890 Cretinismus. Dankbarkeit.
Heilmethode und leitet die Erziehung nach den ſtrengſten religiöſen Grundſätzen *).
Das Inſtitut ſteht gleichfalls unter Staatsaufſiht, namentlich in pädagogiſcher und
ſinancieller Beziehung und veröffentlicht kurze Jahresberichte; gegenwärtig iſt daſſelbe ſtark
beſucht und ſcheint die Unterrichtsmethode des pädagogiſchen Vorſtandes, Landenberger,
namentlich auch durch eine glüklihe Benüzung der Geometrie für die Entwilung der
Intelligenz vieles zu leiſten. In Bayern wurde 1852 vom Prieſter Probſt und dem
Dr. Medicus im Beneficiatenhauſe zu Eks berg bei Mühldorf eine Erziehungsanſtalt
ſür katholiſche Kinder eröffnet; im Jahre 1857 folgte endlich auch ein Privatunternehmen
in Deſterreich , indem ein Georgens zu Baden bei Wien eine Heil-, Pflege- und Er=
ziehanſtalt für geiſtesſc<hwache Kinder eröffnete; für Bayern ſteht eine Provincialanſtalt
in Berbindung mit dem Irrenhauſe Wer ne> in Ausſicht.
Eine Ueberſicht über die wichtigſten Arbeiten der mediciniſchen Literatur des
CretinisSmus f. bei Wunderli<h, Handbuch der Pathologie und Therapie; 2. Aufl.
1854, 111. 1. S. 293; ſpätere Schriften ſind: Köſtl, Der endemiſche Cretini8Smus als
Gegenſtand der öff. Fürſorge ; Prag 1855. Das meiſte Intereſſe für den Pädagogen
dürfte die oben erwähnte Abhandlung von Dr. Kern gewähren. Dr. R. Köhler.
Curſus, |. Cötus.
D.
Dänemark, ſ. das Ende des Buchſtabens D.
Dankbarkeit. Dank nennen wir vie im Gefühl wurzelnde, in ven Willen über-
gehende, unmittelbare ſittliche Wirkung, die ein von einem Andern empfangenes Gut --
ſei es eine Gabe von materiellem Werth, eine Befreiung von irgend einem Uebel, oder
jei es bloß die Bezeugung ſeines Wohlwollens vurh Wort und Miene --- in uns
hervorbringt; Dankbarkeit alſo die Stimmung und Bereitwilligkeit dazu , jeder ſolchen
Urſache jene Wirkung folgen zu laſſen; in der Dankbarkeit wird jenes Momentane und
vom zufälligen Anlaß Abhängige zu einem innern Habitus, zu einer Tugend. (Ein
ſ<wächerer Ausdru> dafür iſt Erkenntlichkeit, welhes Wort zunächſt nur die Anerkennung
bezeichnet, daß man Gutes empfangen, im Sprachgebrauch jedoch auch häufig die that-
ſächliche Bezeugung derſe!ben dur< einen Gegendienſt, übrigens nur in kleineren Dimen-
ſionen, ausdrückt.) Genauer nun beſteht jene Wirkung darin, daß ich mich nicht begnügen
kann mit der Befriedigung, mit der egoiſtiſchen Freude über ven Empfang des fraglichen
Gutes , ſondern daß dieſe Freude gleichſam rücwärts ſtrömt in der Richtung auf den
Geber deſſelben; hiedurch erſt beweist ſich die Dankbarkeit als weſentlich eins mit der
Liebe, daß ſie ſich der Gabe nur freut, indem ſie ven Geber hinzudenkt, und nicht bloß
ihn hinzudenkt, ſondern ſih durc< das empfangene und angenommene Gute ihm für
immer verpflichtet weiß. So weiß ſic< der dankbare Empfänger in der Schuld des
Gebers ; aber dieſe Schuld hat für den, der ſelbſt Liebe in ſich trägt, nichts drückendes
(vgl. Röm. 13, 8. Die Liebesſ<huld allein ſoll eine bleibende ſein), außer wenn die
Perſönlichkeit ves Gebers , ſeine Zudringlichkeit oder egoiſtiſche Abſicht vie . Dankbarkeit
gegen ihn zu etwas läſtigem, die Gabe ſelbſt zu etwas unerwünſchtem macht; in dieſem
Tall ſucht man ſich baldmöglichſt durch einen Gegendienſt quitt zu machen. --- Die
Dankbarkeit iſt weſentlich die empfangende Liebe, wie ſie der gebenden die Hand reicht.
Gegen dieſe Definition könnte nur erinnert werden, daß wir auch für anderes, als
*) Eine anexkennende Beurtheilung von Dr. Koſter ſ. in der Allg. Ztſch. f. Pſychiatrie
1855. XI, S. 285; eine ſtrenge Kritik der Einrichtungen dieſer und anderer Anſtalten und der
Einſeitigkeiten des Unterrichtes von pädagogiſcher Seite ſ. in dem Artikel Dr. Kern's, Gegen-
wart und Zukunft der Blödſinnigenbildung; ebendaſ. S, 521.