Sculconferenzen. 921
Maſſe behandeln läßt, und der Entwiälung zu einemgeiſtigen und ſittlichen Ganzen unfähig
iſt. Die Sc<ülerhaufen, welche häufig zu einer Claſſe vereinigt ſind und mühſam
zuſammengehalten werden, verdienen gar nicht den Namen einer Sulclaſſe im guten
Sinne des Wortes. Niedere Schulen ſollten unten nicht über das Maß von 60,
oben nicht über 40 gehen, höhere Schulen nicht über 50, 40, 30. *) Dieſen in der Art
und Zahl ver Schüler gegebenen Vorbedingungen geſellt ſich nun die weitere Bedingung
hinzu, daß ver Scülereinheit die Lehrereinheit entſpreche. Unerläßlihe Forderung iſt
das nicht bloß nominelle, ſondern durc<geführte Ordinariat oder Claſſenlehreramt.
Der Ordinarius iſt niht bloß, wie hie und da die Sache aufgefaßt wird, Lehrer
einiger Hauptfäher, no< weniger der allerlei Liſten und Notizen verfaſſende Geſchäfts-
führer , er iſt der Führer, der Vater der Claſſe, reich an Pflichten, aber auch an
Rechten. Es iſt nicht nöthig, daß nur er in der Claſſe unterrichte, oder daß neben
ihm nur ihm nicht gleichberechtigte Fachlehrer beſchsftigt ſind, es können und ſollen
noc< andere Lehrer neben ihm ſtehen, ihm gleih als Lehrer an der Schule, aber
um der Einheit der Claſſe willen muß er an dieſer Stelle eine bevorzugte Stellung
einnehmen. Damit emancipirt er ſich nicht von der Direction der Schule; der Director
iſt zur Ausgleihung und Entſcheidung berufen, wo der Ordinarius und der Lehrer
in Conflict zu kommen drohen. (Vgl. d. Art, Claſſenlehrſyſtem. ) Paldamus.
Schulconferenzen. Man verſteht darunter regelmäßige -- entweder freiwillige
oder geſeßlich vorgeſchriebene -- Zuſammenkünfte von Volksſ<hullehrern (daher der
Gegenſtand vieſes Artikels ein anderer iſt, als der des Art, Lehrerconferenzen in
Bd. IV. S. 246) zu dem Zwede, ſih über Schulangelegenheiten, und zwar vorzugsweiſe
über innere Fragen, über Lehrpläne, Methoden, Diſciplinarſachen u. dgl. zu beſprechen,
Erfahrungen auszutauſchen, literariſche Mittheilungen zu machen, wie auch Proben von
Leiſtungen im Unterricht, im Schul- und Chorgeſang und Orgelſpiel zu geben. Solche
Zuſammenkünfte ſind in dieſem Berufskreis ein Product des letßtverfloſſenen Jahr-
hunderts. Die alten Sculhalter würden, wenn es jemanden eingefallen wäre, ſie zu
ſol<h einer Art von Synoden zuſammenzurufen, lediglich) nicht gewußt haben, was ſie
mit einander anfangen ſollen; einen Lehrvortrag von einem Pfarrer oder einem ge-
lehrten Bädagogen anzuhören, wäre bei vem Mangel an Bildung und darum auch
an Lernbegierde ſehr unnütz geweſen, wie denn auch niemand auf den Gedanken kam,
fic zu ſolhen Lehrvorträgen anzubieten ; ſelbſt die halleſ<e Pädagogik, die ſo einfluß-
reich in weiten Kreiſen des Schullebens geweſen iſt, hat ſich eines Mittels dieſer Art
nicht bedient. (E8 hieng dies ſonder Zweifel auch damit zuſammen, daß der Sul-
lehrerſtand gar noF nicht als ein eigener Stand betrachtet wurde ; war ja vo<M das
Amt , wenn es nicht neben eineni Handwerk hergieng , jedenfalls ein Annexum des
Küſterdienſtes , und Meßnerſynoden hat die Chriſtenheit bis jebt wenigſtens no<h nicht
geſehen. Da man ſich die Schullehrer gar nicht als Stand zuſammendachte, ſo wurden
fie auß in Perſon niht zuſammengebracht. Auch an dieſem Punct iſt ſomit der
ganz ungeheure Umſchwung erkennbar, den der Philanthropi8mus und Peſtalozzi8mus
hervorrief. Jett galt es, vie Kunſt ves Schulhaltens zu lernen, und von den großen
Dingen, die in der pädagogiſchen Welt vorgiengen, Wichtiges und Neues zu erfahren;
jeßt ward auch ein Trieb erweckt, ſich über dasjenige auszuſprechen, was die Lehrer-
herzen bewegte, eben weil es ſie jezt ganz anders bewegte, als zuvor Das A--B-- ab
und ſelbſt das Katechismusbehören ein Sculmeiſtergemüth afficirt hatte. Dieſelbe
Zeit, die vor dem Eintritt ins Lehramt das Seminar hinſette, ſchuf für die im Amte
Stehenden die Conferenzen , theils, damit die ältecen Männer das nachholen könnten,
was den Seminariſten jebt ſhon in jungen Jahren beigebracht wurde, theils vamit
die vorher ſchon gut Vorbereiteten auh im Amte ſtehend auf vem Laufenden blieben.
*) Val, d. Art. Schülerzahl und: Wie ſe, Verordnungen nnd Geſeße für die höheren
Schulen in Preußen. S. 28 |f, D. Red.