Full text: A - Dinter (1)

Belgien. Bell und Lancaſter. 521 
Befugnis, Anſtalten mit dem Reht einer moraliſchen Perſon zu gründen, hofft ſie, that- 
ſächlich den Unterricht nach und nach zu monopoliſiren. Und das wird in der That 
geſchehen, wenn es gelingt, die Verfaſſung ſo zu erklären, daß der öffentliche Unterricht 
nicht eingeführt ſei, weil vem Staat die Pflicht dazu obliege, ſondern nur um die Lücken 
des Privatunterrihts auszufüllen. Die liberale Partei, welche das Geſetz von 1850 
gemacht hat, behauptet gerade das Gegentheil und ſcheint hierin vollkommen die Anſicht 
des Nationalcongreſſes von 1831 zu vertreten. -- Die Frage wegen der Cinrichtung 
des pädagogiſchen Unterrichts in den Normalſchulen für die künftigen Profeſſoren, wie 
der Streit der Verwaltungsausſchüſſe mit ver Regierung iſt auch beachtungswerth. --- 
Was endlich den Unterricht ſelbſt betrifft, ſo bedarf es noch einiger Zeit, bis das Geſetz 
von 1850 ſeine volle Wirkung zeigt und vollſtändig beurtheilt werden kann ; aber gewiß 
iſt, daß, wenn die Programme auch noh großer Verbeſſerungen fähig ſind , doch die 
neue Einrichtung bei weitem über dem Syſtem des Communalſchulweſens ſteht. Zudem 
zeigen die jungen Belgier , einige glänzende Ausnahmen abgerechnet, im allgemeinen 
mehr Geſc<his für die praktiſ<en Studien, als für die reine Theorie; ſie zeihnen ſich 
mehr durc< geſunden Menſchenverſtand als dur die Gabe der Phantaſie aus. Der 
Werth eines Unterrichtsſyſtems hängt aber ohne Zweifel vavon ab, in wie fern der 
Charakter des Volkes, für das es beſtimmt iſt, Berüſichtigung darin gefunden hat. 
III Die der pädagogiſchen Encyklopädie geſte>ten Grenzen geſtatten uns nicht, 
ein Bild von der Einrichtung und Stellung der belgiſchen officiellen und Privatuniver- 
ſitäten zu geben. Ebenſo wenig können wir uns auf die Geſchichte der Prüfungsjury 
einlaſſen, einer Einrichtung von hoher Wichtigkeit und die mit Rücſicht auf die in der 
Verfaſſung ausgeſprochenen Grundſäge in keinem andern Lande ihres Gleichen hat. 
Endli< wird es hinreichend ſein zu bemerken, daß das realiſtiſche Unterrichtsſyſtem 
ſeine Spitze in großen gewerblihen, von dem Staat gegründeten Anſtalten hat. Dahin 
gehören die Schule für Künſte, Manufacturen und Bergwerke, die mit der Univerſität 
zu Lüttich verbunden iſt; die Schule für Civilingenieure, für Straßen- nnd Brücen- 
bau auf der Univerſität zu Gent. Die Stadt Antwerpen beſitzt andererſeits eine höhere 
Handelsſchule , die erſt vor kurzem gegründet worden und ſchon ſehr blühend iſt. Das 
bedeutendſte Inſtitut dieſer Art iſt aber ohne Zweifel die Bergwerksſchule (Beole des mines), 
deren glänzender Ruf wohl begründet iſt und die von Schülern aus allen Theilen Eu- 
ropas beſucht wird. Sie umfaßt eine Vorbereitungsſchule, zwei praktiſ<e Schulen 
(6coles d'application), Werkſtätten 2c. Der Eintritt iſt durch ein Examen in Gegenſtän- 
den bedingt, die in den höheren wiſſenſchaftlihen Claſſen der realiſtiſchen Abtheilung 
der Athenäen gelehrt werden. Die Specialſhulen in Lüttich zählen gegenwärtig 2060 
Zöglinge. Die meiſten Ingenieure , welche daraus hervergegangen ſind, nehmen eine 
hervorragende Stellung in der Induſtrie ein ; ver Verein, den ſie bilden, giebt Jahr- 
bücher heraus , deren Mitarbeiter über die ganze Welt zerſtreut ſind. 
IV. Für die Mäd<en giebt es keine Mittelſchulen. Es beſtehen nur Privatan- 
ſtalten , die meiſtens in den Händen der Kirche ſind. Einige erfreuen ſich eines guten 
Rufes wegen ihrer Disciplin und wegen der guten Manieren, wel<e man den Zög- 
lingen neben einem Anſtric) von allgemeinen Kenntniſſen beibringt. Aber man kann 
in Wahrheit ſagen , daß bis jetzt für eigentlich weiblihe Erziehung wenig geſchehen iſt, 
Cs wäre hohe Zeit, daß die Geſetzgeber fic) ernſtlich) mit dieſer Frage beſchäftigten, 
die ein hohes ſociales Intereſſe hat und deren Einfluß viel bedeutender iſt, als man 
auf den erſten Anbli> zu glauben ſcheint. 
Proſ, Dr Alphons Le Roy zu Lüttich. 
Bell und Lancaſter, zwei Briten , deren Namen ungeachtet der großen Ver- 
ſchiedenheit der ſocialen Verhältniſſe, in welchen ſie lebten , und der kir<lihen Partei- 
ſtellung, welche ſie einnahmen, ja ungeachtet des Gegenſatzes, in den ſie durch ihre Par- 
teien getrieben wurden, in ähnlicher Unzertrennlichfeit, wie Sc<leswig-Holſtein auf die 
Nachwelt übergehen werden.
	        
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