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ſpätern Profeſſors für ausländiſche Literatur an der
Sorbonne Antoine Frederic Ozanam (+ 1853;
vgl. neben mehrern ältern Biogr. beſ. : Heinr. Auer
[21913], Baunard [Par. 1912], A. Baudrillart
[ebd. 1912], G. Goyau 1. a. [ebd. 1913]) ge
gründet u. ſtellt einen Verein katholiſcher Männer
für praktiſche Betätigung der Carita3 dar. 1845
mit Abläſſen ausgeſtattet u. wiederholt von den
Päpſten u. Biſchöfen empfohlen, iſt der St-Vins
zenzverein heute über die gunze katholiſche Welt
verbreitet u. zählt in rund 8000 Konſerenzen
neben den (eine Geldſpende widmenden) „Teils-
nehmern“ etwa 120 000 tätige „Mitglieder“, die
perſönlich die Hausarmenpflege nac< dem ſog.
Elberſelder Syſtem beſorgen. Neben Unterſtüßung
der Armen mit Lebensmitteln, Brennmaterial,
Mietbeiträgen uſw., unentgeltlicher ambulanter
Krankenpflege, Fürſorge für Obdachloſe, für Ge=
fangene u. deren Familien ſowie für entlaſſene Ge-
ſangene erſtre>t ſich die Tätigkeit des St-Vinzenz»
verein8 beſonder3 auch auf die arme u. verwahr=
loſte Jugend durch Unterbringung von Kindern
in Erziehungsanſtalten, Abſtellung de8 Kinder-
bettel8 dur< Verteilung von Brot u. Suppe in
den Schulen, Errichtung von Krippen, Bewahr-
ſchulen u, Kinderhorten, Bekleidung armer Kinder,
beſonder3 armer Erſtkommunikanten uſw. Mit dem
St=Vinzenzverein waren von Anfang an „Schuß
vereine ſür Jugendfürſorge“ verbunden, die von
Papſt Leo XI11. mit Abläſſen au8gezeichnet wurden.
An der Spiße de3 Verein3 ſteht der Generalrat
in Pari3 ; in den einzelnen Ländern ſind Ober=
verwaltung32 bzw. Diözeſanräte beſtellt. Im
Deutſchen Neiche wurde 1911 eine Neuorganiſa=
tion in der Weiſe durchgeführt, daß in allen Bis8-
tümern, in denen wenigſtens 5 Konferenzen bes
ſtehen , ein beſondrer Diszeſanrat als leitende
Verwaltungöſtelle eingeſeßt, auch ein beſoldeter
Berufs8-Generaljekretär auſgeſtellt wurde.
Literatur zu Abſchn. V: Handbuch (71900);
Vinzenz-»Blätter, hr8g. vom Generalſekretariat in
Köln ; Alb. Stolz, Unterr. üb, d. Männer-Vinzenz=
ver. (*1903) ; Bulletin de la Societe de St Vincent
de Paul (Zentralorgan, Paris) ; Rapport g&n6ral
(ebd., jährl. exſcheinend) ; Hans Grundei, Student
u. Vinzenzver. (1913; „Studentenbibl." 3. Bd<en);
die Zeitſchrift „Caritas" (Freiburg, ſeit 1896) an
zahlr. Stellen. [M. Heimbucher.]
Vinzenzvereine |. Vinzenz v. Paul
(Abj<n. V), Nächſtenliebe (Abſchn. 1V)..
Virgatuwmpfeſt |. Schulfeſte.
Virtuoſentum ſ. Enzyklopädi3mus, Viel-
ſeitigkeit.
Viſitandinunen ſ. Saleſianerinnen,
Viſitation der Schulen |ſ. Neviſion; vgl.
auch Schulauſſicht.
Vitalismnus, 1. Mechaniſche u. teleo-
logiſche Kauſalität. Der Gegenſaß, der ſich in
den Begriffen Mechani3mv3 u. V. ausſpricht, iſt
aus der Frage geboren, wie von un3 das Ver-
hältnis von Urſache u. Wirkung unter den Dingen
Binzenzvereine
== Vitalismus3. 538
u. Vorgängen der Natur aufzufaſſen ſei. Wir
ſehen nämlich von allem u. jedem, das in der
Natur entſteht od. geſchieht =- ſei da38 Neue ein
Ding od. ſei e38 ein Teil, eine Eigenſchaft, ein
Zuſtand, ein Vorgang, irgend eine Veränderung
an einem Dinge --, ſtet3 voraus, daß es die Wir=
kung einer ihm voraus8gehenden u. e3 hervorrufen
den Urſache bilde. Selbſtverſtändlich beſißen in
jedem einzelnen Falle, wo Kauſalität aktuell iſt,
jowohl die wirkjame Urſache al38 auch die durc
ſie entſtandene Wirkung je eine beſtimmte Natur
u. Beſchafſenheit. Man kann u. muß nun hieran
die Frage knüpfen, ob das Verhältni8 zwiſchen
dieſer Urſache u. dieſer Wirkung ſo ſei, daß immer
u. allemal, wenn eine Wirkung von dieſer Art in
der Natur eintritt, ihre Urſache eben die Beſchaf=
ſenheit habe, die der vorhin genannten Urſache
eigentümlid) iſt, u. daß, wenn ſich die gleiche Ur-
ſache wieder regt, auch wieder die gleiche Wirkung
auf ſie folgt. Wo das Verhältnis zwiſchen Urſache
u. Wirkung ſo liegt, wie hier gefragt wird, da iſt
es ein für immer u. überall feſt beſtimmtes, d. h.
geſehmäßiges ; wo e8 aber umgekehrt liegt, wo
auf die gleiche Urſache bald dieſe bald jene bald
noc< eine andre Wirkung folgen, bzw. wo die
gleiche Wirkung regello38 den verſchiedenſten Ur=
ſachen entſpringen kann, dort fehlt die Geſeß=
mäßigkeit im Verhältnis von Urjache u. Wirkung
u. geſchieht ſtatt deſſen das, wa3 geſchieht, un=
berechenbar u. zufällig. Mechanismus u. V. nun
ſeßen beide da3 geſeßmäßige Geſchehen in der
Natur voraus, haben alſo miteinander gemeinſam,
daß ſie nur von ſolchen Wirkungen ſprechen, die
nicht zufällig, ſondern in ſtrenger Geſehmäßigkeit
verurſacht werden. In der Auffaſſung aber dieſer
Geſeßmäßigkeit ſchlagen ſie weſentlich verſchiedene
Wege ein.
Der V. fällt in ſeiner Gegenſahſtellung zum
Mechani8mus unter den Allgemeinbegriff der Tes
leologie. Die Grundanſchauung aber de3 Mecha-
niämus liegt in der Annahme, in dem Paar Ur=
ſache-Wirfung ſei die Nolle der beiden Glieder
eine durchaus einſeitige, die Urſache verhalte ſich
gänzlich) als das die Wirkung beſtimmende Glied,
u. die Wirkung verhalte ſich ebenſo ausſchließlic)
als da3 durch die Urſache beſtimmte Glied. Von
dieſer Art iſt in der Tat da3 Verhältnis zwiſchen
Urſache u. Wirkung bei den ſich ſelbſt überlaſſenen
Bewegung3vorgängen der Materie. Wie die be=
wegende Kraft auf einen Körper einwirkt, ſo muß
dieſer ſich bewegen, ſo daß der Grund zu dieſer
ſeiner Bewegung gänzlich außer ihm gelegen iſt.
Bei der teleologiſchen Kauſalität verhält e38 ſich
damit umgekehrt. Hier iſt die Wirkung nicht bloß
das Ergebnis ihrer Urſache, ſondern zugleich auch
deren Urſache, inſofern ſie durch ihre erſtgenannte
Urjache nicht nur beſtimmt wird , fondern auc
ihrerſeits dieſe beſtimmt. So iſt z. B. das Sehen
die Wirkung der Augen, aber zugleich aud) deren
Urſache; denn weil das Tier Augen hat, ſieht es,
u. weil e3 ſehen ſoll, darum hat es Augen erhalten.