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zZUaterrichtösverſahren [. Formaſſinfen,
Lehrverſahren, Methode. |
Unterrichtszeit, 1. Arbeit u. Ermüdung,
Das Lernen iſt Arbeit u. ermüdet den Schüler.
Um deöhalb die Fragen richtig zu beantworten,
die mit der Länge u. der Verteilung der U. auf
den Tag ſowie mit der Aufeinanderſolge der ver-
ſchiedenen Tätiateiten u. Fächer während der U.
zuſa:4menhangen, iſt ein Bli auf die Ermüdung
(ſ. d.) notwendig. Die Ermüdungs3erjſcheinungen
treten bei körperlicher u. geiſtiger Arbeit gleich»
mäßig auf. Die körperliche Arbeit wird von dem
Muztkel verrichtet, der zu jeder Bewegung des
Nervenreizes bedarf]. Die Musfkelarbeit ſührt eine
Veränderung in dem Muskel dadurc herbei, daß
Mitäkelſtofſe verbraucht werden unter gleichzeitiger
Zuräüclaſſung “mn Schlacken od. Ausfallſtoſſen,
die wie Giſte auf den Körper wirken. Man hat
die Ermüdung deshalb auch geradezu eine Ver»
giſtung genannt. Welche <emiſchen Prozeſſe da-
bei im einzelnen vorgehen, iſt no< nicht genan
feſtgeſtellt. Die Ermüdungsabſallſtioſſe wirken
nicht bloß auf die benachbarten Muzskeln ein, fon»
dern erreichen durc; Blut u. Lymphbahnen mit
ihren Wirkungen den ganzen Körper. Die Lei-
ſtung8abnahme iſt anfangs langſam, ſteigert ſich
aber bei gleicher Arbeit de3 Muskel5 bis zu gänz-
licher Unfähigkeit zu weiterer Tätigkeit, Mit jeder
Muzsfkelermüdung iſt eine gleichzeitige Nerven»
ermüdung verbunden, die in gleicher Weiſe zu»
ſtande kommt wie jene. Die körperlich-geiſtige
Doppelnatur de3 Menſchen bedingt es, daſ; Mus-
keln u. Gehirn nicht einſeitig bei körperlicher od.
geiſtiger Arbeit ermüden, ſondern daß die MudSkel»
ermüdung ſtet3 von einer Nerven- 1. Gehirnermü=
dung begleitet iſt u. umgekehrt. Daher fühlt man
ſich nach tüchtiger Körperanſtrengung nicht zu gei-
ſtiger Arbeit auſgelegt, u. ebenſo hat eine an-
ſtrengende geiſtige Tätigkeit eine ermüdende Wir»
lung auf den Muskel zur Folge. Deshalb können,
im Gegenſatz zu der ſrühern Meinung, die Turn»
ſtunden, die zwiſchen die der Geiſte8arbeit dienen»
den Stunden eingelegt werden, keine Erholung
bringen ; ſie gehören vielmehr am zwe>mäßigſten
an den Schluß des Unterricht3 (f. Turnen). Die
Ermüdung hängt neben der Größe der Arbeit von
vielen andern Umſtänden ab : Gemütsbewegungen,
Sc<laf, Verdauungsſtörungen, Ernährung. Die
Ermüdungsſorſchung iſt jogar zur Auſſtellung von
Ermüdungstypen gekommen. Die indwiduali-
ſierende Behandlung ſtößt de3halb auf erhebliche
Schwierigfkeiten, = Für die Wiederherſtellung der
vollen Friſche u. Leiſtungsfähigkeit gibt es nur
ein Mittel: Nuhe u. Erholung; daher die Not»
wendigkeit der zwiſchen die einzelnen Stunden ein=
nelegten Pauſen (f. d.). Bgl. hierzu anch die Art,
Stundenplan, Überbürdung.
[!. Zahl der Wochen- u. Tagesſtunden.
Die aſtronomiſche Tagezeinteilung in 24 Stun
den hat mit der Frage, welche Dauer eine Unter-
richtöſtunde haben ſoll, natürlich nichts zu tun,
Unterricht8verfahren -- Unterrichts8zeit,
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Die Schule hat die vorgeſundene Stunden-Zeits
einheit einfach übernommen u. iſt damit auch
lange Zeit unbeanſtandet aus8gekommen. Erſt die
Ermüdungösſorſchung hat gezeigt, daß von dem
Schüler eine geiſtige Arbeit, die ununterbrochen
eine Stunde dauert, ohne übermäßige Ermüdung
nicht geleiſtet werden kann. Nach den experimen-
tellen Ergebniſſen ſteigt anfangs die Leiſtungs-
ſähigkeit des Schüler8, nach zwei Dritteln der
Stunde aber fällt ſie raſch (ſ. Pauſen, Abſchn. 1).
Allerdings findet im Unterricht keine ſo ununter-
brochene u. gleichmäßige Anſtrengung wie bei den
Verſuchsausführungen ſtatt; ſonſt hätte die Stun-
deneinheit ſich längſt als zu groß erwieſen. Auch
kommen Alter u. körperliche Neife des Schülers
weſentlich in Betracht. Jüngere Schüler ermüden
raſcher al8 ältere, bei 9- u. 10jährigen Kindern
machen ſich in Stunden mit lebhafter Tätigkeit u.
angeſpannter Auſmerkſamkeit --- Kopfrechnen,
Sprachübungen -- ſchon nac<h 15 bis 20 Mi-
nmiten deutliche Ermüdungserſcheinungen bemerk=
bar. Deshalb jollten in den Unterklaſſen die Un-
terrichtöeinheiten kleiner als in den mittlern u.
obern ſein. In den Vollöſchulen mit gleichzeitigem
Unterricht ſür mehrere Jahrgänge wird dur) den
Abteilungsunterricht, der eine Halb- u. Drittel-
teilung der Stunde notwendig macht, ohne wei-
tere3 Abhilfe geſchaffen. In den höhern Lehr-
anſtalten iſt man namentlich mit Rückſicht auf die
Ermüdung zur Kurzſtunde (ſ. d.) übergegangen.
Ihr Wert iſt noch umſtritten ; die Gegner heben
bejonders hervor, daß durch ſie Unruhe u. ner-
vöje Überreizung bei Schülern u, Lehrern erzeugt
werde.
Die Zahl der Tage38= u. der Wochenſtunden
muß außer der dur den Unterricht ſelbſt herbei-
geführten Ermüdung aud) die übrigen Leben8ver=
hältniſſe des Schülers berückſichtigen ; neben dem
Alter die normale Sclaſdauer (ſ. Sclaf), die
Zeit für das Waſchen, das An- u. Auskleiden,
für den Schulweg (ſ. d.), für die Mahlzeiten, für
die Erholung, für Spiele u. freie Beſchäftigung,
namentlich auch die Zeit für die Hauzarbeiten
(j. d.). Die verſchiedenen mediziniſchen Sachver-
ſtändigenkommiſſionen, die ſich mit der Frage be-
ſchäſtigt haben, ſind nicht zu ganz übereinſtim-
menden Ergebniſſen gelangt 3; aber alle treten für
eine Verminderung der Sculſihſtunden in den
erſten Schuljahren auf 18 Wodenſtunden u. für
eine Begrenzung dieſer aud) in den obern Klaſſen
der höhern Schulen auf 28 bi3 30 ein, wozu dann
no< Singen u. Turnen mit 4 Stunden kommen.
Das heute herrjhende Wochenſtundenmaß hängt
wejentlic) auch mit der Lehrplangeſtaltung zu-
ſammen (). Lehrplan) ; denn das gegenwärtig die
Lehrpläne kennzeichnende Streben nach möglichſter
ſioſſlicher Vollſtändigkeit iſt ein Hauptgrund für
die Stundenvermehrang, während eine aus ein=
heitlichen Geſichtspunkten hergeleitete Lehnylan-
geſtaltung die geiſtige Arbeit konzentriert u. de3=
halb mit weniger Wochenſtunden auskommen