Full text: A - Dinter (1)

 
Arnold. - Aeſthetiſche Bildung. 963 
die Reſultate der neueren Alterthums- und Geſchichtswiſſenſchaft. Es zeigte ſich darin die 
Freiheit ſeiner edlen Natur, die er auch im Kampfe zu bewähren es an Muth nimmer 
fehlen ließ. Sein Verfahren, moderne Bildungsſtoffe in den Unterricht hineinzuziehen, 
machte ihn eben ſo ſehr zum Gegenſtand eifrigen Lobes wie heftigen Tavels. Aber er 
ließ da ſo wenig ab, wie in ſeinem Verlangen nach einer hriſtlichen Grundbaſis bei 
ven Berhandlungen über die Londoner Univerſität, wenn er ſih auch am Ende bei der 
völligen Erfolgloſigkeit ſeiner Bemühungen zurückziehen mußte. 
Im Drud erſchienen von ihm 6 Bände Predigten, eine Ausgabe des Thukydides 
in 3 Bden., eine unvollendete römiſche Geſchichte in 3 Bden., ſeine letzten einleitenden 
Vorleſungen über neuere Geſchichte ; vermiſchte Schriften gab ſein Biograph Stanley 
heraus. --- Vgl. The Life and Correspondance of Thom. Arnold. 2 Vol. 6. Ausg. 
London 1846. A. Neander in Berl. Jahrbb. 1846. Jan. Nr. 1 ff. (auc<g in beſonderem 
Abdru). Th. Arnold, frei n. d. Engl. des Stanley v. K. Heintz. Potsv. 1847. KE) 
Fr. Lübker. 
Arreſtſtrafen , ſ. Strafen, Sculſtrafen. 
Ascenſion , ſ. Verſetzung. 
Aſſiſtent, ſ. Lehrer. 
Aeſthetiſche Bildung. 1. Begriff derſelben. Wir verſtehen unter äſtheti- 
ſcher Bildung den entwickelten Sinn für das Schöne. Wie man durch ven Sinn des 
Geſichtes das Licht und die Farbe in allen ihren Erſcheinungsformen und Graden er- 
kennt, ſo fühlt der äſthetiſch Gebildete das Schöne in allen Geſtalten, in welchen es 
zur Erſ<einung kommen kann, erfreut ſich deſſelben und weiß es von dem weniger 
Schönen und von dem Häßlichen zu unterſcheiden. Das iſt aber erſt die theoretiſche 
Seite der äſthetiſchen Bildung. Alle entwickelte Bildung iſt etwas allgemeines und be- 
währt ſich erſt dann als eine lebendige Kraft, weun ſie niht bloß Sache ver Anſchau- 
ung und Crkenntnis iſt, ſondern wenn ſie ſich vornehmlih auch praktiſch bethätigt in 
Allem, was der Menſch unternimmt und thut, ja in Allem, was er iſt und erſc<eint. 
*) Wir empfehlen dieſe Lebensbeſchreibung , welche au<ß in Dr. Wieſe (deutſ<e Briefe 
über engl. Erziehung S. 6) hauptſächlih den Wunſch erwete, das engl. Erziehungsweſen näher 
kennen zu lernen, unſern Leſern dringend und geben aus ihr und einem Auffatz in der deutſchen 
Vierteljahrsſc<hrift (1850, 4) noch einige Nachträge : Arnold übte die Seelſorge, welhe nach ihm 
jede Schule erſt zur <riſtlihen macht , in treueſter Liebe , indem er die Schwachen trug , die 
Starken vorwärts und aufwärts wies, die Störrigen durch milde Behandlung und Erfaſſung ihrer 
beſſeren Gefühle, zugleich durch Furchtloſigkeit überwand, „daß große, 6 Fuß hohe Jungen Thränen 
vor ihm vergoſſen über ihre Unart oder Faulheit, ohne daß er thatſächlich ſtrafte , was er auch 
ernſt, aber ſelten that, wo Worte und Bliee nichts galten. Wie füllten ſich aber auch ſeine Augen 
mit Thränen bei EntdeFung eines großen Fehlers bei einem älteren Schüler, als ob es eines 
ſeiner eigenen Kinder geweſen wäre ; wie wußte er die jungen Sünder an ihrem üblen Fle> zu 
packen und ihren einzelnen oder gemeinſamen Fehlern zu ſteuern 1 Das Lügen z. B. verdarb er 
ihnen einfa<ß dadurc<, daß er nichts beweiſen ließ : „„wenn Sie es ſagen , ſo iſt es genug , es 
verſteht ſich , daß ic< Ihrem Worte glaube.'' Dadurch entſtand das allgemeine Gefühl : es iſt 
eine Shma<h, Arnold etwas vorzulügen, er glaubt einem immer. Die Wahrhaftigkeit, Reinheit 
und ſittlihe Durc<bildung ſeines Charakters war unwiderſtehlich 3 heftete er ſeinen Bli auf 
einen , ſo ſah er ihn dvur<h und durch und in ſeinem Bli und Ton war etwas , wovor jedes 
Niedrige und Gemeine unwillkürlich zuſammenſchra> und verzagte.“ Aber er nahm auch aufrichtig 
Theil am Wohl und Weh ſeiner Schüler, ſelbſt an ihren Siegen und Niederlagen beim Ballſpiel 
und in der Sägegrube, blieb jung und geſund mit ſeinen Jungen, wie er denn täglich im Fluſſe 
badete, kletterte und warf mit Speeren, ohne nach der Weiſe mancher deutſchen Turner eine falſche 
Männlichkeit zur Sc<hau zu tragen , und hielt ſich daneben, „um ſeine ſittliche Haut ſanft und 
ſein Blut milde zu machen,“ in beſtändigem Verkehr mit den Armen, mit deren Loos ſich. zu be- 
ſchäftigen ihm eine Herzensſache und ein nothwendiges Gegengewicht gegen ſeinen Lehrer» und Ge- 
lehrtenberuf war. Ein herrlihes Morgengebet von ihm, ein Muſter von Einfalt und Tiefe, ſteht 
in ſeiner Lebensbeſchreibung S, 64. D. Red.
	        
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