566 Lente -- Lenz
Was endli<h die Leitung der ſittlichen Triebe -- die
wichtigſte Angelegenheit der Erziehung -- betrifft, ſo iſt die Grund-
lage der ganzen moraliſchen Erziehung in dem Artikel „Erziehung“
S. 199 dargeſtellt worden. Man leite den Jüngling zur Selbſt-
kenntniß und zur Gleichförmigkeit in den Handlungen. Der
Jüngling, der meiſt in der Welt mit Einfluß und Segen wirken
will, muß dur<aus, nä<ſt dem Egoismus, die beiden gefährlichſten
Feinde ſeiner Sittlichkeit kennen lernen: die Selbſttäuſ<ung in
Hinſicht auf ſeinen moraliſ<en Zuſtand, und die Inconſequenz
im Handeln. So wenig auc< der Erzieher dem Zöglinge das Ge-
fühl der SelbſtaHhtung verkümmern darf, das mit dem ſittlichen Be-
wußtſein in unzertrennlichem Zuſammenhange ſteht, ſo gefährlich iſt
do<“ für den Fortſchritt in der moraliſchen Bildung und für die
Ablegung der individuellen Fehler die traurige Verblendung, wo
man ſich für beſſer hält, als man iſt, weil bei dieſem Zuſtande
nothwendig Stillſtand, und, mit dieſem Rügang in der ſittlihen
Reife unvermeidli< eintreten muß. -- Gleich nachtheilig iſt die In-
conſequenz im Handeln, weil ſie gewöhnlich aus der bloßen Rü>-
ſiHt auf die Folgen der menſchlihen Handlung entſteht, wodurch
denſelben ein Schwanken und eine Unbeſtimmtheit mitgetheilt wird,
die blos dur< das unverrüte Feſthalten der ſiitlihen Gründe des
Handelns gehoben werden kann. Denn nur die Sittlichkeit, um
ihrer ſelbſt willen geübt, giebt unerſchütterlihe Conſequenz. Wo
ſie faber nicht frühzeitig begründet wird, da wird ſie mit ſeltenen
Ausnahmen dur< das ganze Leben fehlen.
Mit dieſer Hinleitung zur Selbſterkenntniß und Gleichförmig-
keit im Handeln muß der Erzieher aber auch die frühzeitige Uebung
der Selbſtbeherrſ<ung zu verbinden wiſſen. . Sie beſteht nicht
blos in der ſorgfältigen Bewahrung vor Aufwallungen des Tem-
peramentes, nicht blos in der Bekämpfung der regellos emporſtre-
benden Affecten und Leidenſchaften, ſondern hauptſählih auc< in
einer Strenge gegen ſich ſelbſt, naM wel<her man über alle
ſeine Reden und Handlungen ununterbrochen wacht, in jeder Sache
mit dem Schwerſten anfängt, ſich ſelbſt nie genug leiſtet, fich fort-
dauernd in Entſagungen und in der Vollbringung ſchwerer Pflich-
ten übt, und unerſchütterlich bei der Realiſirung des Guten um
ſeiner ſelbſt willen verharrt.
Lente , langſam. =
Lenz, Harald Otmar, zu Scnepfenthal im Jahre 1799
geboren, wurde zuerſt in der Erziehungsauſtalt ſeines Großvaters
Salzmann gebildet; ſpäter, von ſeinem 14, Jahre an, im Gym-
naſium zu Weimar. Nachdem er in Göttingen und Leipzig ſtudirt
hatte, wo er ſich beſonders der Philologie und den Naturwiſſen-
ſchaften widmete, begab er fſih 1820 nach Berlin, wurde ſpäter