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das Vertrauen. Das gilt bejonder3 auch von dem
Lehrer, der ohne rechten Plan unterrichtet, vom
Gegenſtand abſchweiſt, von einem Gebiet zum an-
dern ſpringt, die Zeit mit Shwähen u. Wihen
vergendet, bald nicht vom Fle> kommt bald jagt,
den Stoſſ nicht richtig verteilt, ſondern eine Zeit-
lang im Darbieten geiſtiger Nahrung kargt, dann
gegen Schluß des Schuljahres überſüttert, jeht
auf einmal erreichen will, wa3 nur andauernde3
Dben bewirten kann, Wie der Unterricht äußerlich
durch den Stundenplan geregelt ſein muß; u. der
Lehrer verpflichtet iſt, ſich an die Uhrzeit zu bin»
den mit Beginnen u. Schließen der Lehrſtunden
u. Pauſen, ſo bedingt allein die innere Ordnung,
das ſtuſenmäßige, ſtete Fortſchreiten den Erſolg
des Lehrens u. Lernens; U. ſchafft keine feſte Grund»
tage 1. errichtet keinen ſtarken Bau de3 Wiſſens.
Alle Pädagogen von Einſicht u. Erfahrung haben
daher ſtets auf ſtrenge Ordnung des Unterrichts
gedrungen, z. B. Comenius (Didact. magna
Kap. 13 ff), u. die Erfolge de3 deutſchen Schul»
weſen3 beruhen vornehmlich auf der ſeit Beginn
des 19. Jahrh. allmählich durchgeführten Orga=
niſation der Volk3» u. höhern Schulen. Während
aber die Schule im allgemeinen die Jugend zur
Ordnung erzieht, verſäumt das Elternhau3 oft
ſeine Pflicht, indem e3 die Kinder nicht genügend
dazu anhält, ſondern ihrem Hang zu Nachläſſig-
keit u. U. oft durch Schwäche Vorſchub leiſtet, ſie
nicht an richtige Einteilung ihrer Freiſtunden in
Arbeit u. Spiel, an Benußung der Morgenſtunden
zu geiſtiger Tätigkeit, an zeitige3 Zubettegehen u.
Frühauſſtehen, nicht an Ordnung in ihren Klei»
dern, Büchern u. Spielſachen gewöhnt, Oſt tragen
dabei freilich äußere häusliche Verhältniſſe die
Schuld, wie enge Wohnräume bei großer Kinder-
zahl, Krankheit, Abweſenheit der Eltern in Fas
briken ujw. Gerade dürſtige Familienverhältniſſe
aber machen erſt recht da3 Haushalten zur Pflicht,
u. ein wichtiger Teil davon iſt die Ordnung. Über
die Erziehung zu dieſer vgl. Bd 111, Sp, 1003 |f.
[S. P. Widmann.]
„Unparteilichkeit ſ. Gerechtigkeit, Partei-
lichleit.
Unpünktlichkeit ſf. Pünktlichkeit.
Unreinlichkeit ſj. Reinlichkeit.
Unruhe, 1. Weſen. Vorbedingung für die
Ruhe de3 gejunden Menſchen iſt das Gleichgewicht
der Seele, die weder durch heſtige Unluſterregungs-
noch durc) Spannungsgeſühle geſtört werden darſ.
Körperlich drückt ſich die Ruhe in dem Fehlen haſti-
ger, zweckloſer u, ungewollter Bewegungen aus.
Wie aber der ſpiegelglatte See durch den Wind ge»
fräuſelt, dur den Sturm zu Wellen aufgepeitſcht
u. durch den Orkan zu hohen Wogen auſgetürmt
wird, ſo erzeugt auch die Gefühl3- od. Aſſekterre»
gung im geſunden Körper je nach der Heſtigkeit
eine U. allerverſchiedenſten Grade3 im Muzskel» u.
Gefäßſyſtem, die auf zentrale Erregungen beſtimm=
ter Gehjirnteile (kortikale u. bulbäre Zentren) zurück»
zuführen iſt. Unter dem allgemeinen Begriff „U.“
Unparteilichkeit -- Unruhe.
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faßt man von dieſen Zeichen meiſt nur die äußer»
lich in die Erſcheinung tretenden motoriſchen Ex-
regungen des Muskelſyſtems zuſammen. Dieſe ſind
teils unwillkürlicher teils willkürlicher Art, Zu
den erſtern zählen zunächſt die unmittelbaren Aus-
drudsbewegungen der NAſſekte, wie Zittern der
Muzdkeln, namentlich der mimiſchen Muskulatur
u. der Extremitäten, Lachen, Weinen uſw. Ebenſo
zeigen ſich bei der U. Inſtinktbewegungen, d. h.
Bewegungen, die aus einer gewiſſen elementaren
Erfahrung heraus auf ein beſtimmtes, dem Indi-
vidunm od. der Gattung nüßliche3 Ziel gerichtet
ſind. Sowollendie ſchüßenden Inſtinktibewegungen
eine wirkliche od. vermeintliche Geſahr abwenden.
Die an Luſt od. Unluſt anſchließenden JInſtinkt-
bewegungen, wie Zu>ungen, Würgen, Erbrechen
uſw., treten beſonders im Pubertätsalter auf u.
neigen dazu, ſich zu Unarten auszubilden. Die
inſtinktiven Mitbewegungen begleiten den Vor-
ſtellung8ablauf u. rufen dur< Miterregung ent=
ſprechender MuzSkeln od. Muskelgruppen Bewe-
gungen von Kopf, Geſicht, Numpf, Händen od.
Füßen, ſowie die Erſcheinungen des Nickkens, Trip=
peln8, Schulterheben3, Stampſens8 uſw. hervor.
Endlich treten in der U, Neſflexbewegungen (ſ. Ne-
flex) auf, d. h. Bewegungen, die auf äußere Neize
hin unter Umgehung des Bewußtjeins einſeßen,
Von den willkürlichen Bewegungen, welche die U.
kennzeichnen, ſind das Nichtſtillſiken, Aufſpringen,
der ſtete Stellung8wechſel, das Spielen u. Tän=
deln mit den Fingern u. andre zwelloſe Bewe-
gungen zu nennen, Alle dieje Bewegungen ſind
als Nückwirkungen des erregten Vorſtellungslebens
od. de3 erregten Strebe= u. Begehrungövermögens
od. auch de3 ganzen Seelenlebens auſzuſaſſen.
Eine plöhliche Störung, zumal aus behaglicher
Nuhe, der Eindruck de3 Nichtgewachſenſeins gegen=
über der geſtellten Aufgabe, Widerwillen gegen
die Art der geforderten Leiſtung, Unzwe>mäßigleit
od. Falſchheit der zugemuteten Arbeit, Ermüdung
ujw., das alles ſind Anläſſe, welche die U. mehr
od. minder ſtark hervorrufen.
Der Grad der U. hängt von der individuellen
Beſchaſſenheit de3 Nervenſyſtem3 ab, das auch in
geſunden Breiten eine verſchiedene Nükwirkung
zeigt. Hierbei iſt bejonders die richtige Tätigkeit
der Negulierungszentren der Hemmungsnerven
von großer Bedeutung, welde die Auſgabe haben,
eine Bewegung zu unterdrücken od. zu vermindern.
Weiterhin ſind Alter, Geſchlecht, Temperament,
Raſſe , Erziehung, Gewöhnung u. Augenblies8=
ſtimmung von entſcheidendem Einfluß auf den
Grad der U. der betreſſenden Perſönlichkeit.
II. Die natürliche 1. des Hindes. Beim
Kinde tritt die U. in ganz andrer Weiſe auf als
beim Erwachſenen. Die Kindeöſeele beſißt eine
größere Erregbarkeit inſolge geringerer Ausbildung
der Hemmungen im Nervenſyſtem. Infolgedeſſen
kommt alle8, wa3 da38 Innenleben erſchüttert, ſo-
ſort u. ungedämpft nach außen zum Vorſchein.
Da3 Aſſektleben des Kindes iſt aber anderſeits