Full text: A - Dinter (1)

Beiſpiel.» >*-5.-/ Belehrung. 487 
venkt, was die Erwachſenen ſich erlauben , können ſie auc< wenigſtens verſuchen, . und 
zwölfjährige Buben laſſen ſich vom Rauchen, wenn ſie einmal darauf verfallen ſind, 
nicht abſchre>en, troß dem, daß ſie die üblen Wirkungen davon an ſich und anderen 
empfindlich genug wahrnehmen. Die Spartaner bewieſen. darin einen großen Takt, 
daß ſie ihrer Jugend das Laſter der Trunkenheit an den ohnehin verachteten Heloten 
zeigten, und bei dieſer Abſchre>ung dur<'s Beiſpiel den Stolz auf die edlere Geburt 
mit ins Spiel zogen. Die Selbſtbeherrſ<ung war bei ihnen ein Vorrecht des Adels. 
Die auc< von den Vornehmſten genoſſene „ſpartaniſche Suppe“ war für die Jugend 
beredter als vie beredteſte Predigt über die Mäßigkeit. Auch bei den Perſern wurden, 
wie Xenophon bemerkt, die Knaben beſonders vavurch zur Mäßigleit getrieben, daß ſie 
ſahen, wie die Alten den ganzen Tag über mäßig lebten. . 
Da das ſittliche Leben überhaupt nur bei lebendigem Gemeinſinn , in und mit der 
Gemeinſchaft blüht, ſo iſt auch das Beiſpiel insbeſondere nur dann eine wahrhafte 
Macht, wenn es ſich in und mit dem Gemeinſchaftsleben entfalten kann. Der deutſche 
Adel = und Bürgerſtand, ſo lange er ſein ſtändiſches Leben rein bewahrte, übte auf 
ſeine Angehörigen einen bedeutenden auch pädagogiſchen Einfluß durc< das Beiſpiel- 
Gegenwärtig, wo alles bunt dur<einander gemiſcht iſt und das Leben nac<h neuen Ge- 
ſtaltungen ringt, zeigt uns kaum noc<h der Bauernſtand jene Macht eines ſtetig fortwir- 
kenden Beiſpiels. In England dagegen, wo gleiherweis die Familienerziehung wie das 
Gemeinde = und ſtaatliche Leben den jungen Menſchen in die Zucht eines beſtimmt aus- 
geprägten, in der Sitte ſic< verkörpernden Beiſpiels nimmt, iſt letzteres eine entſchiedene 
Macht und es bedarf darum, wie Dr. Wieſe in ſeinen Briefen über engliſche Erziehung 
ſcharf hervorhebt, keiner beſonderen Zumuthung an die Schule, daß dieſe den nationalen 
Sinn bei der Jugend weden ſolle, Das Beiſpiel ſelber iſt da der beſte Lehrmeiſter. 
„Ie nationaler die Erziehung eines Volkes iſt, deſto mehr legt ſie Gewicht auf die 
Erziehung durc< das Beiſpiel, deſto praktiſcher iſt ſie, vorausgeſetßt, daß mit der Natio= 
nalität auch die Sitte im engſten Bunde lebt. Die Franzoſen ſind eine Nation, aber 
ſie haben im Grunde keine nationale Erziehung, weil bei ihnen die Sitte der ethiſchen 
Kraft entbehrt und die Mode herrſcht, weil bei ihnen der abſtracte Staat über die 
concrete Einzelperſönlichkeit , wie ſie aus einem tüchtigen Familienleben hervorwähst, 
den Sieg davon trägt. Darum hat wohl bei ihnen in nationalen Dingen das Bei- 
ſpiel eine große, alles elektriſirende , vas Ganze fortreißende Kraft , aber auf dem Ge- 
biete des ſittlichen Lebens, der moraliſchen Freiheit herrſcht viel mehr als in Deutſch 
land der abſtracte Begriff, die äußerlihe Form der Convenienz und Mode, und die 
Macht der als Beiſpiel vorangehenden ſittlich kräftigen Einzelperſönlichkeit tritt bedeu- 
tend zurüc. Engländer und Deutſche ſtehen in dieſer Beziehung hoc< über ven roma- 
niſchen Völkern, denn die Familie ſteht bei ihnen noh in Ehren und der individuelle 
Menſch hat noch ſeine Bedeutung. =- Würden wir Deutſche auf der Baſis eines tüd- 
tigen Familienlebens es wieder zu einer organiſchen Gliederung der Stände bringen 
(was nicht unmöglich iſt) und zu einer nationalen Einheit, welche die individuellen Un- 
terſchiede nicht nivellirt : dann würde auch unſere ſittliche Kraft einen neuen Schwung 
erhalten und die Macht des Beiſpiels zu ihrem Rechte kommen.“ (Grube, a. a. O. 
S, 154.) A. W. Grube. 
Bekehrung, ſ. Taufgnade. 
Belehrung iſt die auf Einzelnes ſich beſ<ränfende und gewöhnli< dur< eine be- 
ſondere Veranlaſſung hervorgerufene Mittheilung des zu einem klaren Erkennen over 
rechten Thun nöthigen Wiſſens, während der Unterricht in der Mittheilung eines 
Ganzen von Kenntniſſen und Fertigkeiten beſteht. Der Gegenſtand ver Belehrung kann 
entweder mehr theoretiſcher oder mehr praktiſcher Natur ſein; im erſten Fall bezwedt 
dieſelbe ſomit, dem Sc<üler klare Anſchauungen, Vorſtellungen und Begriffe beizubrin- 
gen, im anderen, ihm zu einem gewiſſen Thun , ſei dies ein ſittlihes oder bloß tech- 
niſhes, die nöthige Anleitung zu geben. So z. B. belehren wir einen Schüler über
	        
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