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Arbeiter= Jugend. . 39 
 
 
8, den Ihr ja 
nur, Zhr 
blendet durch die glänzenden Eigenſchaften dce3 Feindes 
jelbit al8 einen außerordentlichen , Mann 1c<häßt, wenige 
wißt es!“ 
„Jawohl! zu lange habe ic< es gewußt und geduldet, ſonſt hätte 
dieſer ſic nicht unterſtanden, mir in den bedeutendjten Augenblicken 
jolche Beleidigungen ins Geſicht zu jagen. Cs mögen ſein, ſo viel ihrer 
wollen, fie ſollen in dieſem ihrem kühnen Repräſentanten geſtraft 
werden und ſich merken, wa8 ſie zu erivarten haben.“ 
„Nur Tufjdub, Herr Graf!“ 
„an gewiſſen Dingen kann man nicht zu geſchwind verfahren.“ 
„Nur einen kurzen Aufſchub!“" 
„Nachbar! Jhr denkt mich zu cinem falſchen Schritt zu verleiten; 
c3 foll Guch nicht gelingen.“ 
„Weder verleiten will ich Euch zu cinem falſchen Schritt, noch von 
einem falichen zurückhalten; Euer Entſchluß iſt gere<t: cer gezicmt 
demi Franzoſen, dem Knigslcuinant ; ber bedenft, daß Ihr auch Graf 
Thvoranc ſeid. 
„Der hat hier nicht mitzuſvrechen.“ 
„Ran ſollte den braven Mann doch auch hören.“ 
„Nun, was würde cr denn fagen?“ 
„Herr Königsleutnant! würde er ſagen, Ihr habt jo lange mit jo 
viel dunklen, unwilligen, ungeſchiäten Menſchen Geduld gehabt, wenn 
fie es Euch nur nicht gar zu arg machten. Dieſer hat's freilich jehr 
arg gemadct; aber gewinnt cs über Euch, Herr Königsleutnant! und 
jedexmann wird Euch deSwogen loben und preiſen.“ 
„Ihr wißt, daß ich Cure Poſſen manchmat leiden fann; aber miß- 
braucht nicht mein Wohlwollen. Dieſe Menſchen, ſind ſic denn ganz 
verblendet? Hätten wir die Schlacht vorloren, in dieſem Augenblick, 
was würde ihr Schifal ſein? Wir. ſchlagen uns bis vor dic Tore, 
wir ſperxen die Stadt, wir halten, wir verteidigen uns, um unſere 
Retirade über die Brüde zu deen. Glaubt Jhr, daß der Feind vie 
Hände in den Schoß gelegt hätte? Gr wirft Granaten, und was ex bei 
der Hand hat, und ſie zünden, iwo ſix können. Dieſer Hausbeſißox da, 
was will ex? In dieſen Zimmern hier plaßte jeht wohl cine F2ueL- 
fügel, und eine andere folgte hinterdrein; in diefen Zimmern, Doren 
vermaledeite Pefing-Tapeten ich geſchont, mich geniert have, mon. 
Landkarten nicht aufzunageln! 
&nien liegen ſollen.“ 
„Wie viele haben das getan!“ 
„Sic hätten ſollen den Scgei. für uns erflehon, den Geoneralen 
und OSffigziexen mit Chren= und Freudonzeichen, den cermaticicn Ge=- 
meinen mit Erquickuing entgegengehen. Anſtatt deſſen verdirbt mir 
das Gift dicſes Parteigeiſtes Die ſchönſten, glücklichſten, durch j9 viel 
Sergen. und Anſtrengudgen erworbenen Augenblicke moines Lebens!" 
„Gs iſt cin Paxteigeiſt; abex Jhr werdet ihn durch die Beitrafun 
dieſes Mannes nur verinehren. Die mit ihm Gleichgeſinnton werden 
Guch als einen Tyrannen, als einen Barbaren ausſchreien; ſie werten 
ihn als einen Märtyrer betrachten, der für die gute Sache gelitten 
hat; und ſelbſt die anders Geſinnten, die jeht feine Gegner Wis, 
wcrden in ihm nur den Mitbürger ſchen, werden ihn bevauern und, 
indem ſic Euch recht geben, dennoch finden, daß Jhr zu hart verfahren 
eid.“ 
„3>< habe Euch con zu lamige angehört; 
femmt!“ 
„Sv hört nur noch dieſes! Bedenkt, daß es das Unerhorteſte iſt, 
was dieſem Manne, was dieſer Familic begegnen könnte. Jhrx hattet 
nicht Urſache, von dem guten Willen des Hausherrn exbaut zu ſein; 
aber dic Hausfrau iſt allen Euren Wünſchen zuvorgekommen, und die 
Kinder haben Guch als ihren Oheim betrachtet. Mit dieſem einzigen 
Schlag werdet Jhr den Frieden und das Glüc> dieſer Wohnung auf cvig 
zerſtören. Ja, ich kann wohl ſagen, eine Bombe, die ins Haus gefallen 
wärc, würde nicht größere Verwüſtungen darin angerichtet haben. Jh 
habe Guch ſo oft über Cure Faſſung bewundert, Herr Graf; gebt mix 
dicSmal Gelegenheit, Gu) anzubeten. Gin Krieger iſt ehrwürdig, dex 
fich ſclbft in Feindes Haus als einen Gaſtfreund betrachtet; hier it kein 
Feind, nux ein Verirrtexr. Gewinnt e3 über Euch, und e3 wird Guch 
zu ewigem Ruhme gereichen!“ 
„Das müßte wunderlich zugeben,“ 
Lächeln. . 
„Nur ganz natürlich,“ exividerte der Dolmetſchexr. „Je< habe die 
Frau, die Kinder nicht zu Euren Füßen geſchi>t; denn ich weiß, daß 
Guch folc<e Szenen verdrießlich ſind; aber ic<ß will Euch die Frau, die 
Kinder ſchildern, wie ſic Euch danken; ich will ſic Euch ſchildern, wie 
jie ſich zeitlebens von dem Tage der Schlacht bei Bergen und von Curer 
Großmut an dieſem Tage unterhalten, wie ſic es Kindern und Kindc3- 
findern. erzählen und auch Fremden ihr Intereſſe für Euch einzuflößen 
wiſſen: eine Handlung dieſer Art fann nicht untergehen!“ " 
„Ihr trefft meine ſchivache Seite nicht, Dolmetſcher. An den Nach- 
xuhm pfleg' ich nicht zu denfen, der iſi für andere, nicht für mich; aber 
im Augenbli> recht zu tun, meine Pflicht nicht zu verſäumen, meiner 
Ehre nichts zu vergeben, das iſt meine Sorge. Wir haben ſc<on zu viel 
Worte gemacht! jeht geht hin -- und laßt Euch von den Undankbaren 
danfen, die ich verſchone !“ 
Den ganzen Tag hätten ſic auf den 
macht, daß Jbr fort- 
verſeßte dex Graf mit eincn 
Der „Lolmetich durch dieſen unerwartet glücklichen Ausgang über= - 
raſcht und bewegt, fonnte ſich der Tränen nicht enthalten und wollic dem 
Srafen dic Hände küſſen; der Graf wies ihn ab und ſagte ſtreng und 
exmjt: „Ihr wißt, daß ich dergleichen nicht leiden kann!“ Und mit dieſcn 
Worten trat ex in den Vorſaal, um die andringenden Geſchäfte zu 
bejorgen und das Begehren ſo vieler wartenden Menſchen zu vernehmen 
Sv ward die Sache beigelegt, und wir feierten den andern Moxgen bei 
den Ueberbleibſeln der geſtrigen Zuckergeſchenke, das Vorübergehen 
cines Uebels, deſjen Androhen wir glüälich verſchlafen hatten. 
Ob der Dolmetſc< wirklich ſo weiſe geſprochen, oder ob ex ſich vie 
Szene nur fo ausgemalt, vic man ces wohl nach einer guien und glücf- 
lichen Handlung zu tun pflegt, will ich nicht entſcheiden ; wenigſtens 
hat er bei Wiedcererzahlung derſelben niemals etwas verändert. Genug, 
DIejerx Tag vdiunktic ihm, jo wie der Jſorgenvollite, 19 auch der glorreichſte 
feines Lebens. 
Wie ſehr übrigens der Graf alles falſche Zeremoniell abgelehnt, 
feinen Titel, der ihm nicht gebührte, jemal35 angenommen, und wie cer 
in ſeinen heiteren Stunden immer geiſtreich geweſen, davon ſoll eine 
tleine Begebenheit ein Zeugnis ablegen. 
Gin vornehmer Mann, der aber auch unter die abjixujen einfamen 
Frankfurter gehörte, glaubte ſich über ſcine Einquartierung beklagen 
zu. müſſen. Gr fan perſönlich, und der Dolmeiſch bot ihm ſeine Dienſte 
anz jener aber meinte derſelben nicht zu bedürfen. Ex trat vor dcn 
Grafcn mit ciner anſtändigen Verbeugung und ſagte: Exzellenz! Dex 
Graf gab ihm die Vorbeugung zurüc>, ſo wie die Exzellenz. Betroffen 
von dicſer Chrenbezeigung, nicht anders glaubend, als dex Tiiel [ci 
ZU gering, bücte cr jich tiefex und jagte: Monſeigneur! =- „Mein Herr,“ 
jagte ver Graf ganz ernjthaft, „wix wollen nicht weiter gehen, denn jont 
fönnten wir cs leicht bis zur Majeſtät bringen.“ -- Der andere war 
außerjt verlegen und wußte fein Wort zu jagen. Der Dolmetſh, in 
einiaocrx Gntfernung ſtehcad und voi dex ganzen Sache unterrichtet, par 
boShaft genug, fich nicht zu rühren; der Graf aber, mit großer Heiterfeii, 
fuhr fort: „Zum Beiſpiel, mein Herr, wie beinen Sie?“ =- „Spangen 
berg,“ verjeßte jener. „Und ich,“ jagte der Gra?, „heize Thorauc. 
Spangenberg, was wollt Ihx von Thorane? Und uun ſchten wir uns, 
die Sache foll gleich abgetan ſein.“ 
Und fo wurde die Sache auch gleich zu arxoßer 
jenigen abgetan, den ich hier Spangenberg genanni habe, 
Geſ<ichte noch am ſelbigen Abend von dem ſchadenfrohen 
in unſerem Fanmilienfreiſe nicht nur erzählt, jondern mit 
jtäanden und Gebärden aufgeführt. 
Nach folben Verwirrungen, Unruhen und Vedrängniſſen fan 
gar bald die vorige Sicherheit und der Leichiſinn wieter, mit welchem 
beſonders dic Jugend voin Tag zu Tage lebt, wenn es nur eininermnanen 
angehen will. 
ZUTrCDENHEi DCS 
Und DIE 
Doimetich 
allen Um- 
SS 55 
2 HD 
[4] 
 
 
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BTD 43 ooo ide coo ETA KEG 
DIDTEEZTEEUDIEDE 
von Wolfgang Gooerbe. 
 
 
 
 
 
Ein Jemand ſagt: „Jc bin von keiner Schule; 
Keim Meiſter lebt, mit dem ich buhle; 
Auch bin ich weit davon entfernt, 
Daß ich von Toten was gelernt.“ 
Das heißt, wenn ich ihn roht verſtand: 
„dc< bin ein Narr auf eigne Haid“. 
Q 
Yoch iſt c8 Tag; da rühre fich der Mann! 
Die Nacht tritt ein, wo niemand wirfon Tomi. 
Q 
Maun mit zugefnöpften Taſchen, 
Dir tut niemand was zu liev; 
Hand wird uur von Hand gewaſchen; 
Wenn du nehmen willit, jo giv! 
0 
Es ließe fich alles trefflich ſchlichten, 
&Könmnte man die Sachen zweimal verrichten. 
Vom Vater hab ich die Statur, 
Des Lebens ernſtes Führen, 
Vom Mütterchen die Frohnatur 
Und Luſt zu fabulieren. 
Urahnherr war der Schönſten hold, 
Da3 ſpukt ſo hin und wieder, 
Urahnfrau liebte Shmu>d und Gold, 
Das zu>t wohl durch die Glieder. 
Sind“ nun die Elemente meht 
Aus dem Komplex zu trennen, 
Was iſt dann an dem ganzen Wicht 
Original zu nennen. 
Q 
Der Menſc< erfährt, er ſei auch, wer ex mag, 
Gin lebtes Glü> und einen lezten Tag.
	        
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