Full text: Klassenorganisation der Volksschule - Munterkeit (5)

MoraliSsches IrreSsein oder Moralischer Schwachsinn -- Moralisieren -- Moralunterricht 
Eins aber übersche der Erzieher nicht: 
daſs zum Erfolg Solcher Unterweisung auch 
die Einsicht in die Beschränktheit aller 
Mittel der Regierung, des Unterrichts und 
der Zucht gehört. Wer durch die Mals- 
nahmen der Erziehung die moralischen Ge- 
fühle zu Klaren, Sittlichen Urteilen und 
feeten Maximen erheben will, mache Sich 
das ernstlich klar, was oben Schon an- 
gedeutet wurde, daſs diese Grundsätze 
nicht angeiernt werden können, dals die 
Schule nur die ersien Tingerzeige und An- 
leitungen dazu geben kann und der Schule 
des Lebens die eigentliche Ausprägung der 
Sitlichen Überzeugungen überlassen muſs; 
denn »Soll die Maxime für das Leben gel- 
en, SO muls Sie Selbst durch das und aus 
dem Leben entstanden Sein. Wahre 
Maximen Sind Stets der Ausdruck eines 
Stückes der eigenen LebensgesSchichte« 
(Volkmann a. a. O. S. 454). 
Literatur: Die im Artikel Seibst an- 
geführte. Vergl. auch die einzelnen Artikel 
über die moralischen Gefühle, wie Scham. Reue, 
Schadenfreude, Ehrgeiz usw. 
DüsSeldortf. G. von Rohden. 
Moralisches Irresein oder MoraliSscher 
Schwachsinn 
Man hat mit diesem Namen ursprüng- 
ich eine Psychose bezeichnet, deren Haupt- 
Scmptom eine krankhafte UnSittlichkeit Sein 
Sollte und welche fast Stets angeboren oder 
in früheren Kinderjahren erworben Sein 
Sollte. Grohmann (1819) bezeichnete Sie 
ais »angeborene moralische Insanie, Prichard 
(1842) als Moral insanity. Später (1857) 
wies Morel nach, daſs Schwere erbliche 
Belastung die wichtigste UrSache Sei. Erst 
viel Später gelangte man zur EinSicht, daſs 
cine angeborene krankhafte Unsittlichkeit 
ais Solche ein Unding Sei, und daſs Sie 
auf ganz bestimmte Symptome zurückzu- 
führen Sei, nämlich auf die angeborene, 
durch die krankhafte Organisation des 
Gehirns bedingte Unfähigkeit bestimmte 
Komplexere Vorsteilungen (z. B. ethischen 
Inhalts) mitszamt den zugehörigen Gefühls- 
tönen zu erwerben. Da diese Unfähigkeit 
zum Erwerb von Vorgtellungen das Haupt- 
merkmal des angeborenen SchwachSinnes 
iSt, iSt also das Sog. moralische Irresein 
dieszem zuzurechnen. Man hat daher auch 
7 
i 
' 
i 
| 
| 
1 
| 
/ 
1 
j 
923 
die Bezeichnung »moraliScher Schwachsinn« 
vorgeschlagen. Auch diese Bezeichnung 
iSt insofern nicht zutreffend, als der Defekt 
der Vorstellungsbildung Sich niemals, gründ- 
liche Unterszuchung vorausgegetzt, auf das 
moralisSche Gebiet beschränkt. Der Sog. 
moraliSche Schwachsinn wird daher in dem 
Artikel Schwachsinn ausführlich besprochen 
werden. 
Literatur. Soweit für die Entwickiung 
des Krankheitsbegriffes in Betracht kommend: 
Sto!z. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie. 
Bd. 33. -- Grohmann, Zeitschrift für pSycho- 
logische Arzte. 1819. -- Prichard, ITreatise on 
inSanity. 1842. -- Morel, Traite des degeneres- 
cences. 1857. 
Berlin. Th. Ziehen. 
NioraliSieren 
S. Gesinnungsunterricht 
Moraiunterricht 
1. Einleitung. 2. Ziel und Wesen der 
3. Systematische 
MoraliSierung nach Kant. 3. 
Bildungslehre der Morai. (Kants »moralischer 
Katechismus«). Beurteilung. 4. Die kantische 
Moraiunterrichtsidee in Frankreich verwirk- 
licht Seit dem Jahre 1882. 5. Beurteilung. 
6. Dies ideelle Wechselbeziehung zwiSschen 
moralischer und religiöSer Bildung. 
Der Moralunterricht 
und die deutsche Aufklärungspädagogik 
überhaupt haben in dem kKkönigsberger 
PhiloSophen Kant ihren wisSsensSchaftlichen 
Begründer und unerschrockensten Vertreter 
zugleich gefunden. Im Gegensatz zu der 
Pädagogik des christiichen Mittelalters, die 
nur das Streben nach christlicher Voll- 
kommenheit als die rechte Bildungsarbeit 
gelten lieſs, und angeregt durch den Phi- 
lanthropiniSmus Seiner Zeit, welcher der 
religiögen Bildung als hauptsächliche Auf- 
gabe zuwies, die Jugend ohne Rücksicht 
auf konfesSionelle Unterschiede moraliSch 
und tugendhaft zu machen. vertrat Kani 
gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts 
die Anerkennung einer bedingten Selb- 
Ständigkeit religiöSer und Sittlicher Ideen 
in der Erziehungsfrage. Die Tugendlehre 
Soll fernerhin den Wert des Menschen ohne 
Rücksicht auf Seinen Glauben, lediglich 
nach Seinem moralisSchen Wohlverhalten be- 
Stimmen. Um dieser Seiner Lehre eine 
1. Einleitung.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.