Geſangunkerricht 319
dem Greiſe auf dem Krankenlager no< Beruhigung und Troſt ge-
ben, wie fie ihn an manchem heißen Tage auf der langen Reiſe
durchs Leben ſtärkten.“ -=- |
Ueber den Gebrau<F der Lieder zur Kateciſation vergl. den
Artikel : „Katechiſation.“ | '
Geſangunterricht. Wie zur Sprache, eben jo hat die Natur
gewiſſe Organe des Menſchen auc) zum Geſang gebildet, Ja faſt
mehr ein Singen als Reden ſind oft die lallenden Naturtöne
des Kindes, ehe ſiH die eigenthümlic<e Articulation daraus ent-
wickelt, Die Sprachwerkzeuge ſelbſt gewinnen dur; Geſang. Das
Gehör ſHärft und bildet ſich. Es iſt daher ein entſchiedener Fort-
ſchritt der allgemeinen Volksbildung, daß ſie anfängt, die natürliche
Anlage der menſ<li<hen Stimme, der in ihrer höheren Vollkommen-
heit kein na<hahmendes Kunſtorgan gleichkommt, ſorgfältiger durc<
Unterricht auszubilden. Daß jene Anlage auch hier verſchieden iſt,
wenn man gleich vielleiht an der Singfähigkeit keines Ein-
zelnen verzweifeln ſollte; daß die höhere Kunſtfertigkeit nur wenigen
zu Theil wird und mit den übrigen Zweden ihrer Cultur beſtehen
kann -- dies darf die Ueberzeugung von dem Werthe dieſer Aus-
bildung für alle Volks8claſſen nicht zweifelhaft machen, da do< auch
für die große Mehrzahl durch Uebung viel mehr erreicht werden
kann , als wenn Alles blos der Natur überlaſſen wird. Möge nur
jeder Lehrer, auch der ſelbſt hierin Verſäumte, ſorgen, daß durch
die, welhe dem Geſchäft gewachſen und mit Liebe dafür erfüllt
find , dieſe Ausbildung gefördert werde, -- Die allgemeinere
Einführung des Geſangunterric<ts iſt ein Verdienſt der neueren
Zeit, woran namentlich mehrere Gehülfen Peſtalozzt's keinen ge-
ringen Antheil haben. Denn Luthers Worte waren ziemlich in
Vergeſſenheit gekommen: ,,I< will, ſchrieb er, „Jedermann und
ſonderlich jungen Leuten dieſe Kunſt befohlen und ſie hiermit er-
mahnt haben, daß ſie ſiß dieſe treffliche, nüßliche und fröhliche
Creatur Gottes theuer, lieb und werth ſein laſſen, durc<ß welcher
Erkenntniß und fleißige Uebung ſie zu Zeiten böſe Gedanken ver-
treiben, und auc< böſe Geſellſ<aft und andere Untugend vermeiden
können. =- Wer dieſe Kunſt kann, der iſt guter Art und zu allem
Guten geſchi>t. Singen iſt die beſte Kunſt und Uebung 2c.““ Ueber
die Methodik des Geſangunterrichts bemerken wir Fol-
gendes. Die Geſanglehre hat drei in ihrer Natur gegründete Theile:
1) die Lehre von dem muſikaliſchen Zeitmaß, oder die Rhyth-
mik; 2) die Lehre vom?*Treffen der Töne und von ihrer Folge
oder die Melodik; 3) die Lehre von dem guten AusdruF oder
die Dynamik. In der neuern Zeit hat man no<g durch den Ge-
brauch der Ziffern ſtatt der Noten eine einfachere Tonbezeichnung
eingeführt, wel<e ſich ſehr hewährt hat.
Die erſte Aufmerkſamkeit beim Geſange verdient die Körper-