Full text: Spanien - Vives (9)

Taubſtummenbildung. * Taufe. 395 
das Zeugnis anführen, daß ſich bei ſol<her Einrichtung das hannoverſche Taubſtummen- 
weſen jederzeit vortrefflich befunden habe, da das Miniſterium des Innern ſtets über 
mehr Geld zu verfügen und mehr Einfluß im Lande gehabt habe, äl8 das Cultmini- 
ſterium. Wir conſtatiren, daß in Preußen ein unter Mitwirkung von Fac<hmännern ver- 
faßtes Geſet dringend noth thut, welches die einheitliche Organiſation und ſachgemäße För- 
derung der Taubſtummenbildung ſichert, ein Vorbild für die übrigen mit Preußen ver- 
bündeten Staaten. Das Compelle zur Gründung von Gymnaſien und Realſc<ulen, 
welches Preußen in dem ſ. g. einjährigen Freiwilligen-Militärdienſte mit großem Erfolge 
erfunden hat, fällt hier ganz weg, darum darf man ſiM nicht zu ſehr auf die Bereitwilligkeit 
der Communen und Provincialverbände Hoffnung machen, für die Taubſtummenbildung 
in dem erforderlichen Maßſtabe ohne geſeßliche Nöthigung zu ſorgen. Auch eine ge- 
ſezliche Beſſerſtellung der Rechtsverhältniſſe aller wirkli< ausgebildeten Taubſtummen 
thut Noth; es müßen über deren Zure<hnungsfähigkeit bei Vergehen ſich nachgerade ver- 
nünftigere Principien Geltung verſchaffen, als die Richter ſie bisher in Anwendung zu 
bringen pflegen. Und wenn es von allen Seiten beſtätigt wird, daß no< immer ſo 
viele Eltern mit unglaubliher Hartnäigkeit niht bloß aus Armut, Geiz, Eigennuß 
(Benußung taubſtummer Kinder zum Bettel), ſondern aus Unwiſſenheit und Vorurtheilen 
ihren taubſtummen Kindern die Ausbildung verweigern, wenn aus einzelnen beſonders 
taubſtummenreihen Ortſchaften in der Rheinprovinz bisher noh kein taubſtummes Kind 
eine Ausbildung ſuchte, weil ſeine Eltern es daran verhinderten , wenn die Gemeinden 
no<z immer nicht den Vortheil erkennen, lieber für die Koſten der Ausbildung eines 
Taubſtummen einzutreten, als ihn zeitlebens auf der Armenkaſſe zu haben, ſo ſollten es 
wenigſtens die Behörden und Taubſtummenlehrer nicht an Belehrung fehlen laſſen über 
die Segnungen der Taubſtummenbildung und dieſelbe durch periodiſche, nicht zu ſelten 
erſcheinende officielle Rechenſchaftsberichte und ſtatiſtiſche Ausweiſe über die erzielten Er- 
folge kräftigſt unterſtüßen. Dann wird ſich die Ueberzeugung immer mehr Bahn brechen, 
daß eine Wiſſenſchaft gerechte Anſprüche auf Anerkennung, Würdigung und Aufmunte- 
rung hat, wel<he „ohne ihr Verſchulden unglüFli<he, der edelſten Sinne beraubte , und 
zu unvernünſtigen Thieren herabgewürdigte Menſchen zur Erkenntnis und zum Beſitze 
ihrer Menſchenwürde bringt, ihnen ein freudenvolles Daſein verſchafft, den troſtloſen Eltern 
gut geartete Kinder giebt, die Menſchheit von dem fie ſ<händenden Vorwurfe, Weſen 
ihrer Art im Zuſtande der Thierheit hülflos gelaſſen zu haben, befreit und aus wilden, 
die Sicherheit der bürgerlichen Geſellſchaft gefährdenden Judividuen gute und bürgerlich 
brauchbare Menſchen macht.“ (Czech gelegentliche Aeußerungen über Bildung der Taub- 
ſtummen, Wien 1830.) C. G, Firnhaber. 
Taufe, Tauſgnade. Jm Bereich der <riſtlichen Pädagogik gebührt dieſem Gegen- 
ſtand eine nicht unbedeutende Stelle; wie die Taufe aufs engſte mit dem Katechumenat, 
alſo mit der kir<lihen Erziehung zuſammenhängt -- die Proſelytentaufe als Ziel des 
Kate<humenats, die Kindertaufe als Anfang und Grundlage desſelben ---: ſo irren wir 
gewiß nicht, wenn wir das Herrſchendwerden der Kindertaufe und ſchon ihre erſten, 
geſ<i<ttli< niht mehr nachweisbaren Anfänge (die aber jedenfalls noh nicht in den 
Zeitraum fallen, aus dem die neuteſtamentlihen Schriften ſtammen, da dieſe auch nicht 
die leiſeſte Spur jener Sitte enthalten) --- aus einem pädagogiſchen (nicht etwa aus 
einem dogmatiſchen) Motiv ableiten, d. h. aus dem mehr inſtinctmäßigen als zu klarem 
Gebvanken vorgedrungenen Gefühl, daß in der Taufe des Kindes dem Elternherzen der 
leuchtende Punct gegeben iſt, von dem aus das Werk der Erziehung und die ganze 
Stellung der Eltern zu dem Kinde ſeine <hriſtlihe Weihe, ſeine Verklärung empfängt. 
Uebrigens liegt noh eine anderweitige Vermuthung ſo nahe, daß wir ihr kaum werden 
ausweichen können, was auc<h gar nicht nöthig iſt, =- die Vermuthung, daß auf Ein- 
führung der Kindertaufe eine altgriechiſche Sitte eingewirkt hat, ähnlich wie ſo manche 
kir<liche Einrichtung durc<h vorhandene heidniſche Cultusſitten veranlaßt worden iſt. In 
Athen pflegte man am ſiebenten oder zehnten Tage nach der Gehurt eines Kindes im
	        
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