Abſpannung, Abwechslung. 29
Der Unterricht wirkt abſpannend, nicht wenn er die Kraft des Schülers in Anſpruch
nimmt, ſondern nur, „wenn er eine zu lange Zeit dauert, nur unfruchtbare Seiten von
vem Gegenſtande darlegt, verwirrt iſt und in leeren Wiederholungen ſich ergeht“
Warniſ<); auc<h wenn er 8 1a Ratich die Schüler nur zum Aufnehmen verurtheilt.
Vebermäßig lange Anſpannung wird wohl nicht in der Volksſchule, eher hie und da in
höheren Schulen Urſache der Abſpannung ſein; Abſtumpfung des Intereſſes für die
Gegenſtände des Unterrichts, im weitern Verlauf Abnahme der geiſtigen Lebendigkeit
und Regſamkeit überhaupt, ja Shwäcung der geiſtigen Kraft ſind die natürlichen
Tolgen. Die weitere Ausführung der pädagogiſchen Maßregeln, durc< welche der Ab-
ſpannung begegnet wird, ſiehe in den Artikeln vom Spielen, von der Abwechs-
lung, ſowie von der Aufmerkſamkeit. Scurig.
Abtheilungen ſ. Claſſentheilung.
Abtheilungsunterricht ſ. Claſſen ſchule.
Abwechslung. Die Frage, ob und wie weit Abwechslung in der Scule noth
thue, iſt von größerer Tragweite, als es auf den erſten Bli ſcheinen möchte. Sie
fommt auch nicht blos bei ven Kindern der erſten Shuljahre, ſondern für vie ganze
Sculzeit, alſo für das geſammte Sculleben in Betracht.
Die Forderung, daß den Schülern in ihrer Lern= und Sculthätigkeit Abwechslung
geboten werden müſſe, iſt in ihrer Allgemeinheit ſehr vieldeutig. |
1. G8 fommt daher vor Allem darauf an, ſich ves Zwekes, ven man bei diefer For-
derung im Auge hat, klar bewußt zu werden. Baſedow hatte den Zwe, die Arbeit,
Mühe und Anſtrengung fo weit als nur möglich zu beſeitigen, um die Kenntniſſe ſpie-
lend beizubringen. Dabei wußte er den zum Umherſchweifen ohnehin geneigten Ge-
danken der Kinder, um ſie an ven Unterricht zu feſſeln, durc< die bunteſte Neihe und
den mannigfachſten Wechſel ver Gegenſtände, über welche der ſpielende Unterricht leicht
und anmuthig hinſchweifte, immer neue Nahrung zu geben. In entſchiedenen Gegenſat
zu dieſen Anſichten tritt der Ernſt der evangeliſchen Erziehung. Sie erkennt es als eine
ihrer vornehmſten Aufgaben, das Kind zur Arbeit, zu angeſtrengter Thätigkeit zu ge-
wöhnen und ſieht darin eine heilſame Frucht für vas ganze Leben. Darum verwirft ſie
es als etwas Unſittliches, ſich der Kindesnatur in dieſer Art zu accommodiren und die
Scheu vor Anſtrengung zu unterſtüßen. Baſedow kam es nicht auf eine heilſame Ge=-
wöhnung, auf eine Zucht des Geiſtes an. In ſeinem Erziehungsplane lag nur die Er-
zielung eines äußeren temporären Effectes ; den Schaden, den er damit an den Kinder-
ſeelen anrichtete, bedachte er nicht. Er unterſtützte die Flatterhaftigkeit und Unſtetigkeit
des Kindes durch ſeinen extravagirenden Unterricht ; dur) die gefliſſentlihe Vorführung
der verſchiedenartigſten Gegenſtände , Vorſtellungen und Gedanken in raſcher Aufeinan=
derfolge überreizte er die Kinde8natur, anſtatt ſie der Unſtetigkeit zu entwöhnen. Eine
jolche forcirte Abwechslung erzeugt zuletzt ganz denjelben Nachtheil wie geiſtloſer Schlen-
drian und ermüdende Gleichförmigkeit, die ſie zu vermeiden bemüht iſt: nämli< auch
Sclenderei , Lo8gebundenheit von feſten Grundſätzen, richtiger Arbeit, ſtrenger Mühe
und Anſtrengung. Eine ſo verwöhnte Natur gleicht dem Quetdſilber, das kaum geſam-
melt auch ſchon wieder auseinander läuft.
Die ſtärkere und längere Spannung der Seelenkräfte macht tüchtige und nüßliche
Leute; daher kann die Abwechslung in der Schule nur ven Zwe haben, neue Kraft
und Friſche zu erhöhten Anſtrengungen zu geben, vie Thatkraft zu ſtärken, Arbeitsſc<heu
und Weihlichkeit überwinden zu helfen und an zunehmende Sammlung und Ausdauer
zu gewöhnen.
UU. Hieraus ergibt ſih, wo und wie Abwechslung eintreten ſoll.
1. Abwechslung zwiſ<en Arbeit und Spiel, zwiſchen geiſtiger und
leibli<er Thätigkeit.
Ein ſolcher Wechſel iſt in ven Zwiſchenpauſen oder freien Viertelſtunden geboten,
Sie ſollen aber nicht blos zum Ausruhen, zum Frühſtüen , zum Luftſchöpfen und zur