352 Aufſäte in der Volksſchule.
folgende: 1) So gewiß jeder äußere Ausvru> ein entſprechendes Innere voraus-
ſebt, ſo muß ein tüchtiger Unterriht die Kraft der ſchriftlichen Darſtellung vor Allem
durc< Anregung des Geiſtes, Erzeugung einer Denkluſt und friſcher bewußter Anſchauung
der äußern und innern Welt begründen. Man vergewißere ſich ſovann vor jeder For-
derung einer beſtimmten ſchriftlichen Darſtellung davon, vaß der weſentliche Gedankenſtoff
vorhanden ſei. Iſt dies nicht ver Fall, ſo müßten die Aufſatübungen entweder zu
einem unerträglichen Kreuz für Lehrer und Schüler werden, oder ein Eilen vom inhalts-
leeren und farbloſen Gedanken in das Wort, d. h. ein Breitſchlagen ves Gedankens in
hohlen Reden mit ſich führen. (Widrige Erſcheinungen, namentlich in Mädchenſchulen.)
Damit dieſe Uebelſtände vermieden werden, knüpfe man einmal ſo viel als möglich an
wirklich Geſchautes, Erlebtes oder an ſei es reale , ſei es ideale Lebensbilder in be-
grenzten Rahmen an. (Sprachliche Darſtellungen auf der Grundlage der Screiber'ſchen
Gruppenbilder und der bibliſchen Bilder von Julius Schnorr.) Die einfa<he Beſchrei-
bung des hier Geſehenen wird geſteigert dur< das Eingehen auf vas Innere ves Bil-
des, den Zuſammenhang der Erſcheinungen, den Verlauf derſelben, die Beweggründe,
Stimmungen der Perſonen, die ſich in Gefühl, Haltung u. ſ. w. ausprägen. =- Sodann
halte man die ſchriftliche Darſtellung in lebendiger, organiſcher Verbindung, wie mit
dem ganzen übrigen Unterri<t, ſoe insbeſondere mit dem Leſeſtoff im geiſtlichen und
weltlichen Bolksleſebuch. Es wird damit der doppelte Vortheil erreicht, daß ver Schüler
Stoff und muſtergültige Formen für gebundene over freie Nachahmung zugleich
empfängt. Auch wird dadurch die Möglichkeit zu einer großen Vermannigfaltigung ver
Aufgaben gegeben (vergl. Otto), wie auf der andern Seite dadur< nun auch die
jc<hriftliche Uebung als Mittel zur Verarbeitung des unterrichtlich Behandelten und zur
Controlirung derſelben in den Unterrichtsorgani8mus ſich einfügt. 2) Was ſodann
die ſchriftliche Darſtellung felbſt betrifft, ſo muß ſie unterſtüßt werden durch
ſortgehenve Uebungen in der mündlichen Darſtellung und ſtetes Halten auf einen friſchen,
treffenden, fließenden Ausdruck; ſodann durch energiſche Einübung der Fertigkeit des
medjaniſ<en Schreibens (Abſchreiben = namentlih der Memoriraufgaben; Vortheile
der neueren Schreibmethode von He>mann in Mannheim) und die zwe>gemäße Pflege
des Rechtſchreibens. Von den eigentlichen Sprachübungen ſind dafür von beſonderem
Werth -- rüſichtlih der Bilvung eines Wortreihthums und Wortverſtändniſſes --
anſ<hauliche Uebungen ſynonymiſcher und etymologiſ<er Art; von Denkübungen die
Verſuche in logiſcher Zergliederung der Lehrſtü>e. 3) Was endlich die Ausführung
der ſchriftlichen Darſtellung anbelangt, ſo iſt es, um in ven Kindern den natürlichen
Trieb dafür zu ween, von Bedeutung, vieſelbe im Geiſt in ſol<e Verhältniſſe zu ver-
ſetzen, in denen die innere Theilnahme an der Löſung der Aufgabe von ſelbſt rege wird.
Von Werth hiefür iſt eine lebendige Einkleidung derſelben (vgl. Ioſt a. a. O., S. 32 f.),
wodurc< das Innere des Kindes in's Intereſſe an vem Gegenſtande gezogen wird. (Von
dieſer Seite aus hat die Briefform manches Empfehlende.) Uebrigens bedarf es deſſen,
wenn nur der Stoff im allgemeinen zwe>mäßig gewählt iſt -- nicht in allen Fällen,
ſobald nämlich die ſchriftliche Darſtellung unter vem Geſichtspunct einer ſ<hulmäßig ge-
forderten und in ſich ſelbſt natürlichen Rechenſchaft über das Gelernte erſcheint. Die For-
derungen jelbſt dürfen das Maß der Kräfte in keiner Weiſe überſchreiten, müßen in
beſcheidenen Grenzen ſi< halten (praktiſc< beſonders das Scrifthen: Laukhard,
Stilbüchlein. Darmſtadt 1843.) , insbeſondere rüFſichtlih der Stellung der Auf-
gaben klar und beſtimmt lauten, aber dann auch rüdſichtlih der Leiſtungen Pünctlich-
keit, Sauberkeit, Ordentlichkeit in Anſpruch nehmen. Was namentlich das Element des
Mundartlichen betrifft, ſo kann demſelben, ſo gewiß die Scriftſprache allein den allge-
mein nationalen und bürgerlichen Verkehr vermittelt, nicht der freie Raum geſtattet
werden, wie ihn z. B. Raumer und Wackernagel verlangen, wenn gleich der Friſche,
der Naivetät und der Derbheit ves volksthümlihen Ausvrus ein Recht zuzuerkennen
und der eigenthümlichen Sprechweiſe des Volks manche Conceſſion zu machen iſt.