Aufſäßze in der Volksſchule. 353
Die ſtufenmäßige Behandlung ves Gegenſtands wird ſich auf dieſer Grundlage
in der Volksſchule alſo geſtalten : Untere Stufe. Niederſchreiben ves Memorirten,
ſchriftliches Wiedergeben kleinerer bibliſcher Erzählungen , die vorerzählt und bis zur
Geläufigkeit nacherzählt worden ſind; ebenſo anderer kleinerer Leſeſtü>e , Beantwortung
einfacher Fragen und Bildung kurzer abgerundeter Urtheile über behandelte Unterrichts-
gegenſtände, namentlich Leſeſtoffe. =- Mittlere Stufe: Steigerung der Forderung
nach Seite des Stoffs: größere Erzählungen; Beſ <hreibungen von Gegenſtänden,
=- entweder auf der Grundlage logiſch analyſirter Leſeſtü>e over freier Betrachtung
von lebendigen und im Bilde geſchauten Gegenſtänden, nah einer Ordnung feſtſtehender
Geſichtspuncte (Art, Geſtalt, Theile, Stoff, Lebensweije, Nutzen, Schaden u. ſ. w., vgl.
Otto a. a. O., S. 75). Rücſichtlich ver Form nun --- auch Umwandlungen des Aus-
dru>äs (Paraphraſen ; Umformung der directen Rede in die indirecte, und umgekehrt: Dar-
ſtellung des Stoffs in Geſpräc<hsform), wobei aber die Verwandlung der poetiſchen
Stoffe in proſaiſche Form in ver Regel aus naheliegenden Gründen verwerflic< iſt. ---
Obere Stufe: Zum Früheren nun auch Beſchreibungen aus vem innern Leben. Ein-
fache Lebensbeſchreibungen und Charakterzeihnungen (Bilder aus der Bibel und ver
Weltgeſchichte) und Behandlungen einfacher Wahrheiten als Reſultate kennen gelernter
Thatſachen; Erörterung über Nutzen und Scaden der Gegenſtände und Erſcheinungen;
ſittliche Urtheile über Perſonen und Begründung derſelben; einfache Sinnerklärung von
Sprüchwörtern mit Hinweiſung auf die entſprechenden Lebenserfahrungen. Betreffend
die mehr ſchulmäßige A r t der Uebungen ſteht dem denkenden und thätigen Lehrer eine
große Mannigfaltigkeit derſelben zu Gebot, je nachdem er die Kraft des Schülers mehr
oder minder in Anſpruch nehmen kann und will. Freiere Umbildungen mit wech-
jelnder Form und verändertem Plan (z. B. Verwandlung einer Beſchreibung in eine
Erzählung: wenn die Natur und die Thätigkeit der Biene beſchrieben worden iſt [württ.
Leſebuch Nr. 25], Erzählung des Shwärmens in der Form eines eigenen Erlebniſſes ;
Umgeſtaltung des Stoffs nach veränderter Dispoſition und Gedankenfolge, Rückführung
concreter Stoffe auf allgemeine Wahrheiten, z. B. der Fabel über „ven alten Löwen“
von Leſſing), Rückbildungen des gegebenen Stoffes (Auszüge , Verkürzungen, Dis-
poſitionen und auf der Grundlage davon Reconſtructionen); Aus bil dungen (Erweite-
rungen und Ergänzungen, namentlich durch Eingehen in ven Sinn und die Gedanken
der handelnden Perſonen, detaillirtere Darſtellung der Verhältniſſe und äußern Um-
ſtände) ; Nachbildungen, (z. B. Beſchreibungen von weiteren Naturgegenſtänden,
Thieren 2c. nac; der bei andern Beſchreibungen gefundenen Gedankenordnung; Dax-
ſtellung ſpecieller Naturvorgänge nach vem Muſter allgemeiner Darſtellungen: In-
jectenverwandlung, Verwandlungen der Seidenraupe ; Uebertragung von Fabeln auf
allgemeine menſchliche und geſchichtliche Verhältniſſe, wie der Fabel „der Fuchs und die
Traube" auf das Thema: der Knabe und ver mit Geſchenken behangene Kletterbaum ;
der Fabel „der alte Löwe“ auf Napoleon in St. Helena u. ſ. w.). Proben bei Otto,
Joſt, in Körner's prakt. Schulmann (Leipzig) und Leiſtners Archiv (Stuttgart).
Was nun aber freilich bei der beſten Methove vem Lehrer der Volksſchule als die
größte Schwierigkeit und die ſauerſte Mühe zurückbleiben wird, das iſt endlic< die Con-
trole und Correctur ver gefertigten Arbeiten. Hier hilft weder ein Verſuch, ſich der
Laſt zu entziehen, noc< ein Murren und Klagen, ſondern einfach die Treue, welche es
lernt, auch dem gebotenen Unangenehmen im Pflichtgefühl ſic gerne zu unterziehen. Da-
mit jedo< der Lehrer ſich ſeine Laſt niht unnöthig erſ<hwere, iſt zu bemerken, daß je
einfacher die Aufgaben und je vorbereiteter die Löſungen ſind, deſto eher eine gemein=-
jame und öffentliche Correctur eintreten =“ und je mehr dieſelben im Zuſammenhang mit
dem gegebenen Leſeſtoffe ſic< halten, veſto leichter auch eine Mithülfe von Seiten der
Scüler ſtattfinden kann. Daß bei der Correctur ſelbſt die Thätigkeit der Schüler da-
durch, daß der Lehrer das Falſche bloß mit Zeichen andeutet und eigene Nachbeſſerung
Pädag, Encyklopädie. 1. 23