Gehorſam 285
theils in einer Menge von ſeinen Vorſtellungen, theils in dem
Feſthalten der andern Vorſtellungen durch das Wort. Das Gehösr
erregt vermittelſt der Sprache unmittelbar den Verſtand, um den
Gegenſtand zu denken, es bereichert und begeiſtert das Gedähtniß,
erregt die Phantaſie bei den erhaltenen Bildern, und eröffnet das
innerſte Heiligthum, um das Geiſtige zu vernehmen, denn in dem
Gehöre entwickelt ſic) vermittels des Wortvorrathes hauptſächlich
die Vernunft. Und no< weiter: wer gut hört, vernimmt das Gei-
ſtige ni<t nur deutlicher und ſtärker, ſondern läßt es auch tiefer in
ſeinen Geiſt eindringen; er wird empfänglicher für das höhere
Schöne und für das Ueberſinnliche, und ſein GeſhHma> wird mehr
von dem JIrdiſchen losgeriſſen ; die heiligſten Gefühle werden durch
das Seelenwort, mit Liebe geſprochen, aufgerufen ; zugleich geht
hierin die Aufmerkſamkeit am früheſten in Beſonnenheit, in Ueberle-
gung und in ein ergebenes Aufmerken auf den Willen der Menſchen.
über, Aus dem guten Anhören wird ein Horchen auf das leiſeſte Wort,
und dieſes führt, wie ſchon unſere Sprache andeutet zum Gehor»
ſam. Das Ohr vernimmt in dem Laute das Tiefjte der Natur, und
wird ſhon dadurch wunderbar angeſprochen, aber es iſt auch das
Organ für die Geiſterwelt. Wer gewöhnt iſt, auf das Wort des
Andern zu merken, hat ein Gegenmittel mehr gegen den Egoismus,.
Gehorſam. Er iſt die Willfährigkeit des Zöglings, die Vor-
ſhriften des Lehrers pünktlich zu erfüllen. Im willigen Gehorſam
gegen das Geſel, wie ſehr auch die Luſt und die Neigung dagegen
anſtrebt, offenbart ſiH die Sittlichkeit des Charakters. Im
reifen Alter lehrt die ausgebildete Vernunft den Inhalt des Ge-
ſees überhaupt und für einzelne Fälle. Jn dem früheren ſteht
die Erziehung als Geſeßgeberin dem Kinde, dem Knaben, ſelbſt
no< den Jünglinge zur Seite, und hat, je unmündiger noc< die
Vernunft iſt, deſto mehr das Recht, Gehorſam zu fordern. -- Ueber
die Bewirkung des Gehorſam gelten folgende praktiſche Regeln.
Allerdings müſſen Kinder von den früheſten Jahren an er-
fahren, daß der Wille ihrer Erzieher ſtärker iſt, als der
ihrige, und daß es kein Mittel giebt, fich ihm zu entziehen. Gleich-
wohl laſſe man ſie dieſe Erfahrung nur da machen, wo der Zweck
dur< fein anderes Mittel errei<t werden kann. Man gebiete alſo
ſo wenig als möglich, und verſuche, wo es ſic< irgend thun läßt,
ob die Kinder das Recht und das Unrecht ſelbſt finden. Wo das
Geſe nothwendig iſt, da werde es mit Ruhe, mit Sanftmuth
ausgeſprochen 3 es erwecke nie die Jdee der Leidenſchaftlichkeit. Das
gegen beharre man darauf mit Feſtigkeit, durch ſie erleichtert man
den Gehorſam, Man irrt ſich, wenn man dieß dadurch zu erreichen
meint, daß man das Nichtgehor<hen oft, wie unbemerkt, hingehen,
oder ſim erbitten läßt, Geſeße zurükzunehmen. Jm Grunde
heißt dieß, den Gehorſam erſc< weren. Bei jedem neuen Geſeß