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Zeüschnfi des Bundes der Lelwamlsbewerberiimen im V. k. d. L.
Nr. *
Paderborn, 2\. Januar *925
8. Jahrgang
herausgegeben vom Verein katholischer deutscher Lehrerinnen <E. v). Erscheint monatlich als Beilage zur Wochenschrift siir kath. Lehrerinnen.
5ür die Schriftleitung verantwortlich: Clara wirh, Nrefeld, Nohstrahe m. Verlag Kerdinand Lchöningh ln Paderborn.
Inhalt: Kernwort — Zur Jahreswende — Neujahrsgruß — Nuf nach
Bethlehem - Begriffsbildung im dritten Schuljahr - Neue Nussichten für
die Bewerberinnen — Anno Santo — winterstürme — Nrbeirsgemsinfchaft —
Nuskunft — Stellenvermittlung.
wer das Recht hat und Geduld,
für den kommt auch die Seit. Goethe.
Zur Jahreswende.
wir wollen nicht traurig sein, daß wieder ein Jahr vorbei, und wie
törichte Kinder klagen: es habe nickt gehalten und erfüllt, was es versprochen.
Das Jahr verspricht nichts. Vas Jahr ist nichts, wir sind das Jahr und
wir müssen erfüllen, was wir wünschen! — Und wir wollen Geduld haben
und Kämpfer bleiben und uns nicht vortäuschen: was unsern Wünschen ent
gegensteht, es habe keine Berechtigung, wir wollen nicht blind fein! Wir
find ein paar von Millionen und Nbermillionen und müssen sehen, wie wir
zurechtkommen und durchfinden. Wir müssen das Leben nehmen, wie es ist,
fo weh es uns tut, und nicht bloß, wie wir es möchten, wir wollen seinen
Forderungen und Nüchternheiten Rechnung tragen, soweit wir können, freilich,
ohne daß es uns die Duellen verschüttet, aus denen wir schöpfen. Sonst
finden wir uns überhaupt nicht mehr durch.
Über wie es uns die Duellen nicht verschütten darf, so soll es auch das
Ziel uns nicht verwerfen, nach dem wir wandern. Und unser Glaube daran
soll am Himmel stehen, wie jener Stern, der die Weisen aus dem Morgen
lande ihren weg finden ließ. Cäsar Flaischlen.
Gott zum Gruß. Schwestern,
und em gesegneter neuer Jahr!
Ja ein neues Jahr soll 192b für dich werden, nicht einfach die wieder-
holuiig und Fortsetzung des alten, wir wollen innerlich lebendig bleiben,
ganz wach und hellhörig für Gottes leistestsn wink, dann wachsen wir
langsam und ungewollt und unbewußt, dann hat jeder Tag ein anderes, fein
eigenes Gesicht.
Still und beharrlich den weg unter die Füße nehmen, den Gott uns
leitet, das sei unsere Luft, wo der Himmelsvater führt, da geht es ins gelobte
Land, nicht in die wüste, wohl manchmal ein Cndlein dadurch.
Nicht viel Zukunftsschlöffer bauen, unsere Pläne verdunkeln unsern Blick
für Gottes Ziele, die er in die einzelnen Nugendlicke unseres Lebens ver
borgen hat. Kindlich vertrauend fröhlich schaffen am Werk, an das uns
die Vorsehung gestellt hat, so werden wir des Vaters willen tun.
Du Schwester, die du noch die Hände ringst und sagst: „wie kann der
geisttötende Mechanismus des Bürobetriebs mein Leben erfüllen?" - Noch
gestern schriebt mir eine — geh zu den Schwestern, die es bereits erlebt
Haben, daß da, wo sie stehen, sie eingebaut sind in die göttliche weltordnuna,
daß sie dahin eine vaterhond geleitet, damit sie an der Stelle ibr kleines
Teilchen mittragen an des Lebens Los und Last.
Sieh, von dieser Cbene aus gesehen, bekommt alle Nrbeit ihren Glanz
und ihren wert vor Gott und für dich und die Gemeinschaft. Ein Unglück
aber würde die wesensfremde Nrbeit, wenn sie dich müde oder stumpf, vcr«
vlttert oder unzufrieden, gleichgültig oder oberflächlich machte. Du weißt,
Schwester, unser Leben erfüllt sich mit tödlicher Sicherheit Tag um Tag.
Meinen Kleinen suchte ich zum Schulanfang nach den Weihnachtsferien
ernste Lebenswahrheit in leicht faßlicher Form nahezubringen, da sagte ein
Bub aus meiner hilfsfchulklaffe, der beobachtet hatte, wie ich ein Blatt
vom Kalender abriß: „Das ist gerade wie ein Kalender, jeden Tag tun
wir ein Blatt davon und auf einmal ist nichts mehr da!" Sieh, den Ein«
fälligen hat Gott es geoffenbart, und den Klugen bleibt's so oft verschlossen.
Mit ruhiger Zuversicht und mit besinnlicher Treue wollen wir unsern Platz
ausfüllen, trotz aller Hetze und Unruhe ringsum. Und in unserer Seele soll
ein Kämmerlem bleiben, wo freundliche Lichter blinken, wohin wir eilen,
wenn wir des Tages Mühen und der Woche Last getragen haben. Dort
wollen wir Kraft und Erhebung schöpfen aus liefen, rauschenden Duellen,
mögen sie uns fließen in der Natur oder in der Kunst, im Studium oder
in der Literatur, in der Familie oder in der Gemeinschaft.
Brauchen wir denn auch noch eine solche Zufluchtsstätte, wenn wir in
der Schule stehen und lebendige Menschenseelen bilden dürfen? D ja, Schwester,
auch dann! Unser Beruf darf uns nicht Fessel und Hemmung sein, er muß
uns in die Tiefe und weite führen, in alle Lebenskreise, mit denen wir
gerade von Berufswegen durch tausend sichtbare und unsichtbare Fäden
verknüpft sind, wenn wir uns beschränken auf unsern Berufskreis, so
werden wir eng und einseitig, so erstarren und erkalten wir und werden
alt, ehe sich unsere Zeit erfüllt hat.
Noch etwas muß ich mir vom Herzen schreiben. In letzter Zeit haben
mir manche Schwestern — und es waren lebendige und wertvolle Menschen»
Kinder darunter — nach längerem hospitieren oder nach vertretungsarbeit
in der Schule gesagt: „Nch, ich bin schrecklich enttäuscht. Das Leben in der
Schule hatte ich mir anders gedacht. Ich habe nichts bemerkt von harmonischer
Zusammenarbeit der Kollegien, so wenig Verständnis gefunden für methodische
und pädagogische Forderungen, für Kräfteweckung und -entsallung durch
frisch-fröhliche Selbsttätigkeit der Kinder. Ich fürchte mich vor dieser Schule."
Meine liebe, junge Freundin, seit wann suchst du das heil in der Flucht,
wenn sich dir widerstände entgegenstellen? Gewiß, wir stecken in der Schul
arbeit wie überall in schweren Krisen, inneren und äußeren. Nber Krisen
sollen Heilungsprozesse sein, die das Kranke, Morsche und Faule aus dem
Körper Hinaustreiben. Deine Nufgabe, Schwester, ist es, mit dem Feuereifer
und der Begeisterung der Jugend daran mitzuarbeiten, daß die Krise zur
Gesundung führt. Vortruppurdeit sollst du leisten, schreckt dich das? Ich
denke, es muß dich locken.
Daß alte, erfahrene Schuileute unerprobten Neuerungen mit Zurück
haltung, ja mit Mißtrauen gegenüber stehen, ist für mich eine psychologische
Selbstverständlichkeit. Ebenso selbstverständlich ist es auch, daß wir, die wir
die Not unserer Zeit tieferschüttert miterleben, unsern weg gehen müssen, still
und unbeirrt. Unsere ehrliche, überzeugte Nrbeit wird in vielen Fällen die
widerstände überwinden.
Wenn es aber trotz unserer Zurückhaltung zu Konflikten kommt, so
denken wir an das Wort des völkerapostels: „Das Höchste aber ist die
Liebe." wir müssen den weg gehen, zu dein uns Gott die Spur gezeigt,
ganz gerade und ungebogen, das ist die eine Seite des Tatchristentums,
wir müssen ihn jedoch auch gehen mit seiner Rücksicht und vornehmem
Takt, mit selbstvergessener Bruder- und Schwesternliebe, das ist die andere
Seite, und wahrlich die schwerere und königlichere, wenn wir unser Tat-
christentum nicht nur im Munde führen, sondern beweisen wollen, so müssen
wir beides verbinden: die handelnde und leidende Karitas.
heute will ich darüber nicht mehr sagen, erzählen könnte ich noch manches
dazu, auch viel Tröstliches und Ermutigendes — vielleicht ein andermal.
Nun danke ich allen Schwestern, die mir liebe Feftgrüße sandten. Euch und
allen laßt mich den Wunsch zum Jahreswechsel sagen, den mir ein Bruder
schrieb, der auch an schwerer Stelle Pionierarbeit tut; ich weiß keinen schöneren.
„So wünsche ich dir Gottes Segen zum neuen Jahr. Daß du offen
seiest für alles Wachstum, wach für den leisen Nuf des Nllwirksamen;
einem Ruf zur Tat zu folgen. Er segne dich!" Maria May.
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