Full text: Die Junge Lehrerin - 8.1925 (8)

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auf nach Bethlehem! 
„tDie Han i fcös Kinö {o gern, 
Daß i grad kunnt narrisch wer'n. 
halsen wollt' ich's scho von eh', 
wenn ihm nit der Bart tät z' weh.- 
vor mir liegt eines der allerliebsten Krippenbilder von Matthäus Schiestl. 
Ich glaube kühn behaupten zu dürfen, daß wohl kaum einer unserer heutigen 
modernen Maler ihm an Innigkeit, Gemütstiefe und Wärme gleichkommt. 
Ec besitzt ein Künstlerherz und ist dabei Loch so recht naiv, volkstümlich. 
Gehen wir mit ihm einmal in das heilige Reich seiner weihnachtspoejie! 
Krippe und Seele sind eins, hier, ja besonders hier, beim allerliebsten 
Jesukind, bei der süßen herzigen Gottesmutter, dem guten, treuen Joseph, 
bei den frommen, kindlichen Hirten werden wir warm, voll Liebe und Be 
geisterung. verliefen wir uns mit Matthäus Schiestl ein wenig in das 
Krippenideal! 
Man hat begonnen, auch in der Krippensache rührig zu werden, vielerorts 
ist man werktätig oder durch Wort und Schrift damit beschäftigt. Bisher 
hörten wir nur von Kunstwerkstätten in München, Tirol, Bagern, Italien. 
Stolz dürfen wir sein, daß in den letzten Jahren auch Rheinland und West- 
falen ihre Stätten der Krippenkunst geöffnet haben. Wollt Ihr, liebe Bundes 
schwestern, von mir etwas hören, was ich oder ich sage besser, „wir Krippen 
freunde" vor einiger Zeit erlebten? 
Da wurde in E. eine Krippenschau veranstaltet, di« erste im Rheinlands. 
AIs Mitglied des Aufsichtsrates brachte ich täglich einige Stunden im Aus- 
ftellungsgebäude zu. Die ersten Eindrücke all des wunderschönen, von dem 
ich Luch erzählen möchte, waren: unsagbares Staunen, Erbauen, Freude, 
Liebe, Begehren — kurzum: der Aufenthalt an der Krippe wurde uns 
täglich mehr seelisches Bedürfnis. 
was stellt Ihr Euch nun unter unserer Krippenschau vor? - Da waren 
uns aus den besten Kunststätten Krippen zur Verfügung gestellt worden. 
Als erstes muß ich die beweglichen Figuren erwähnen. (Andreas Lang: 
Gberainmergau; Frau Lamers»vordermager: Eleve.) Köpfe, Hände und 
Füße mit peinlichster Sorgfalt in künstlerischer Art geschnitzt, (Heinz Schiestl, 
Bruder von Rudolf und Matthäus ist hier eifrig am Werk) Arme und Beine 
aus Draht an einem Holzrumpf zusammengefügt, dazu eine gediegene, an 
gepaßte Bekleidung. — war das ein liebreizendes Jesukindchen (als einzigste 
unbewegliche Figur in dieser Art); eine Gottesmutter voll Zartheit und würde, 
ein treusorgender Joseph, ein frommgläubiger Hirte! Alles war Seele, Leben! 
Nun mußtet Ihr erst die Gruppierung sehen. Vas Kindchen im Körbchen, Maria 
dahinter sitzend, Joseph stehend, mit einer Hand ein Kerzenlichtchen ab 
blendend. Leben heißt: Sichbewegen. Nun denn: wir nahmen einen Esel 
hinzu. Maria mit dem Kinde setzte sich darauf, und Joseph zog, wohl 
bewußt seines Schützeramtes, mit den ihm Anbefohlenen nach Ägypten. Da 
tat auch Raft not. In einer Gase an einem Brunnen (ein Mitarbeiter hatte 
die Hintergründe mit dem Pinsel in künstlerischer Art entworfen) ließ sich 
Maria mit dem Kinde auf dem Schoße nieder, Joseph beugte sich liebevoll 
auf beide herab. — hervorheben muß ich hier besonders die Gruppen, die 
Frau Lamers-Vordermager gestellt hatte. In ihrer Farbenharmonie, in 
ihrem Ausgleich zwischen Bewegung und Ruhe standen sie einzig da. 
Andere Künstler boten uns feste Figuren: Kaschierte, (Gsterrieder, Brüx) 
Holzschnitzerei (lvittmann, hartmann), Gips- oder harlmassenaroeit (Mo-., 
mann). Alle waren in ihrer Art fein und fanden allgemeinen Zuspruch. Will 
man auch in Zukunft bei den unbeweglichen Gruppen bleiben, so waren 
die uns zur Verfügung gestellten geeignet, um endlich der kitschigen Fabrikware, 
die bisher durchweg zum Krippenbau verwandt wurde, entgegenzutreten. 
Allerdings nehmen die „lebendigen" Gestalten, vom künstlerischen Standpunkte 
aus betrachtet den ersten Rang ein. Ein Übel, das man ihnen zuschreiben 
könnte, wäre der preis. Doch was sagt Ihr dazu: Die HI. Familie, 20 cm 
hoch, gekleidet 35 ^? Bedenket dabei den Kunstwert, die Möglichkeiten in 
der Gruppierung, das stets wechselbare Bild. Und wenn es doch ganz und 
gar unerschwinglich erscheint, nun denn: Begnügen wir uns erst mit drei 
Figuren. Wunderbares läßt sich damit machen. Weihnachten wird das 
Kindchen in die Krippe gelegt. Dann nimmt man ein Eselchen dazu, und die 
HI. Familie zieht nach Ägypten. Unterwegs wird Raft gemacht. — Nach 
und nach kann dann der Reichtum vermehrt werden. Ich bin mit unserm 
Rundgang noch nicht am Ende, was sagt Ihr zu den allerliebsten Papier- 
krippen? Gelt, Ihr zuckt nicht mit der Schulter oder schaut lächelnd darüber 
hinweg? Ist die Führich-Krippe nicht überraschend schön? Ein Krippenfreund 
hat sie mit Liebe und Eifer in seinen Feierabendstunden ausgeschnitten, auf 
holz geklebt und sorgfältig ausgesägt. Moos, Rinden, Flechten mußten das 
Material zum Stalle hergeben. Nicht wahr, das ist gar keine Papierkrippe? 
Atmet uns nicht Leben entgegen? Und nun schaut nebenan das Krippchen von 
Bachlehner! Lachen uns da nicht Tiroler Leute an? 3ur Liebe ein wenig 
Geduld und ein paar Pfennige, und wir haben ein reizendes Kunstwerkchen. 
Noch so vieles könnte ich von unfern herrlichen Tagen erzählen, wäret 
Ihr alle doch hier gewesen! Vas mußte man anschauen. Meine kargen 
Worte reichen auch nicht im mindesten hin, Euch in etwa alles vor die Seele 
zu zaubern. Wieviel könnten wir daraus beruflich, namentlich für den 
ethisch-ästhetischen Unterricht lernen! Ich hätte Luch einen Blick auf die 
Gesichtchen unserer Kleinen gegönnt, als sie die Farbenpracht, die köstliche 
Gruppierung und dann erst die beweglichen Figuren mit ihren Möglichkeiten 
sahen. Bei den größeren Jungen wurde allgemein der Ausspruch kund: 
„Ich wünsche mir vom Nikolaus einen Laubsägekasten. Dann steht bei uns 
zu Hause Weihnachten auch solch eine schöne Krippe." 
Nun sind die weihnachtstage schon dahin. Doch wir leben noch inmitten 
rhrec Zauberwelt. In manchen Familien steht heute an Stelle der alten 
steifen Krippe m reizendes Papierkrippchen oder sogar eine bewegliche Gruppe. 
Zum Schluß, liebe Bundesschwestern! Nicht wahr, Ihr alle seid begeistert 
für das Krippenideal? Gibt es doch kaum etwas Seelenvolleres. Edlerer! 
Ist es nicht gerade für uns Erzieherinnen heilige Pflicht, dieses Ideal zu 
pflegen und mitzuhelfen, daß die Krippenkunst immer mehr Anhänger ge 
winnt? Line Organisation hat sich bereits gebildet und den großzügigen 
Plan ins Auge gefaßt, alle Krippenfreunde in Rheinland und Westfalen 
zusammenzuschließen, wir wollen miteinander das ganze Jahr hindurch fleißig 
sein, um am weihnachtstage, und zwar von Jahr zu Jahr dem Lhristkino 
näher zu kommen und den Zauber und die Lieblichkeit des heiligen wiegen» 
festes immer tiefer zu empfinden und zu erleben. - Diese Idee geht aus 
von unfern Franziskanern, an der Spitze Herr Pater Guardian Dr. h. Dausend, 
Bonn. (Kreuzberg.) wir hoffen auf tatkräftige Mitwirkung und Unter 
stützung durch unsere Kolleginnen, heran, tun wir alle mit! Es gilt für 
uns, für unsere Kinder und unser liebstes Kind, das Jesulein in der Krippe! 
Interessenten mögen sich an obige oder meine Adresse wenden. 
Allen Bundesschwestern auch heute noch einen herzlichen wcihnachts» 
und Neujahrsgruß! Gertrud Schmöle, Euskirchen (Rhld). 
Segriffrbildnng im dritten Schuljahre. 
wenn es sich auch im dritten Schuljahre nicht um die Bildung logischer 
Begriffe handelt, so soll doch das Kind dieses Jahrganges zu einer 
genügenden Kenntnis der Hauptmerkmale der Dinge seiner heimallichen 
Umgebung geführt werden; um die Klärung dieser Begriffe bemüht sich 
der gesamte spätere Unterricht. 
Die sinnliche Anschauung als Mittel der Begriffsbildung findet auch 
im dritten Schuljahre noch vielseitige Verwendung. Wenn cs sich z. B. bei 
dem Gedicht „Die Heinzelmännchen" um die Tätigkeitsbegriffe zupfen, 
rupfen, schaben u. ä. handelt, so führt hier Anschauung mit nachahmender 
Selbstbetätigung zur Erkenntnis des Wortinhaltes. Im dritten Schul 
jahre freilich kann noch etwas mehr getan werden; die Tätigkeit des 
Zupfens kann mit der des Rupfens, die des Schadens mit der des Kratzens 
an Beispielen verglichen werden. Alle diese Übungen sollen nicht un 
mittelbar am Gedicht vorgenommen werden, sondern e als Sprach 
lehre-Übungen in besonderen Stunden die Kinder beschäftigen. 
Otto willmann weist auf die Bedeutung des Zweckgedankens für 
die Begriffsbildung hin. Gerade im drillen Schuljahre fördert die Einsicht 
in den Zweck die Erfassung des Begriffsinhaltes. Da kommt in einem Lese 
stücke das Wort Herberge vor; sprachgeschichtliche Belehrungen wären im 
dritten Schuljahre verfrüht; die bloße Vertauschung des Wortes mit einem 
sinnverwandten, etwa mit Gasthaus, leistet zu wenig. Indem aber die 
Lehrerin das Kind zur Erkenntnis des Zweckes einer Herberge führt, per» 
mittelt sie das wichtigste Merkmal des Begriffes Herberge. Natürlich 
muß der gesamte Unterricht dieses Schuljahres jede Gelegenheit ergreifen, 
um die Zweckerkenntnis zu fördern; Gelegenheit dazu bietst insbesondere 
der heimatkundliche Unterricht in seinen verschiedenen Zweigen. 
häufig besteht die unterrichtliche Tätigkeit der Lehrerin darin, die 
sprachliche Ableitung des Begriffswortes zu vermitteln. Den Inhalt 
des Begriffe; Fährmann erfaßt das Kind, wenn es etwa folgende Wort- 
reihe deutlich im Bewußtsein hat: fahren, führen, Fähre. Man erschrecke 
nicht, es handelt sich hier nur um einfache sprachliche Belehrungen, für 
welche die Beispiele aus der Umgebung des Kindes genommen werden. 
Nur wenn der sprachkundliche Unterricht immer wieder Berührungspunkte 
mit dem Sachunterrichte sucht, wird die Begriff-welt des Kindes bereichert; 
die meisten zerpflückenden „Erklärungen" erübrigen sich dann bei jenen 
Lehrfächern, bei deren es, wie z. B. im Leseunterrichte, auf die Erfassung 
eines Ganzen ankommt. 
Lehr beachtenswert rft der Gegensatz zwischen der Zerlegung eines 
Gattungsbegriffes in Artdegriffe und dem Aufstieg von den Aribegriffen 
znm Gattungsbegriff. Das Leichtere ist die Zerlegung; schon im dritten 
Schuljahre können z. B. die Kinder zu dem Gattungsbegriff Krankheit 
einige Artbegriffe (Masern, Grippe usw.) nennen. Der fortschreitende Un 
terricht hat nur darauf zu achten, daß er von Zeit zu Zeit die schon früher 
herangezogenen Artbegriffe zusammenstellt, etwa in der Form: Viesen Bauer 
befiel die Grippe; nennt andere Krankheiten, die ihr kennt (oder: von 
denen ihr schon gehört habt), viel schwieriger ist der Aufstieg von den 
Artbegriffen zum Gattungsbegriff. Den Begriff Gewehr kennt — natürlich 
nur in seinen Hauptmerkmalen — jedes Kind des dritten Schuljahres, aber 
daß das Gewehr zu den Waffen gehört, muß wohl erst der Unterricht ver- 
miltsin. Diesen Aufstieg vom Artbegriff zum Gattungsbegriff lasse sich die 
Lehrerin im dritten Schuljahre besonders angelegen sein; diese so wichtige 
logische Betätigung wird gefördert, wenn immer wieder bei passender 
Gelegenheit innere Beziehungen zwischen Art- und Gattungsbegriff hergestellt 
werden, wenn also z. B. nachgewiesen wird, inwiefern die Kartoffel ein 
Nahrungsmittel ist. Lehr gut ist es, wenn sich die Lehrerin Verzeichnisse 
anlegt, aus denen jederzeit zu ersehen ist, welche vegriffsgruppen schon zur 
Behandlung gekommen sind. 
Nicht zu übersehen ist auch der Unterschied zwischen der Hilfe, die das 
hörende Erfassen der Wortinhalte gibt, und jener, die das Lesen bereit» 
stellt, wenn die Lehrerin im dritten Schuljahre den Kindern anschaulich 
zeigt, daß der Knabe auf das schwache Eis ging und sich dadurch in Ge 
fahr begab, so versteht jedes aufmerksame Kind den Begriff Gefahr in 
genügendem Maße. Im Lesen (Franz achtete nicht auf die Gefahr) kann 
der übrige Inhalt des Stückes die Begriffsvermittlung übernehmen, etwa 
indem der weitere Verlauf des Stückes die Rettung aus der gefahrvollen 
Lage darstellt Ehe man also im Leseunterrichte an eine Begriffserklärung 
herangeht, untersuche man, ob nicht das Lesestück als Ganzes den Begriff, 
vorführt. Insbesondere werden oft die in der Überschrift vorkommenden 
Begriffe aus dem Desamrinhalt abgeleitet. (Der hartherzige Nachbar.) 
Bekanntlich bat schon Pestalozzi betont, daß die Anschauung nur ein 
Mittel der Begriffsbildung ist. Auch heutigentags würden sich mancyS
	        
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