Full text: A - Dinter (1)

356 Auguſtinus. 
dem daß ihre urſprüngliche Beſtimmung eine andere war, zu Auguſtins Zeiten auc< 
weit über ihre Blütezeit hinaus und ihrem Ende nahe). Nicht nur der Vater Augu- 
ſtins wollte einen Redner aus ſeinem Sohne machen, ſondern auch vie Mutter wußte 
es nicht anders; ſo las er denn in der Schule heidniſche Schriftſteller , an denen ſeine 
Phantaſie ſich erhitzte; ein Schnißer galt für ein viel größeres Verbrechen als ein ſitt- 
liches Vergehen. Zum Lernen habe man ihn anfangs zwingen müßen (B. I. Cap. 12); 
die erſten Penſen, Leſen, Schreiben, Rechnen habe er für Laſt und Qual gehalten 
(Cap. 13); aber als er leſen gefonnt, haben ihn die Mythen ſo ſehr angezogen , daß, 
wenn ihn jemand am Leſen derſelben verhindert habe, er darüber ärgerlich geworden ſei ; 
nur das Spiel war ihm oft lieber, als ſolches Lernen. „Solchen Wein des Irrthums 
ſebten uns die von ihm trunkenen Lehrer vor. Tranken wir nicht, ſo wurden wir 
geſchlagen und fanden keinen nüchternen Richter, um Hülfe zu ſuchen.“ Die Scul- 
diSciplin erſcheint als eine ſehr rohe (B. 1. Cap. 9: „I< flehte zu dir, ſo klein ich war, 
mit nicht kleiner Inbrunſt -- rogabam te parvus non parvo affectu--, du mögeſt mich 
in ver Schule vor Schlägen bewahren. Und da du mich nicht erhörteſt, damit mich 
die ſ<harfe Zucht weiſer mache, lachten die älteren Leute , ſelbſt vie Eltern meiner Pla- 
gen . . . I< erhielt Streiche, weil i< gerne Ball ſpielte und dadur< am Erlernen 
jener Kenntniſſe gehindert wurde, mit welchen i< in ſpäten Jahren noh häßlicher ſpielen 
ſollte.“ Dies bezieht ſi< auf den höhern Curs in der Rhetorik, wo er lernen mußte, 
mit advocatiſcher Sophiſtik die Wahrheit behandeln und mishandeln. (B. U14. Cap. 3: 
„Auch jene wiſſenſc<haftlihen Beſtrebungen , für ſo ehrenvoll gehalten, reizten mich nur 
im Hinbli> auf die Proceſſe vor den Gerichten, wo man, je trügliher, deſto löblicher 
ſic hervorthut ; denn ſo verblendet ſind die Menſc<hen, daß ſie ihrer Verblendung ſich 
ſogar rühmen. [-- Eo laudabilior, quo fraudulentior; tanta est caecitas hominum, 
de caecitate etiam gloriantium ---]) Welden Einfluß das Theater auf die Phantaſie 
des Knaben und Jünglings übte, ſchildert er B. II]. Cap. 2. -- Einen mächtigen Ein- 
drud machte es auf ihn, als er an eine philoſophiſ<e Shrift von Cicero gerieth 
(B. I11. Cap. 4) ; es erwachte das philoſophiſche Intereſſe in ihm, und merkwürdig iſt, 
wie dies in ihm ſogleich eine religiöſe Richtung nahm ; der Durſt nac) Weisheit, den 
Cicero in ihm gewe>kt, trieb ihn zum Gebet; und ſo ſehr ihn das Buch anzog, es 
fehlte ihm etwas darin: „Entzündet wurde ich von dieſer Schrift, nur dämpfte das 
meine Glut, daß Chriſti Name nicht darin war; denn nach deiner Erbarmung hatte 
mein junges Herz ſc<on mit der Muttermilh den Namen meines Erlöſers, deines 
Sohnes, eingeſogen und werthgehalten, und auch das Gelehrteſte, Ausgebildetſte und 
wahr Geſprochene gewann mich nicht ganz, wenn jener Name ihm fehlte" = eine 
Stelle von großem Gewicht , ein Bekenntnis, dem ſich viele ähnliche von Männern 
anreihen könnten, die allen Negationen Preis gegeben, lediglich dur< dieſe mit der 
Muttermilch eingeſogene Liebe und Ehrfur<t gegen den Herrn, den ſie, auch wenn ſie 
factiſch ihn verließen, denno<h im Innerſten des Herzens nicht entbehren konnten, vor 
dem geiſtigen Verkommen bewahrt und zum Glauben zurügeführt wurden. 
Aus ſeiner ſpäteren Thätigkeit haben wir nur noh eine Schrift zu erwähnen, die 
ſpeciell katechetiſchen Inhalts iſt: de catechizandis rudibus; eine Schrift, womit er 
einem jüngeren Geiſtlichen auf deſſen Bitte Anleitung zur Behandlung der Katechu- 
menen ertheilt. Obwohl dieſe nicht Kinder, ſondern erwachſene Proſelyten waren, ſo 
enthalten dvo<& Auguſtins Rathſc<hläge ſo viel Treffliches, daß heute noch, wer vas Fach 
der Katecheſe ſorgfältiger ſtudiren will, an dieſer Schrift niht vorbeigehen darf. Der 
ehemalige Erzbiſchof Gruber von Salzburg hat dieſe Schrift als Grundlage zu kate- 
<hetiſq<en Borleſungen benüßt (2te Aufl. Salzburg 1836), S. übrigens den Art. 
Kateetik. 
Weniger bedeutend für die Geſchi<hte der Pädagogik, obwohl wenigſtens der Erwäh- 
nung werth, iſt es, daß wir von ihm eine eigene S<rift über die principia rhetorices, 
eine andere de musica beſitzen. Mehr könnte es vem Zwede der päd. Encykl. ent-
	        
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