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u. in jeder Mädchenſchule mindeſtens je ein voll»
ſtändiges Oſter» u. Michaeliſyſtem vorhanden
jein muß.
Literatur. L. Wieſe, Samml. d. Verordn. u.
Geſ. ſr die höh. Schulen in Preußen 1 (21886;
hrög. von O. Hübler) 151 u. 277 ff; H. Meuſel,
Ztſchr. |f. Gymn.-Weſ. (1880); Bericht der pomm.
Direlt.-»Ver]. v. 18382 (Berlin, Weidmann; mit
weit. Lit.) ; A. Baumeiſter, Die Einricht. u. Ver-
walt. d. höh. Schulweſ.i. d. Kulturländ. v. Europa u.
in Nordamerika (1897) 57 ; H. Morſch, Das höhere
Lehramt in Deutſchl. u. Öſterr. (*21910) 134 |f.
[E. M. Nolofſ.]
Wehrkraſivereine, 1. Begriſſsbeſtim-
mung. Vor dem Weltkrieg bezeichnete man mit
W. die hauptſächlich in Bayern verbreitete NRich-
tung der Jugendpjlege (ſ. d.), die im Sinne der
Pfadfinder (fj. d.) u. der Jugendwehren (f. d.) die
Jugend erziehen wollte, mit dem Endzweck, die
Wehrkraſt des Reiches dur Heranbildung eines
gejunden Geſchlechtes zu heben. Militäriſche Ziele
kamen erſt in zweiter Linie. Durch den Weltkrieg
iſt hier eine Anderung eingetreten; das Militä-
riſche iſt ſtark in den Vordergrund getreten, u. es
ſind eigne Vereine entſtanden, die als ihre Auſgabe
Wehrkraftvereine.
betrachten, die Jugend für den Militärdienſt vor-
zubereiten, die Jugendwehren, Jungmannſchaſten, '
Jugendkompagnien genannt werden. |
11. Einrichtung uv. Ziele der neuen Wehr-
kraftbeſtrebungen. Bald nach Ausbruch des Welt-
frieges rief ein Erlaß von drei Miniſtern in
Preußen v. 12. Aug. 1914 eine militäriſche Vor-
bereitung der Jugendlichen von 16--20 Jahren
ins Leben, ſoweit ſie nicht gleich ins Heer getreten
waren. Der Kaiſer jebte zur Erledigung dieſer
wichtigen Angelegenheit ein Generalkommiſſariat
ein, 1. bald bildeten ſich allerort8 Jugendkompas»
gnien, die im Sinne der Verfügung der Miniſter
übten. (E38 war dort aunsdrüclich bemerkt worden,
daß; an den beſtehenden Jugendorganiſationen
nicht gerüttelt werden follte ; alfo nicht als ein
neuer Berein ſollte die Jugendwehr zu den alten
treten, vielmehr alle Mitglieder der verſchiedenen
Vereine auf einem gemeinſamen Gebiete vereinen,
Daß die Behörde an dieſer Anſicht ſeſthalten will,
beweiſt die Verfügung des preußiſchen Kriegs»
miniſters v. 12. Aug. 1915, die ſich dagegen
wendet, daß durch zu ſtarke Inanſpruchnahme der
Jugendlichen durch die Jugendwehr od. gar Zwang
den andern Vereinen Abbruch getan würde. Die
Beteiligung an den meiſt von den Ortsausſchüſſen
für Jugendpflege in den einzelnen Gemeinden ge-
Ichafſenen Jugendwehren ift freiwillig; zur Über-
brückung der jozialen Unterſchiede ſind alle Schul»
gattungen u. Stände meiſt durcheinander gewürz-
felt. Der Übung3plan, der vom preußiſchen
HKriegsminiſterium in ausführlichen Leitſähen ſeſt-
gelegt wurde, iſt im großen u. ganzen das Pro»-
gramm der Pfadſinder (f. d.) ; mur wird das rein
Militäriſche ſtärker betont: Marjich- u. Gelände- '
übungen, Ausſchwärmen u. Wiederzuſammen-,
ziehen der Formationen, Geländebeſchreibungen, |
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Augenübung aller Art, Gedächtnigübung, Horch-
übung, Gebrauc von Uhr, Kompaß, Karte, Be=
helſ8arbeiten, Herſtellen von Flößen, Brüden=
ſtegen u. a. Ansgeſchloſſen war von vornherein der
Gebrauch von Schußwaſſen.
Über die Frage, ob Schießunterricht ein-
zuführen ſei od. nicht, ſind die Meinungen ſehr
geteilt. Im Ausland iſt man in dieſer Nichtung
bereit8 viel weiter gegangen. Als Beiſpiel ſeien
hier die Verhältniſſe in Norwegen kurz gezeichnet.
Mit geringen Ausnahmen iſt dort an höhern
Schulen Schießunterricht, u. auc<h an Vollksſchulen
wird das Schießen mehr u. mehr eingeführt. Die
Schüßenvereine richten außerdem oft beſondere
Kurſe für Knaben ein. Im erſten Jahre finden
vorbereitende Übungen ſtatt: Erklärung des Ge-
wehrs, der Munition u. der Bahn des Geſchoſſes,
Vorſichtömaßregeln, Zielen, Laden (mit Exerzier-
patronen), liegende Fertig- u. Anlegeſtellung mit
Stühße, Zielen in allen Stellungen, dann Schießen
mit 0,5 g Schulmunition auf zehngeteilte Salon-
ſcheiben auf 10 m Entfernung. Im zweiten Jahr:
Zielen mit 4 g Schulmunition auf 100 od. 200 m
auf Normalſcheibe mit 80 Schuß ſür den Schü-
ler. Die Schulen erhalten einen Karabiner auf
8 Schüler geliehen ; die Munition wird umſonſt
durch den Nec<hnungz3führer für Schulſchießen (für
das ganze Land angeſtellt) ausgegeben. Außerdem
erhalten die Schulen geliefert: 1. Handbud für
die Inſtrukteure, 2. Schießbud ſür Knaben (Ci-
gentum jedes Schüler8), 3. Schießprotokoll für
die Buchführung der Schule. Auf Veranlaſſung
der Schüßenvereine werden in vielen Gemeinden
Wettſchießen zwiſchen den Schulen veranſtaltet.
Die beſte Schule erhält ein Wanderſchild, u. wer
die meiſten Punkte erzielt, eine Denkmünze. --
Auch in der Schweiz iſt der Schießunterricht jehr
ausgebildet; auf den untern Stuſen wird oſt mit der
Armbruſt geſchoſſen. In Deutſchland wurde ſchon
vor dem Kriege in einzelnen Erziehungsheimen,
namentlich den Dr Ließbſchen Landerziehungöhei-
men, ſowie in einigen höhern Staatsſchulen
Schießunterricht erteilt. In Oſterreich ſind die
Schüler mit normalen Mannlicher Armeegewehren
ausgerüſtet zu Schießübungen. Da3 preußiſche
Kriegsminiſterium begründet jeine ablehnende Hal-
tung in der Einführung des Scießunterrichts
mit dem Bedenken, daß es geſährlich ſei, eine po-
litiſc< unreiſe Jugend mit der Waſſe auszubilden,
da ſie dieſe leicht mißbrauchen könnte, u. der
Beſürc<tung, daß die Ausbildung unvollkommen,
daher oft ſchädlich jei. So haben denn jeht in
Deutſchland die Schüßenvereine ſich meiſt in dan=-
fenöwerter Weiſe den Jungmannſchaſten zur Au3-
bildung im Schießen zur Berſügung geſtellt. Ob
nach den Erſahrungen im Weltfrieg dieſe Majß;-
nahmen genügen, muß die Zukunft lehren.
Während anſang3s der Zudrang zu den Kom»
pagnien ſehr ſtark war, hat er allmählich abgenom-
men, u. zahlreiche Jünglinge ſtehen der Bewegung
no fern od. ſind wieder ausgetreten. Die Übungen