Claſſiſhe Schullectüre. -..“ . . Claſſiſche Studien. 807
Chreſtomathieen als hier wohlberechtigt zu empfehlen. Im Griechiſchen finden wir den
Scüler am beſten verſorgt, der nicht zu weit greift, ſondern, was auch Gottfried Her-
mann's Wunſch war, recht viel Xenophon, viel Herodot und immer wieder Homer lieſt.
Zu den ſchwereren Scriftwerken, zu Thukydides etwa, rathen wir gefliſſentlich nicht,
weil es im Weſen der Privatlectüre, die wir meinen, liegt, daß ſie raſ< und genußreich
ſei, gerade wie das Leſen eines vaterländiſchen Lieblingsſchriftſtellers. Die Möglichkeit
einer ſolchen Leſung vermitteln die Schulausgaben, deren hauptſächlihſten Segen wir
in dieſer Vermittlung zu finden glauben. Näuagelsbach.
Claſſiſche Philologie, ſ. Philologie.
Claſſiſhe Studien. Wenn wir die Stellung würdigen wollen, welche ven
claſſiſchen Studien in der (gelehrten) Schule gebührt, ſo haben wir vor Allem ihr her-
kömmliches Recht ins Auge zu faſſen, und darauf hinzuweiſen *), wie ſie geſchichtlich die
Stellung errungen haben, weldhe ſie in der Gegenwart einnehmen.
Das Studium der lateiniſc<hen Sprache hatte nie völlig erlöſ<en können. War
es in Ländern romaniſcher Zunge naturgemäß, mit ihr wie mit einer Mutterſprache ſich
vertraut zu erhalten, ſo erſchien ſie doc an< unter germaniſchen Völkern unentbehrlich.
Die Verbindung, in welcher die erſten Miſſionäre Deutſchlands mit dem römiſchen
Stuhl ſtunden, der Umſtand, daß die heilige Shrift und alle kir<hliche Literatur zunächſt
nur in der lateiniſchen Sprache zugänglich war, daß überhaupt, wo eine geiſtliche oder
weltliche Wiſſenſchaft cultivirt wurde, die lateiniſcge Sprache die Quellen eröffnete,
ſicherte ihr ſelbſt in den vunkelſten Zeiten des Mittelalters eine wenn auch oft ſehr
dürftige Exiſtenz. War aber dieſe Beſchäftigung mit der lat. Sprache eine unwillkür-
liche, vur< die Verhältniſſe herbeigeführte , ſo fehlte es andrerſeits auch nicht an Stät-
ten, wo das Studium der lateiniſchen Sprache und Literatur eine beſonders beabſichtigte
Pflege fand. So namentli< zu Anfang des neunten Jahrhunderts in Fulda unter
Hrahanus Maurus. -- Karl der Große förderte in den von ihm gegründeten Schulen
auch das Studium der griechiſ<en Sprache. Es war natürlich, daß, wo man ſich des
Bedürfniſſes höherer Bildung bewußt ward, die Blicke ſi< rü>wärts auf diejenigen
Völker richteten, die in Literatur wie in Wiſſenſchaften eine ſo hohe Stufe erreicht
hatten. Und wie in der damaligen Einrichtung der Schulen das Quadrivium (Arith-
metif, Geometrie, Muſik, Aſtronomie) dem realiſtiſ<en Bedürfnis entſpradhy , ſo das
Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) dem humaniſtiſchen. Zwar fanden die unter
Karl vem Großen gemachten Anfänge keine entſprechende Weiterbildung; die erwachte
Liebe zu den Claſſikern des römiſchen und griechiſchen Alterthumes trat in das Dunkel
zurüd und wie gering ſelbſt bei dem einzigen gelehrten Stand, den Geiſtlihen, vom 13.
bis 15. Jahrhundert die Kenntnis der lat. Sprache war, mag ein Bli in die für das
Bedürfnis der Geiſtlichkeit berehneten Hülfsbücher, das Catholicon von Joannes de
Janua und der Mammothreptus (oder Mammotrectus) von Joannes Marchesinus dar-
thun. Indeſſen der Funke wurde do<h glimmend erhalten, bis im Gegenſatz zu der Scho-
laſtik die Liebe zu den römiſchen Claſſikern, und ſeit der Byzantiner Emanuel Chryſoloras
gegen Ende des 14. Jahrhunderts in Italien das Griechiſche lehrte, der Eifer für grie-
hiſche Sprache und Literatur mit größerer Lebendigkeit als früher erwac<hte. Ueberdies
ward das Studium der griechiſchen Sprache auc< durc< die Anregung gefördert, wel<e
der herrſchenden Theologie gegenüber die Bibelſtudien erhalten hatten. =-- Namentlich
mußte die Reformation vermöge ihres formalen Princips und im Gegenſatz zur Scho-
laſtik den claſſiſ<en Studien Werth beilegen. Als aber auc< hier die Sc<olaſtik in
andrer Geſtalt wiederkehrte, und die claſſiſchen Studien verkümmerten, insbeſondere das
*) Nur hinweiſen können wir, Die ausführlichere Entwieklung gehört der Geſchichte der Li-
teratur und der Geſchichte der Pädagogik an. Man vgl. Wahler Handb. d. Geſc. der Lit.
2--4, Bd. Raumer Geſch. der Pädagogik. -