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Die Bibliothek der Lateinschnle zu Joachimsthal
in Böhmen.
Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus und der Schule in Böhmen.
Von D. Dr. G. Loegoche, k. k. o. ö. Professor der Kirchengeschichte in Wien,
In Böhmen hat zuerst unter den deutschen Staaten der Huma-
nismus eine Stätte gefunden.! Karl IV, der gebildetste Fürst Seines
Jahrhunderts, der Zeitgenosse Petrarkas, konnte der neuen Welt-
anschauung nicht fernbleiben, zumal Sie Sich in Ihm nabetretenden
PergSönlichkeiten Vverleiblichte. So ersgchien im Sommer 1350 der
geStürzte Tribun Cola di Rienzi in Prag, dessen feurige Bered-
Samkeit die deutschen und böhmischen Magister anstaunten,
desSen bombastiSche Briefe als Kunstwerke und Muster aufbe-
wahrt wurden. Petrarka durfte Sich eimes vertrauten Brief-
wechsgels mit dem -Kaiser rühmen. Karls Kanzler, der BiSchof von
Olmütz, Joh. v. Neumarkt (+T 1380) Sah mit knechtischer Bewun-
derung zu Petrarka empor. „Sein pomphaft aufgedunsgener, unter
poetischen Blumen erstickter Briefstil läſst uns den ersten
Morgenstrahbl des Humanismus erkennen, wie er über den dent-
Schen Boden hinzuckte.“ Er Sammelte gelbst Seine Briefe zu
einem Formelbuch, welches durch Humanisten-Briefe vermehrt
wurde.
Anch unter Jobst von -Mähren war wohl Sein Kanzler die
treibende Kraft, welche den Hof und die neue Wisgenschaft
verband. |
Siegmund war für den humanistischen Hauch um 80 em-
pfänglicher, als er vielfach mit Italien in Berührung kam. Pier
Paolo Vergerio Sen. trat in Seinen Dienst, der erste italieniSche
Humanist, der bei den „Barbaren“ diente und starb.
Unter dem aller WisSenschaft völlig abgewandten Friedrich II1
trat Enea Silvio de' Piccolomini in Seine Reichskanzlei ein, welcher
der eigentliche „Apostel des Humanismus“ unter den Deutschen
wurde. Seine Schüler tanchen überall anf, nehmen in Böhmen
! -Ygl. zum Volgenden: G. Voigt, Die Wiederbelebung des klassischen Alter-
thums. 2. Aufl, 1880 f., 2, 266 ff.
Mitteilungen d. Ges. f. deutsche Erziech.- u. Schulgeschichte I1 4 1892 14