Full text: Arbeiter-Jugend - 14.1922 (14)

58 Arbeiter-Jugend 
und 3a wohnte, verausgabt' worden ſeien. Die jugendlichen Verteiler wurden entlaſſen 
und ein Gtrafoerfahren gegen Timm eingeleitet. Die Vorladung zu einer kommiſſariſchen 
Vernehmung befam aber nicht ich, ſondern mein alier Vater. Der alte Herr hatte 
noh nie eiwas mit dem Gericht zu tun gehabt und war nun ziemlich erregi. Er beteuerte 
dem Kommiſſar, daß er wirklich von nichts wüßte. Es nüßte aber alles nichts, er mußte 
nac) Moabvii*). Der Vater tat mir leid, als er ziemlich barſch aufgefordert wurde, hinter dem 
Gitter auf der Anklagebank Platz zu nehmen. Ich ſaß im Zuhörerraum. Auf die Frage 
des Vorſitzenden erklärte mein Vater nochmals, von Flugblättern keine Ahnung zu haben 
Der Vorſitzende bemerkte: „Das kennen wir ſchon." Die Zeugen wurden aufgerufen und 
nun folgie die Gegenüberſtel lung. Die Kriminalbeamten erklärten, ven Timm auch nicht 
au kennen. Die Verteiler hätten den Namen angegeben. Die jugendlichen Zeugen wurden 
nicht vereidigt, weil ſie der Mittäterſchaft verdöchtig waren. Sie erklärten ebenfalls, den 
Herrn auf der Anklagebank nicht zu kennen, Nun ging ver Vorſißende ins Feuer: „Wohnen 
In dem Hauſe noch mehr Leute gleicgen Namens? Wie alt war der Timm, ver die Flug» 
blätter verausgabt hat?“ Zeugen: „Ungefähr 20 Jahre.“ „Wie alt ſind Sie, Angeklagter?" 
„3 Jahre.“ „Haben Sie Söhne?" „Ja.“ „Wie alt ſind die?" „15 und 19 Jahre.“ Vor 
ſizender?: „Herr Amtsanwalt, haben Gie no< etwas zu bemerken?" 
„Nein.“ Vorſitzender: „I< ſchließe die Sitzung." Cin Verfahren gegen mich 
konnte nicht mehr eingeleitet werden, do die Veriährungsfriſt um drei Tage übere- 
Ichritten war! 
Heute brauchen wir dieſe Art Kampf nicht mehr zu führen. 
praktiſcher Urbeit hingeben, und das iſt gut. Unſere Jugendarbeit hai desha!b auch heute 
einen anderen Charakter ais früher. War früher auch manches luſtig im Kampfe mit der 
Bolizei und erinnert man ſich gerne an dieſen over jenen Streich, ſo wünſcht man doc dieſe 
Wir können uns mehr 
Zeit nicht zurü&. Heute iſt die Bahn frei! =“ Nüßzt vie Zeit! 
(Aus der Jugendbeilage des „Vorwärts“".) 
- 2) Berliner Stadtteil, in dem das Kriminalgericht liegt, 
2 AUS ver 
Aus dem Bezirk Chemmiß. 
Unſer Bezirk? hat in den leßien zwei Jahren 
eine ungeheure Entwidiung in die Breite ge» 
nommen, ver die Schulungs» unv Drgani- 
ſationsarbeit nicht folgen konnte. 87 Orts5»- 
gruppen waren nad) dem leßzten Suartals» 
hericht dem Bezirk Chemniß angzeſchtoiſen. 
53is in die entfernteſten Gebirgstäler des 
ſächſiſchen Erzgobirces iſt der Gedanke ver 
Arbeiterjugendbewegung gedrungen und hat 
dort feſten Fuß gefaßt. ' Nun gilt es aber 
aud), das gewonnene Neuland zu bearbeiten. 
Bewaltiges iſt zu leiſten. Wo es infolge der 
großen Entfernung Ed<wierigkeiten macht, 
mit dem geſpromenen Wort zu „wirten, 
Wollen wir ſchrifilich Aufklärung an die jun» 
gen Genoſſen und Genoſſinnen heranbringen. 
Beſonders ſollen den einzelnen Jugend- 
gruppen die Echriften naſeres Verbandes Zus- 
gänglich gemoc<t werden. 
Bei einer Bewegung von ſo großem Um- 
fang iſt vas natüriich nur mit Hilfe einer 
ezirfszentrale zu machen, der zu 
jeder Zeit geeianete Kräfte zur Verfügung 
ſtehen. Wir haben uns de5hald in Chemniz, 
wie es fa „auch in anderen Bezirken geſchehen 
iſt, mit ver Ercichtung eines Jugendſekre- 
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tariats beſchäftigt. Leider ſcheiterte die Atto 
ſtellung eines Jugendſekretärs zunüchſt noch 
an der Geldfrage. Noch Ueberwindung aller 
Schwierigkeiten haben wir es nun aber ex» 
reicht, am 1. Febrvar ein Sekretariat er» 
öffnen zu können. Es wurde aus jungen 
Genoſſen und Genoſſinnen eine Geſchäfts» 
fommiſſion gebildet, die die Arbeiten neben» 
amtlich leiſtet. Wir haben die feſte Hofſs 
nung, daß es uns mit Hilfe einer jtrafferen 
Geſchäftsführung und organiſatoriſchen Unter» 
ſtüßung der Vereine gelingen wird, die Ar» 
beiterjugendbewegung in unferem Bezirk? 
nod) weiter vorwäris zu bringen. 
Wir wollen dabei behilflich ſein, den 
Grupven vor allem aud vie innere Kraft 
zu geben, die zur Feſtigung und zum weiteren 
Ausbay notwendig iſt. 
Weiter wünſchen wir, daß ver Gedanke, 
in den einzelnen Bezirken dur An» 
ſtellung von Funktionären die 
BVowegung zu fördern, in Parteitreiſen mehr 
Blaß nreifen möge. Wohl läßt ſich Aufs- 
flärungs- und BVildungsarbeit nicht dur 
Gtatiſtiken meſſen, höGrens vie Zahl ver 
Vorträge und Kurſe. Aber ich glaube, bie 
guten Wirkungen unſerer Arbeit magen ſich
	        
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