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(ſ. d.), ungenügender Schlaf (ſ. d.) ſind oft der
unmittelbare Anlaß zur U. Vor allem muß aud)
auf die Verweigerung der Mutterbruſt hinge»
wieſen werden, durch die manche Frauen ſich in
nicht wieder gutzumachender Weiſe an ihren Kin-
dern verſündigen. Ebenſo läßt die mangelhafte
Zahnpflege u. die Nichtachtung auf eine gute Ver-
dauung die Kinder unterernährt heranwachſen.
So ſind das Speiſeeis u. die Süßigkeiten aller
Art (f. Leckerhaſtigkeit) imſtande, den Magen der
Kinder gründlich u, dauernd zu verderben u. zu
reizen, jo daß ein regelrechter Stoſſanſaß nicht
möglich iſt. Ganz beſonder3 iſt e3 zu beklagen,
wenn die Kinder ohne od. nur mit einem ganz
ungenügenden Frühſtück zur Schule kommen, weil
nun gleich am Morgen der Magen durc den
Hunger appetitlos gemacht wird. Glücklicherweiſe
iſt jeht vielfach durd) die Speiſung (ſ. d.) armer
Kinder in der Schule Fürſorge getroffen, daß hier
nicht ein kleine8 gehäuftes Übel langſam zu einem
großen heranwächſt. Namentlich ſollten die Eltern
den Kindern niemals die Mil entziehen, u. wäre
e3 auch nur entſettete (Magermilch), da ſelbſt dieſe
no< ungleich beſſer iſt als die Neizmittel Kaffee,
Tee uſw. Da mit der U. ſehr häufig die Blutarmut
(ſ. Bleichjucht) verbunden iſt, ſo dürſte auch mit
deren Beſſerung jene in günſtigem Sinne beein=
ſlußt jein, wie umgekehrt; man reiche daher viel
Spinat, Gemüſe u. nötigenfalls auch Nährſalze.
Da die Diagnoſe der U. ſich weſentlich auf
die mangelnden Wachstumsverhältniſſe ſtüßt, ſo
möge folgende Zuſammenſtellung als Norm des
Wachstums3 dienen:
vebenß- Gewicht Maß Sie 35
jahr Gewicht | Maß
in Kg in cm in kg in em
6 19,6 111,9 2,0 4
7 21,6 117,3 1, 4,4
8 23,3 121,7 1,4 3,8
9 24,7 125,0 2,8 5,6
10 27,5 130,6 2,8 0,1
11 30,3 135,7 4,1 d,2
12 34,4 140,0 4,9 7,3
13 39,3 | 148,1 2,8 2,4
14 43,1 150,5
IV. Abhilfe. Daß die künſtige ſoziale Beſſer=
ſtellung der niebern Stände die U. ſeltener wer=
den od. gar nicht vorkommen läßt, iſt gewiß,
wie auc bisher die Sozialreform u. nicht an
leßter Stelle die Carita38 mit ihrer weitverzweigten
Hilſe ſhon Tauſende von der U. beſreit od. vor
ihr bewahrt hat. Wirken verſchiedene Mißſtände
dem Gedeihen der Schulkinder entgegen, ſo müſſen
alle, nicht nur der eine od. andre beſeitigt wer=
den; ſo hat e38 z. B. wenig Zwe, ein unter=
ernährte3 Kind in die ſog. Stadtſerienkolonien zu
ſchicken, wenn es zu Hauſe dauernd einer ordent=
lichen Wohnung entbehrt; dagegen iſt ein vier=
wöchiger Landaufenthalt einem ſolchen Kinde vom
größten Nußen, wenn ihm durchweg nur günſtige
Unterricht, privater -- Unterrichten u. Lehren.
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Leben3bedingungen gewährt werden (ſ. Ferien-
kolonien). Daß die U.3ſrage recht bald gelöſt werde,
daran hat vor allem au<h die Militärverwaltung
das größte Intereſſe, weil bei einer Zunahme der
U. die Tauglichkeitsziffer bei Militärau8hebungen
immer mehr abnehmen wird.
Literatur, C. Shmid-Monnard u. R. Schmidt,
Sculgeſundheit8pflege (1902); A. Baur, Das
kranke Schulkind (81904); Hungernde Großſtadt=
kinder? (Pharus, 3. Jahrg. [1912] I 368 ff); vgl.
dazu d. Lit. unt. d. Art. Ernährung.
[A. Baur.]
Unterricht, privater, ſ. Hauslehrer, Nach-
hilfeſtunden, Privatlehrer, Privatſchulen, Privat=
unterricht.
Unterricht, unentgeltlicher, ſ. Schulgeld.
Unterricht , wechſelſeitiger, ſ[. Wechſel-
ſeitiger Unterricht ; vgl. auch Helferſyſtem.
Unterrichten u, Lehren, 1. Das U.
als nachdrüc>kliche8 L. In nicht wenigen Wort=
verbindungen u. =bildungen gebrauchen wir U. u.
L. in demſelben Sinne : zu unterrichten iſt Sache
de3 Lehrer3, Lehr= u. Unterricht8plan beſagen das
gleiche, u. dasſelbe gilt von Zuſfammenſeßungen
beider Wörter mit: Gegenſtand, Mittel, Zeit,
Stunde u. a. Dennoch weiſt ſchon die Etymologie
auf einen Unterſchied der Bedeutungen hin: U.
beſagt : Nichtung geben, u. wenn man das „unter“
jo faſſen darf, wie es in unterſtüßen, unterfangen,
Unterhalt u. a. vorliegt, jo wird damit eine Rich=
tung gegeben von unten her, alſo von Grund aus
ausgedrückt, Nebenbedeutungen, die in L. nicht
liegen, welche3, verwandt mit Geleiſe, nur leiten
bedeutet. Auch die Konſtruktion der beiden Wörter
iſt verſchieden ; wir ſagen : etwas lehren, aber in
etwa3 unterrichten ; jenes gilt alſo al8 ein Geben,
Darbieten eines Kenntnisinhalt8, dieſe3 als ein
Hineinſtellen in denſelben. So iſt die gangbare
Erklärung des U. als eine abſichtliche, nac<hdrüc=
liche Einwirkung auf jemand, um ihm geordnete
Kenntniſſe zu geben, wohl begründet.
Da3 Lateiniſche kann dieſen Unterſchied der
Bedeutungen an demſelben Verbum ausdrücen :
L. heißt docere, dem U. fommt edocere 1. per-
docere nahe, von denen jenes unſerm „auslernen“
analog iſt, dem aber kein „auslehren“ entſpricht.
Die beiden zuſammengeſeßten Verben verhalten
ſich zu dem einfachen docere wie capessere,
mit Eifer ergreifen, zu capero ; facessere,
mit Kraſt ausführen, zu facere; petisgers, mit
Affekt erſtreben, zu petere. Die Grammatiker be-
zeichnen die Verba mit dem Suſſixe als inten-
81va, 11. fo könnte man der Bedeutung nach U. da3
intensivum zu L. nennen. -- Über dieſe bloß
modale Unterſcheidung von U. u. L. kann man
aber zu der finalen fortſchreiten : U. iſt darum ein
nachdrücliches L., weil e3 einen weiter gehenden
Zwe hat, der eine Verantwortung, Verpflichtung
mit ſich bringt.
I. Da3 U. als L. mit Veraniwortung. Wer
lehrt, vermittelt einem andern die Aneignung eines