Full text: A - L (1)

Ehlers -- Ehrtrieb | 169 
oder die Art, Gefälligkeiten zu erweiſen, hat etwas Widriges, oder 
man rechnet zu oft vor, was man für das Kind gethan hat. 
Dankbarkeit läßt ſich eben ſo wenig als Reue Über bewieſenen Un- 
gehorſam erzwingen. 
Ehlers, Martin, geb. 1732, ſtarb 1800 als Profeſſor in 
Kiel, that tiefe Blike in das Schulweſen, wie ſein Werk bezeugt: 
„Gedanken von den zur Verbeſſerung der Schulen nothwendigen 
Exforderniſſen.“ Ex war auch Mitarbeiter an Campe's Reviſionswerk, 
Ehrtrieb. Ueber keinen Trieb der menſchlichen Seele ſind die 
Pädagogen mehr getheilter Meinung geweſen, als über den Ehr- 
trieb. Es kommt alles auf die Anſicht an, die man ſi) davon 
bildet. In wie fern der Ehrtrieb ein urſprünglicher Trieb des 
Menſchen iſt, in ſo fern kann er unmöglich an ſich böſe ſein; er 
muß vielmehr erſt durch ſeine einſeitige Richtung und Entwicklung 
verderblich wcrden. Bei ſeiner Charakteriſirung kann man aber 
ſelbſt von einem doppelten Standpunkte ausgehen, je na<hdem man 
die Ehre entweder als Zwe> an ſich oder als Mittel zum 
Zwecke betrachtet. Nur in der erſten Hinſicht kann der Ehrtrieb 
nachtheilig werden: in der zweiten Beziehung muß er ſich 
wohlthätig und heilſam zeigen. Wenn die Ehre in der Mei- 
nung beſteht, welche Andere von unſern Talenten und Fähigkeiten, 
von unſern Kenntniſſen, unſerer Sittlichkeit 2c. haben, ſv kann dieſe 
Ehre nur durch weſentliche Vorzüge erworben werden, und ſo muß 
fie von der Art und dem Grade abhängig ſein, na<ß welchem 
der hö<hſte aller irdiſchen Zwede der Sittlichkeit von 
uns realiſirt wird. 
Je nachtheiliger die Verirrungen des Ehrtriebes ſind, deſto 
arößer iſt die Verpflihtung des Erziehers8, dem Ehrtriebe ſeiner 
Zöglinge yon Jugend auf eine zwemäßige und wohlthätige Rich- 
tung zu geben. Kündigt ſich dieſer Trieb ſchon an ſiH mit einer 
mehr als gewöhnlihen Stärke an, ſo ſei die Nahrung, die ihm zu 
Theil wird, ſehr ſparſam und weiſe berechnet. Man lobe den ehr- 
geizigen Schüler nicht zu viel, aber man demüthige auc< ſeine 
Selbſtſu<t nicht dur< unverdienten und unzeitigen Tadel, weil 
dieſer nothwendig immer Erbitterung bewirkt. Man erkenne Über- 
haupt nur das mit Billigung an , was auf Sittlichkeit Beziehung 
hat. Man bewundere nie Aeußerungen der körperlichen Gewandt- 
heit und Stärke, man tadle geradezu jeden Ausbruch der jugend- 
lihen Eitelkeit und Prahlerei, mache ihn, unter gewiſſen Bedin- 
gungen, ſogar lächerlich. Man komme in Grundſätzen und in Bei- 
ſpielen jedesmal auf das ſichere Reſultat zurüf, daß die wahre 
Ehre nur im Gefolge der wahren Sittlichkeit ſei und nur 
durch ſie erworben werden könne. Je einfacher diejer Maßſtab 
für die Erwerbung der wahren Ehre iſt, deſto leichter wird er in 
die noc unverdorbene jugendlihe Seele eingehen,
	        
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