrung, vaterländische Gesinnung, nicht wechselnde Stim
mungen und flache Genußsucht!
Wir wenden uns an alle Aerzte und Erzieher unseres
deutschen Volkes mit der Bitte: Kämpfet mit uns für die Er
reichung dieses Zieles mit Wort und Tat; tretet dem Irrtum
von der kraftspendenden Bedeutung des Alkohols und der
Unentbehrlichkeit des Tabaks, tretet dem trägen und frivo
len Leichtsinn der Massen, den aufdringlichen Anpreisungen
des geschäftskundigen Alkoholkapitals mutig entgegen, da
mit uns dereinst der Vorwurf erspart bleibe, daß wir in den
schwersten Zeilen unseres gequälten Volkes unsere Pflicht
gröblich verletzt haben!
Die Professoren der Medizin an deutscken Hocksckulen:
Drof. Dr. Gaupp (Tübingen),Abderhalden-Halle, Abel-Jena, Äichel- Kiel, Aschaffenburg-Köln, Berger-Jena, Bessau-Leipzig, Besser er -
Münster i W- Bier-Berlin, Briefs-Freiburg i. Br., Bürgers-Düsseldorf, Fick-Berlin, Fuchs-Göttingen, Grofjahn-Berlin, v. Gruber-
Müneben. Hauck-Erlangen, Heim-Erlangen, Heubner-Göitingen, Höber-Kiel, Jadassohn-ßreslau, Jamin-Erlangen, Jores-Kiel Kallius-Heidel-
berg, Kifikalt-Bonn, Klieneberger-Königsberg ir Pr., Kraepelin-München, Krauß-Düsseldörf, Krehl-Heidelberg, Kruse-Leipzig, Kulm-
Dresden, Kümmel-Heidelberg, Kutscher-Mai bürg, Lehmann-Würzburg, Lmser-Tübmgen, Lubarsch-Berlin, Meyer-Königsberg i. Pr., Morib-
Köln. Müller-Heb-Bonn, Müller-Erlangen, Müller-Köln, Müller-Marburg, Müller-Tübingen, Nippe-Königsberg i. Pr., Pfeiffer-Breslau,
Pohl-Breslau Puppe-Breslau, Rolly-Leipzig, Schlobmann-Düsseldorf, Schulze-Oävernib-Freiburg i. Br., Schüb-Bonn, Sioli-Düsseldorf,
Sonntag-Leipzig, Specht-Erlangen, Sterb-Marburg, Stoltc-Breslau, Sirohmeyer-jena, Tuczek-Marburg, Uhlenhuth-Freiburg i. Br., Vor-
kastner-Greifswald, Walter-Rostock, Wilmanns-Heidelberg, Ziehen-Halle a. S., Ziemke-Kiel.
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