Blätter für Anstaltspädagogik.
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pflege des Kindes — Selbsttätigkeit —
Arbeitsprinzip u. ä. dürften auch dem An
stalts-Erzieher keine fremde Sache bleiben.
Warum sollte z. B. nicht auch das
Zeichnen in der Lebenskunde verwertet
werden können oder das M o d e l l i e r e n?
Gibt es nicht lebenskundliche Situationen,
die durch eine Zeichnung besser und rascher
aufgehellt werden können als durch lange
mündliche Erörterungen? Oder ließen
sich nicht interessante Einblicke in die
Zöglingsseele gewinnen, wenn wir unsere
Zöglinge ermunterten, sich einmal mit
dem Blei- oder auch Farbenstift über
die eine oder andere lebenskundliche Situ
ation auszusprechen?
Wieviel wird wohl durch „Moral-
predigten" gerade in Anstalten gesündigt!
Man kennt sie ja, die langatmigen, schwül
stigen, übertreibenden und verallgemeinern
den Ergüsse einer wirklichen oder auto
suggestiven moralischen Entrüstung.
Müßte nicht auch in der Lebenskunde
individualisiert werden? nach
Alter, Temperament, Verfehlung, Milieu,
Ort, Zeit, Klima usw.
Aus den skizzenhaften Andeutungen
mag erhellen, daß wir Anstaltspädagogen
durchaus auch noch sehr dankbare Ar
beitsgebiete haben. (Das nächstemal
will ich eine „lebenskundliche Lektion"
mit Berücksichtigung der neuern päda
gogischen Bestrebungen versuchen.)
Neugierige Zragen.
Ich hatte schon einen Fragebogen
von nicht weniger als 80 Fragen zu
sammengestellt in der Absicht, ihn mit
der Bitte um freundliche Beantwortung
hinauszugeben? Die Antworten hätten
statistisches Material über die tatsäch
liche Praxis in den einzelnen An
stalten abgeben sollen. Wir hätten auf
Grund dessen sagen können: so und so-
viele Anstalten machen es so, andere
wieder so. Da kam mir der Zweifel,
ob das Ergebnis der aufgewandten Mühe
entsprechen würde? Es wollte mir nun
scheinen, daß eine andere Art von
Fragebogen zweckdienlicher sei. So kehre
ich denn die Sache um: statt daß ich die
neugierigen Fragen stelle, bitte ich die
verehrlichen Leser und Leserinnen, Sie
1 Siehe,Kursbericht für Anstattspädagogik',
Donauwörth, L. Auer, 1910, Vorwort.
möchten solche stellen. Sie mögen dabei
folgende Hauptabschnitte einhalten:
I Religiöse Erziehung.
II. Disziplin.
III. Lektüre.
IV. Beschäftigungen in der Erholungs
zeit.
V. Festlichkeiten.
VI. Hygiene.
VII. Erziehungs- und Dienstpersonal.
Wollen Sie nach solchen Dingen fragen,
die Sie besonders interessieren, teils,
weil Sie selbst noch keine befriedigende
Lösung wissen, teils die Praxis in andern
Anstalten kennen lernen möchten. Wir
würden auf solche Weise voraussichtlich
einen wertvollen Fragebogen zusammen
stellen können.
Es seien nur einige Beispiele ange
führt, wie die Fragen gestellt werden
könnten:
I.
1. Sollen die Zöglinge zur täglichen
Kommunion angehalten werden?
2. Sollen Exerzitien gehalten werden?
Wie oft im Jahre? Bei welchen Ge
legenheiten? usw.
1. Sollen Noten gegeben werden? Nach
welcher Einteilung? In Ziffern? Mit
Worten?
2. Soll die körperliche Züchtigung an
gewendet werden? Bei welchen Ver
gehungen? usw.
Bei Hauptteil VII wäre besonders an
die Vor- und Fortbildungsfrage, an die
Gehalts-, Penfionsfrage u. ä. zu denken.
Der Kursbericht, besonders das De
tail-Programm wird manche Winke geben.
Mögen sich recht viele „Neugierige"
finden! Solche Neugierde ist lobenswert.
Arbeitsgemeinschaft.
Eine solche sollte im Laufe der Zeit
unter uns Anstaltspädagogen hergestellt
werden. Für diesmal möge folgende An
regung gestattet sein:
Wäre es nicht vorteilhaft, wenn ge
wisse vordringliche Fragen der
Anstaltserziehung eingehender be
handelt würden und zwar gleichzeitig an
mehreren Orten, von mehreren Köpfen.
Dann käme wahrscheinlich nach dem alt
bekannten Satze „so viel Köpfe, so viel
Sinne" mehr heraus.
Nun denke ich zur praktischen Durch