Full text: Sulzer bis Zynismus (5)

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Kanzel ſyſtematiſch behandelt werden. Zweifel» 
haſt möchte ich es indeſſen laſſen, ob nicht in der 
Kirchengeſchichte auf der oberſten Stuſe höherer 
Lehranſtalten eine zuſammenhängende Skizze der 
U. Luthers zum Verſtändniſſe ſeines Auſtretens 
u. der Geſchichte de3 ProteſtantiSmu3 gegeben 
werden müſſe. Im übrigen ſind die dogmatiſchen 
Gegenſäße im Anſchluſje an die Behandlung der 
einzelnen katholiſchen Glaubenöſäße heranzuziehen. 
In welcher Ausdehnung nac< Umfang u. Tieſe 
dieſes geſchehen joll, hängt von mannigfachen Um» 
ſtänden ab, namentlich von der Entwiklungsſtufe 
der Zöglinge, den zeitlichen u. örtlichen Bedürſ» 
niſſen, den zur Verfügung ſtehenden Stunden. 
Gerade hier darf den Schülern nicht8 geboten 
werden, wa3 über ihr Verſtändni8 hinausgeht. 
LWWPo immer auc die k. U. behandelt werden, da 
iſt die Wahrhaſtigkeit ſtrengſte Pflicht. Sie müſſen 
im Sinne des Gegners dargeſtellt werden. In 
der Inappen Form, die meiſt nottut, iſt das nicht 
durchweg leicht. (f3 wird aud) von Nichtkatholiken 
zugeſtanden, daß in diejer Sache die Katholiken 
günſtiger daſtehen als der Proteſtantismus. Luther 
jelbſt hat hier auf einen falſchen Weg hinüber- 
geleitet. Er „kannte die alte Kirchen» u. Dogmen» 
geſchichte zu wenig“, „in den Geiſt der Kirchenväter 
hat er fich nicht verſenkt“ (Harnack); jo konnte er 
durch Occam u. ſeine Schule über die katholiſchen 
Glaubenslehren getäuſcht werden. Zudem war e3 
ein ihn kennzeichnender Zug, im Intereſſe der Po= 
lemik jich jelbſt u. noch mehr den Gegnern Verhälts- 
niſſe un. Anſchauungen zuzuſchreiben, die, wenig- 
ſtens wie ſie behauptet wurden, der Wirklichkeit 
nicht entyprachen. Die auf Luther folgenden Vor- 
kämpfer des Proteſtantizmus waren in dieſer Be- 
ziehung gewiß nicht beſſer, zudem haben ſie aus 
den Schriſten de3 Meiſter3 viele Unrichtigkeiten 
entnommen ; ein Arſenal ſolcher bietet namentlich 
da3 Konkordienbuch (1580). Karl v. Haſe3 „Hand- 
buch der proteſt. Polemik gegen die römiſch-kath. 
Kirc<e“ (? 1900) hat in der Neuzeit zur Ver 
breitung der Irrtümer u. Vorurteile viel beige- 
tragen. Die meiſten proteſtantiſchen Theologen 
entnehmen nun ihre Auſſaſſung katholiſcher Zu- 
ſtände u. Lehren jenen trüben Quellen. Mah- 
nungen, ſelbſt von den eignen Glaubensgenoſſen, 
wie Harnack, Dunkmann u. a., auch einmal katho- 
liſche Lehr- un. Erbammgsbücher einzuſehen, ſind 
vergeblich, darum iſt das Bild von den katholiſchen 
Lehren, das auch offizielle proteſtantiſche Neligion3» 
bücher ſowie Predigtfammlungen u. Zeitſchriften 
geben, ſaft aun8nahmslo3 unwahr u. ungerecht. 
Tazu kommt noch der ganz ſchlimme Brauch, 
einen Gegenfaß zwiſchen der Lehre der Kirche u. 
dem Glauben des Volkes anzunehmen. Pfarrer 
KK. Haußleiter, deſjen Buch „Fürs Leben. DerKate- 
<i8mus als Gabe für Konfirmanden u. Kon- 
firmierte“ (111913) großen Anſtoß erregt hat, 
bemerkt 3. B. bei „Von der Verehrung der Hei- 
ligen“ in Klammern: „In Wirklichkeit macht das 
Volk kaum einen Unterſchied zwiſchen Anrufen u. 
Unterſuchungen, ärztliche -- Urlaub, 
 
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Anbeten, E3 erwartet von den Heiligen die Hilfe, 
die nur Gott bringen kann" (S. 146), u. beim 
Ablaß: „Die meiſten Katholiken verſiehen aber 
unter „Ablaß“ die Sündenvergebung, zumal da im 
Glaubensbekenntnis dieſe Vergebung auch „Ablaß“ 
genannt wird“ (S. 148), So erhalten ſelbſt die 
gebildeten Proteſtanten, wie überhaupt von katho- 
liſchem Weſen, ſo auch vom Dogma ein Zerrbild. 
Wie Prof. v. Nuville ſprechen viele Proteſtanten, 
die zur katholiſchen Kirche übertreten: Soon nach- 
dem ich einige Kenntnis von der katholiſchen Ne- 
ligion erhielt, ſah ich klar, „daß ih von Jugend 
an ganz falſch über dieſe Kir<he unterrichtet worden 
war“ (Zurück zur heiligen Hirche [ '*-12?21910] 
24). Dieſe ſalſchen Vorſtellungen von unſern Leh= 
renhindern auch gutgeſinnte Proteſtanten an deren 
richtiger Beurteilung u. machen ein gegenſeitiges 
Verſtändnis ſchwer, wenn nicht ganz unmöglich. 
Wo kk. U. im Religionsunterricht behandelt 
werden, muß dieſes ſchließlich ohne Polemik ge- 
ſc<ehen. Dieſe läßt Herz u. Gemüt kalt, ſtößt 
friedliebende Naturen ab u. erzeugt, wenn ſie nicht 
geſchi>t geſührt wird, den Eindruck, als ob in der 
eignen Sache doch nicht alles in Ordnung ſei. 
Bei der Jugend ſindet ſie erſt recht keinen An- 
flang, fie iſt darum im Schulunterrichte unpſy<o=- 
logiſch u. mithin unpädagogijc<. Das Bewußtſein 
von der Wahrheit der eignen Neligion u. die Liebe 
zu dem Jrrenden laſſen bei aller entſchiedenen 
Ablehnung des Irrtum3 die dogmatiſchen Diſſe- 
renzen „recht liebevoll, ſchonend u. milde“ be- 
urteilen (Möhler). Dieſes Vorgehen wurde, wic 
Hirſcher mit dem Hinwei3 auf Franz v. Sales 
(1. d.) richtig bemerkt, von den beſten Katholiken 
ſtet3 gefordert. Nicht kann dieſes Lob im allge- 
meinen aber von den Proteſtanten gelten. Die 
die8bezügliche Literatur ſowie Berichte von Kon- 
vertiken über den mündlichen Unterricht legen vie!- 
ſach ein betrübende3 Zengni3 ab (vgl. Ruville 
a. a. O.). 
Literaturiſt auf kath. Seite f. d. prakt. Ver- 
wert. der lk. U. ſehr ſpärlich, Außer d, im Texte 
gen. Werken vgl. W. Heile, Unkenntnis Anders- 
gläubiger in catholicis (1908); V. Cathrein, Glau- 
ben u. Wiſſen (1911); G. Menge, Die Wiederver- 
einigung im Glauben, Bd 1: Die Glaubenöeinheit 
(1914) 181 ff 217 ff. [I. Hoffmann.] 
Unterſuchungen, ärztliche, ſ. Schularzt. 
Unverſchämtheit ſ. Frechheit. 
Unverträöglic/. Friedſertigkeit, Streitſucht, 
Unzucht ſ. Unkeuſchheit. 
Unzuſriedenheit ſ. Zuſriedenheit, Schul- 
verdroſſenheit. 
Urlaub, Unter, verſteht man die zeitweilig, 
u. vorübergehende Entbindung von dienſtlicher 
Geſchäſten. Soweit er Beamte u. Militärperſone: 
angeht, iſt er dur< beſondere Dienſtvorſchriftei 
geordnet, ſür die deutſchen Neichöbeamten durc 
die BVerordn. v. 2. Nov. 1874. Für die Lehr 
fräſte hat jeder Staat beſondere Geſeße u. Ver 
ſügungen.
	        
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