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worſenen zuredet, ſie ſich gern gefallen zu laſſen".
Bei dem heranreiſenden Zögling muß der Erzieher
zur rechten Zeit mit ſeinem Einfluſſe zu enden
wiſſen, wenn er ſich nicht der Gefahr ausſehen
will, daß der Zögling das Verhältnis ſelbſt auf»
löſe. == Die notwendige Vorausſjekhung ſür die
Wirkung der Z, beſteht darin, daß dem Zögling
jein beſjere8 Selbſt zum Bewußtſein gekommen iſt.
An dieſe3 muß ſich der Tadel ſtemmen, wenn er
wirljam empfunden werden ſoll. Der Erzieher
muß ſich mit der Z. an die beſſern Seiten der In»
dividualität wenden, „damit er ewas ſaſjen könne
zum Hervorheben“. Die ſchöne Kunſt der Z, iſt,
„dyr< den verdienten Beiſall zu erfreuen“, die
traurige dagegen, „dem Gemüte ſichre Wunden
beizubringen“; bei lehterm iſt daſür zu ſorgen,
daß beleidigende Härten vermieden werden. „Wenn
dieſelbe Erinnerung mehrmals nötig wird, ſo darf
ſie nicht zweimal auf dieſelbe Artgegebenwerden....
Alle Monotonie, alle3 Matte muß aus der Z. ver»
bannt bleiben.“ „Der Umfang der Z. muß dem
Zögling unbegrenzt erſcheinen.“ Der Gedanke,
ſie zu umgehen, darf im Schüler gar nicht ent-
ſtehen können.
Herbart betrachtet unter dem tieſgreiſenden
Einfluſſe ſeiner ſchweizer Hauslehrertätigkeit die
Z. von dem Geſichtöpunkte des Cinzelunterrichts.
Veſjonder3 die Ausführungen in der „Allgemeinen
Pädagogik“ verdienen eingehende Würdigung.
Mit Rückſicht auf Klaſjenunterriht u. Schule
führten Ziller u. Nein die Herbartſchen Über-
legungen weiter. Rein beklagt e3, daß beſon-
der3 in unſern höhern Schulen die Lehrer bloß
Stundenhalter, aber nicht Führer der Jugend ſeien.
Um lehteres zu ſein, bedarſ e3 vor allem der „Teil-
nahme an den Spielen, an Spaziergängen, an
Schulreiſen u. an allem, wa5 das Leben u. Treiben
der Jugend ausfüllt“ (Nein, Pädag. 111 307).
Auch die in der Schulerziehung u. dem Zuſammen»
leben der Zöglinge liegenden ethiſchen u. ſozialen
Bildungökräſte rückt Rein in helle Belenchtung.
Literatur. Herbart, Allg. Pädag. ; derſ., Um-
riß päd. Vorle]. (Die Ausg. erſehe man aus d, Art.
Herbart) ; T. Ziller, Allg. Pädag. (*?1901); derxſ.,
Gruündleg. 3. Lehre v. erziehend. Unterr. (2? 1883);
K. VW. Stoy, Enzyklop., Methodol. u. Lit. d. Pädag.
(?1878) ; E. Barth, Über d. Umgang (1897) ; L.
Strümpell u. A. Spihner, Pädag. Pathol. (*1910) ;
W. Rein, Pädag. i. ſyſt. Darſtell. 111 (?1912).
[J. I. Wolſſ.]
Züchtigkeit j. Keuſchheit.
Züchtigung ſj. Körperliche Züchtigung.
ZuFungen |. Krämpfe, Tic, Veitötanz ;
vgl. Phyſiognomik (Sp. 1303), Zwangsvorſtel-
lungen (Sp. 1045).
Zufiüſiern ſj. Abſchreiben u. Vorſagen.
Zufriedenheit, 1. Allgemeines. Wenn
man ſich in der heutigen Welt nach der Z. um»
ſieht, ſo entde>t man ſie wohl am häufigſten auf
den ſriſch-ſröhlichen Kindergeſichtern u. dem ruhig»
abgeklärten Greiſenantlih. Gelingt e3 doch dieſen
Züchtigkeit -- Zufriedenheit.
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beiden Lebensaltern, von denen das eine noch nicht,
das andre nicht mehr anſpruchövoll zu ſein pflegt,
no< am leichteſten, jenen luſtbetonten Ausgleich
zwiſchen dem Soll 11. Haben dermenſchlichen Lebens»
rechnung herzuſtellen, in dem derjenige Seelen-
uſtand begründet iſt, der in dem Begriſſ Z. zu»
fammengeſaßt wird. Viel ſeltener hat ſich die Z.
von jeher eingeſunden beim himmelanſtürmenden
Jüngling, welcher der Zukunft einen rieſigen
Wechſel präſentiert, u. beim ernüchterten Manne,
der die Unmöglichkeit ſieht, ihn einzulöſen. Dieſe
mittlern Jahre ſind e3 auch, in denen die körper»
lichen u, geiſtigen Vorzüge bzw. Gebrechen bei den
einzelnen Individuen beſonders ſcharf hervortreten
u. gegenſeitiges Bergleichen herausfordern. Daß
aber die Z. leichter Einkehr halten wird bei einem
Heohenan Sonnenkinde, dem ein geſundheit=
troßender Körper, ein glückliches Temperament
beſchieden iſt, als bei dem unanſcehnlichen Erden-
pilger, dem ſchon ſeine eigne Natur den Daſein3-
kampf in jeder Weiſe erſchwert, zeigt die tägliche
Erfahrung zur Genüge. Und do lehrt ſchon eine
oberflächliche Betrachtung, daß jedem ernſthaft
wollenden Menſchen, der ſich nicht darauf be-
ſchränkt, dem Schiſal ratlo8 od. anklagend gegen=
überzuſtehen, ſondern ſich von vornherein gegen
jede Geſahr innerer Gleichgewichtsſtörung durch
geiſtige Überlegenheit u. einen männlichen Cha=-
rakter zu wappnen ſucht, auch der wahre Seelen-
ſrieden zugänglich iſt, wenn er ſich die unend»-
liche Fülle der Formen u. Möglichkeiten vergegen-
wärtigt, in denen der göttliche Gedanke der Z.
irdiſche Geſtaltung annehmen kann. Unabhängig
von Alter u. Geſchlecht, Nangu. Neichtum findet ſich
die Z. ſowohl am beſcheidenen Tiſche de3 genügſamen
Tagelöhner3 wie in den Prunkräumen des welt=-
klugen Multimillionärs ; ſie macht weder Halt vor
der Kammer des heiligmäßigen Asketen u. genialen
Denkers noch vor der Türe der Unſchuldigen u.
Einſältigen. Für jeden gibt e3 ein Objekt der
innern od. äußern, der diesſeitigen od. jenſeitigen
Welt, das ſein Daſein lebenswert geſtaltet, ſeinen
Wünſchen Beſriedigung verheißt. Wenn nun aber
bereit38 das helleniſtiſch>römiſche Heidentum ſid)
eine heitre u. ſorgenſreie Leben8weiſe mit den
Waſſen der Selbſtbeherrichung u, Sittenſtrenge,
der Selbſtgenügſamkeit u. Unerſchütterlichkfeit zu
erkämpfen ſuchte, um ſo weniger darf dann der
gläubige Chriſt an der Möglichkeit verzweiſcln,
zuſrieden ſein zu können, zumal da ihm überdies
eine Fülle religiöſer Gnadenmittel zur Verfügung
ſteht, mit denen er jede3 irdiſche Leiden nicht nur
zu Überwinden, ſondern in bleibende Jenſeitä3ver-
dienſte umzuwerten vermag.
II. Die Erziehung zur Z. Cs beſteht nun
kein Zweifel, daß unſre moderne „ſreundenmordende“
Kultur mit ihren materiellen Daſeins- u. Die3ſeits-
zwecken, ihrer ſtet3 zunehmenden Diſſerenzierung
der Arbeit u. der Stände eine tiefe Sehnſucht nach
idealen Gütern, namentlich nah innerer Z. wach-
gerufen hat, die dur< den grauſamen, ſo manche