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entgegensende und meine Liebe dich noch wärmer und inniger umfängt als
,u der Seit, da Endliches mich umgab? weiht du nicht, wie golden der
Kreis sich rundet? wie ich in Mutterglück, alle Gebete, die Dankbare für
dich emporsenden, sammle und vor Gottes Thron bringe? Du bist nicht
einsam, mein geliebtes Kind, nie einsam!"
Eine unaussprechliche Süßigkeit brach auf in kelenens Herzen wie
eine purpurne Rose im Sonnenglanz. Nie einsam, denn Gott ist denen
nah. die ihn suchen." „ , , t
Dos Kindlein in der Krippe breitete die Ärmchen lächelnd aus . . .
und Glocken läuteten. -
Ja, Glocken!
Helene richtete sich verwirrt auf. von der nahen Kirche läuteten die
Silvesterglocken.
waren es dieselben, die eben geläutet hatten? was war geschehen in
dieser Stunde, da eine gütige Hand sie der Einsamkeit entführte und hinein
schauen ließ in das Reich der Seelen, in dem Friede herrschte und Seligkeit.
In ihr war tiefe Ruhe und eia Frohsein über alles Begreifen. Einsam?
Sie lächelte und packte ohne Bitterkeit, ohne Bedauern die Dinge aus, die
für den Besuch bestimmt waren, und schickte sich an, den Abend doch festlich
und schön zu begehen. Venn heimliche Gäste waren da und nahmen teil
an ihrer Feier, wie eine Kostbarkeit legte sie die bunte Karte: Ihre dank
bare Schülerin Maria Neumann neben die kristallene Vase und atmete den
zärtlichen vlumenduft ein, als sei er ein Bote der geheimnisvollen, anderen
Welt. S.
Liturgie und Schule.
Man kann bei dem Worte Liturgie an den priesterlichen hochdienst
der Kirche denken, an das benediktinifche Leben, an die Gnade, die
Berufung zu diesem Leben. Liturgie ist auch ein wissen und eine
Wissenschaft. Liturgische Gnade und liturgische wrsfenschast können wir
nicht geben und nicht lehren. Vas wesentliche der Liturgie ist aber der
gemeinschaftliche Dienst aller Gläubigen in der Anbetung Gottes als
Glieder des Leibes Christi. Liturgie ist also wirkliches Leben. Dieses Leben
als Sein, als Lebenskraft kann wiederum von Menschen nicht gegeben
werden. Der katholische Christ besitzt es durch die Taufe. Es handelt
sich für uns also um die Bildung, Entwicklung und pflege dieses Lebens.
Man spricht heute viel von aufblühendem liturgischen Leben. Beweis
genug, daß dieses Leben daniederlag, viele Katholiken lebten und leben
ihr religiöses Leben nicht aus der Liturgie, dem zentralen Leben der Kirche,
nicht aus dem Urquell, sondern aus den Seitengewäfsern dieses lebendigen
Stromes, wenn einer politisch so lebt, wie es dem christlichen Glauben
entspricht, so ist er ein treuer Staatsbürger, nichts mehr. Und wenn wir der
christlichen Moral gemäß handeln, tun wir nicht viel mehr, als jedem
guten Menschen zu tun geboten ist. Die Erziehung des vergangenen
Jahrhunderts war im allgemeinen auf moralische, ethische Ziele, auf per
sönliche Frömmigkeit eingestellt, wir sind Kinder dieser Zeit. Kann es
uns da wundern, wenn die Aufgabe liturgischer Erziehung uns drückt wie
die Zweifelsfrage des Moses: Werden wir wohl mit diesem Stabe Wasser
aus diesem Felsen hervorbringen?
Ermutigen zu dieser Arbeit muß uns indes der Glaube an die Lebens
kraft, die uns eingegossen ist, „das vertrauen auf den heiligen Geist",
wie Guardini sagt, der nicht nur unsere Gliedschaft am Leibe Christi be
wirkt, sondern auch lebendige Urkraft in den Seelen ist, deren Leben wir
entwickeln sollen.
Liturgie ist hohe Kultur, ist feinste Form, stärkste Bindung. Sie erfordert
Hintansetzung der eigenen Erkenntnis, des persönlichen Urteils, Zurück
treten der Empfindung, des Stimmungslebens. Sie verbietet alle Eigen
willigkeit, sie bindet den Willen an den Lebenswillen Christi, der Kirche.
Dieser Wille allein ist richtunggebend und formbestimmend. Wahrlich, ein
Matz von ungeheurer Weite! Erscheint es nun aber nicht ein Widerspruch
in sich, in der heutigen Schule etwas bilden zu wollen, das höchste Zucht
und strengste Form verlangt? wie können wir in unserer Schule, die
vielfach vom Erlebnis ausgeht, die auf Selbsttätigkeit aufbaut, als Bildungs-
ideal die große Objektivität der Liturgie vorstellen?
Darüber wird wohl kein Wort zu verlieren sein, daß es sich bei litur
gischer Bildung nicht nur um Verständnis für liturgische Zeichen und Ge
bräuche handelt. Die liturgischen Zeichen sind aus einer inneren Haltung,
fer es Bereitschaft, sei es Hingabe, also aus wirklichem Leben in eine diesem
Leben gemäße Form gewachsen, versuchen wir heute, diese Zeichen zu
deuten, so kann es sich nur darum handeln, ihren lebensvollen Ursprung
Aufzuspüren, dieses Leben uns zu eigen zu machen, und von da aus selbst
rn diesem Zeichen lebendig mitzusein. Vas ist ein langer, mühsamer
weg. Er birgt zugleich die Gefahr in sich, die alle Mittelbarkeit mit sich
brmgt, daß dadurch Erlerntes, verzerrtes, Gekünsteltes gebildet wird. Und
wäre das Ende nicht doch vielleicht Subjektivität. Schau Spiel? Können
voxr auf diesem Wege überhaupt zur objektiven Wirklickkert der Liturgie
gelangen? *
(Bibt cs nicht einen einfachen, schlichten, unmittelbaren weg zur Liturgie'
.. ^ er Mensch ist als leibseelisches Wesen ein Einiges, Ganzes, vurä
■" ^uade kommt noch ein neues Leben hinzu, das aber nicht die innere
Struktur fces 'nXen{d)en ändert, sondern veredelt, ins übernatürliche hebt
** nit Entwicklung des natürlichen Lebens ist auch die Entwicklungs
Möglichkeit des übernatürlichen gegeben. Jede Bereicherung, jede Ent
faltung, jeder Antrieb der natürlichen Lebens kann auch dem übernatür
nchen Leben zugute kommen.
P on Zier aus gesehen, beginnt sich bereits der Widerspruch zwijche,
schule und Liturgie zu klären, wenn ich das Kind mehr werden ab
wn?i i es mehr wächst, als daß er gebildet wird, so daß di,
Wirklichkeit in ihm Leben wird, statt dar Leben in ihm Wirklichkeit
bilden wir da nicht in ihm ein lebendiges Organ zur Erfasiung von wirk
lichem Tun heran! Die innere Haltung dieser Bildung ist Gehorsam
(gegen das Gesetz der Entwicklung, das Gott in jeden Menschen geleot
hat), Glauben, vertrauen (an die Wirksamkeit Gottes in dieser Entwickluno.
Staunen und Ehrfurcht (vor dem Gesetz im andern.) Sind es nicht die
Fremdgesetze katholischen Lebens.
Die heutige Schule kommt der Bildung liturgischen Lebens noch weiter
entgegen. An der Wirklichkeit des Lebens hat der Körper Anteil, er ist
der äußere Träger der Menschenwirklichkeit, er kann Anreger oder hin-
derer des geistigen Lebens sein, wo Leben ist, nimmt er teil daran durch
Gebärde. Sprache, durch Gehen und Stehen, er hat viele Möglichkeiten
die innere Wirklichkeit äußerlich zu gestalten. Leben, das von innen heraus
wächst, kommt notwendig in eine Form hinein, verlangt nach Ausdruck
was Wunder, wenn die Schule, die Leben wecken will, dem Leibe, den
Körperlichen, jeglichem Ausdruck, dem Zeichen, der Gebärde, jeder ^ormunc-
ihr Recht läßt.
wenn das lebendige Eins vom Leben und Zeichen, von Symbol u,.j
Leben hergestellt ist, dann ist damit wohl auch die Fähigkeit einer Synthese
von Leben und Zeichen überhaupt gegeben.
Diese „Symbolfähigkeit", die Fähigkeit, leibseelisch zu leben ist die
Grundlage, der unmittelbare weg zum liturgischen Leben. Ein Beispiel
möge das beleuchten.
Meine Kleinen holen mich am Morgen zur Schule ab. Es ist schön
draußen. Der Nebel hat weißes Gespinst um Bäume und Sträucher und
über die wiesen gehangen. Anneliese sagt: Guck mal, die Büsche haben
Feiettag! - Ja? — Sic freuen sich jo, weil sie ihre weißen Kleider an
haben. - Sieh es dir gut an, gleich in der Schule erzählst du es den
andern. — Freilich, mein schöner Religionsplan war über den Haufen ge
worfen. was verschlägt's! Anneliese berichtet freudestrahlend. Ein paar
haben es auch gesehen, einige erinnern sich, die übttgen versuchen mit
einem Blick durchs Fenster das versäumte nachzuholen, von den weißen
Kleidern der Büsche kommen wir auf unsere weißen Kleider zu sprechen,
wenn wir die anziehn! wenn Feiertag ist! wenn die Mutter Namens
tag hat! wenn mal ein schöner Sonntag ist! wenn Besuch kommt!
Dann freuen wir uns. - Unsere Seele hat auch ein weißes Kleid. Das
ist die heiligmachende Gnade, wenn wir gut sind, haben wir das immer
an. Dann können wir uns auch immer freuen, wir machen es schmutzig durch
die Sünde. Dann paßt es auch nicht zusammen, wenn wir ein weißes
Kleid anziehen, wenn ich mein weißes Kleid anziehe, denke ich an mein
Seelenkleid. Ich will mein Seelenkleid nicht schmutzig machen. -
Soweit die Religionsstunbe. Ich habe kaum ein wott zu sagen brauchen.
In den nächsten Tagen — Magdalenchen hat ein Schwesterchen bekommen,
das wird am Sonntag getauft - werden wir vom Taufkleid, dann auch
vom Kleiderwaschen — die Israeliten am Sinai - erzählen.
Die Kinder haben auf diese weile die Symbolik der weißen Farbe
- Freude und Reinheit - erlebt. Welche Beziehungen gehen von hier zur
Meßliturgie! Weihnachten mit seiner weißen Farbe der Unschuld und der
Freude! Wie lebendig wird die Deutung aus der Grundlage dieses Er
lebnisses !
Unsere heuttge Schule bietet in seiner ganzen Art eine natürliche
Grundlage für liturgisches Leben. Nichts weniger, denn dies ist viel, aber
auch nichts mehr, denn dies ist gleichsam nur die offene Tür.
Damit liturgisches Leben wirklich werde, mutz ein höherer Lebenswille
einsetzen, eben der Wille, Glied zu sein am Leibe Christi, Christ also zu
sein in des Wortes schönster Bedeutung. Die Schulung zu diesem Leben
wirkt Christus, die Kirche, selber in ihrem täglichen Opfer und dem heiligen
Dienst, in dessen Mittelpunkt sie das Opfer gestellt hat. Die Teilnahme
an diesem Dienst ist zugleich die beste Erziehung zum Liturgen. Es möge
unsere vornehmste Aufgabe sein, die Kinder zur wirklichen Teilnahme an
diesem Gpferdienst der Kirche anzuleiten. Matta Müller.
Nachwuchs.
Ls war in der letzten Stunde einer mehrtägigen veratungsarbeit, zu
der der Katholische Frauenbund vettretettnnen aller kath. Frauenorgani
sationen nach Essen berufen hatte, „Heranwachsende Jugend und
heutige Frauengeneration" war der Grund- und Kerngedanke der
gemeinsamen Arbeit gewesen. — Erschütternde Bilder materieller, geistiger,
sittlicher und religiöser Not waren gezeichnet worden, — und doch war
durch alle Ausführungen ein froher Optimismus hindurchgeklungen, der
an das Gute und seinen endgültigen Sieg glaubt; der weiß, daß in unserer
so verroht scheinenden Jugend beste Kräfte nur verschüttet, aber nicht voll
ständig zerstört find. Die Generation der Gereiften wurde sich deutlich
ihrer Verantwortung bewußt, in mütterlicher Frauengüte der ringendem
Jugend beizustehen. Die Jugend aber muß wohl den guten willen, der
in jenen Tagen wach und lebendig wurde, gespürt haben; denn eine frische,
rheinländische Jungdornerin sagte in der letzten Stunde unsres Beisammen
seins: „Es war ein schönes Erleben, wie in diesen Tagen eine reife, gütige
Frau nach der andern uns die Hand entgegenstreckte." Und mit diesem
Worte kam der Höhepunkt der gemeinsamen Arbeit: die Erkenntnis, daß
Jugend und Reife einander näherkommen, sich verstehen lernen wollen
und zu gegenseitigem Geben und Nehmen bereit sind.
Fast war ich geneigt zu glauben, daß das verstehen schon da sei, als
eine junge Sozialbeamtin, die einer Jugenüabteilung des kath. Frauen
bundes angehört, die leise Anklage erhob, sie würden zu sehr als „Nach
wuchs" betrachtet. Sie hat sich zwar nicht weiter darüber geäußert, wie
das gemeint ist, doch wurde aus dem Zusammenhange, in dem das Wort
siel, klar, daß diese Einstellung di« von beiden Seiten ersehnte Gemein
schaft hindert.