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Grundlage das Geſicht der neuen deutſchen Schule
tragen ſoll. Dabei ſei alle Pädagogik der großen
Worte 1, der feinen Taten, wie ſie ſchon wieder
als Krieg3» u. Z. am Werke iſt, ernſtlich gemieden.
Wenn wir dem Nationalen in der Grund»
legung u. dem Gepräge unſrer Geiſtesbildung
nachdrüclich das Wort reden, ſo wollen wir damit
Nicht ſagen, daß dieſer Wille zum Deutſchtum u,
zur deutſchen Schule biöher geſehlt hötte, aber
der nationale Charalter al8 das Gepräge u, Ge»
jäß unſrer Geiſteskultur ſoll mehr noch als bisher
ur Geltung kommen, u. zwar nicht nur in dem Er»
folge, ſondern auch in dem Bildung3inhalt u. den
Bio: "g3mitteln der Erziehung. Das ſordert als
Schwerpunkt eine immer reichere Einſührung der
Jugend in das Leben de3 eignen Volkes u, die
ſittlichen Kräſte de3 Volk3tums8 (ſ. d.), weil der
Gehalt de3 deutſchen Geiſte3lebens in den mannig-
fachen Ausprägungen der deutſchen Sittlichkeit,
e8 Glauben3, de3 Naturgeſühl8, de3 Familien»
lebens, der Sprache u. Mundart, der Kunſt, des
Scrifttum3, der Geſchichte uſw. reich genug iſt,
um auch ohne die Zutaten eine3 entlegenen, ab»
geſchloſjenen, fremden Bildung8gutes zu den Höhen
der Menſchheit zu führen. Das merzt aber die
Behandlung fremder Stoffe u. antiker Kultur-
einſlüſſe keine8weg3 aus ; denn erſt an dem Frem»
den, im Gegenſaß u. in der Auseinanderſehung
mit ihm erwächſt die Bewußtheit des Deutſch»
tums u. die Beſinnung auf die Grundlagen u.
Höhepunkte der dentichen Kultur. So muß eine
große Sachlichkeit Plaß greifen, die al3 Aus»
druck der deutſchen Seele da38 Individuelle wertet,
aber in da3 Überindividuelle ſich verſenkt, welche
die Arbeit3- mit der Lernſchule vermählt in der
deutſchen Erziehung3» u. Lebensſchule, die vom
Wortwiſſen u. Worteniachen fortſchreitet zum Sadh-
wiſſen, welche die Begrifſ3verbindung von Perſön»-
lichkeit3pädagogilk u. Erziehung zum Staatsgefühl
erkennt u. verwirklicht, welche die Gotte3welt als
Wirklichkeit erleben läßt, aber auch über die dunkeln
Realitäten de3 Leben3 nicht hinweghuſcht. Auf
dieſem Wege wird das rein formale, reichlich un-
beſtimmte BildungSideal „harmoniſche Au8bildung
aller Kräſte“ mit dem Inhalt deutſchen Geiſtes u,
deutſcher Kraſt gefüllt, u. ſo geſchieht auch der
Forderung einer harmoniſchen Perſönlichkeitöbil-
dung Genüge, die -- jedes einſeitige Bildungsziel,
zumal das intellektnaliſtiſche, meidend --- gleicher»
maßen alle Anlagen de3 Zöglings, die intellektunel-
len, die ſittlichen, die äſthetiſchen, die religiöſen
pflegt u. au5bildet. So kommt endlich der deutſche
Ideali3mu3 zu ſeiner Geltung nicht als das der
Gegenwart abgewandte Gedankenleben, ſondern
als die die Wirklichkeit durchdringende u. unter-
werſende Kraſt. Mag ruhig mit dem Wachstum
der Selbſtändigkeit u. der Schäßung deutſcher
Gegenwartskultur der Abſtand vom Altertum zu-
nehmen -- dafür ſchwindet die Spannung zwi-
ſchen Schulbildung u. Gegenwartsbildung, welche
die ſordernde Zukunft al3 eine Kraftverſchwen-
Zulagen der Lehrergehälter -- Zurechnung.
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dung nicht dauernd wird ertragen können, u.
die Seelen „tagelöhnern“ darum nod lange nicht.
Bei allem berechtigt realiſtiſchen Einſchlage, der
namentlich den Naturwiſſenſchaften zugute kom»
men dürſte, wird unſre deutſche Schule dennoch
ideal genug bleiben, u. bei gller Einwirkung
zweds8 Übermittlung u. Fortpflanzung de8 vor-
handenen Kulturinhalt3 wird die We>ung u, Pflege
perſönlicher Kräſte, das Nec<ht der „Selbſtentfal-
tung", in den Arbeit8methoden, in einem recht
verſtandenen Kraftprinzip, das ein falſch) verſtan=
dene3 „Stoſſprinzip“ erſeht, in einer gewiſſen
Wahlfreiheit der Studienfächer u, der Bewegungs-
ſreiheit der Schulzucht zu der ihm gebührenden
Geltung kommen können u. müſſen. Der Aufgabe,
den Willen zu ſchulen u. für die deutſche Erziehung
u Ehrſurcht u. Pflichtgehorſam u. darüber hinaus
für ſtaat3bürgerliche Erziehung zu gewinnen, wird
eine poſitiv arbeitende Pädagogik des Vertrauens
am eheſten entſprechen. Über aller Schulerziehung
aber ſoll die Pädagogik nicht vergeſſen, daß von
der Kinderſtube u, dem Mutterunterricht aus die
Welt regiert wird, u. daß alle Charaktererziehung
der deutſchen Jugend unſer Volk befähigen muß,
die große ſozialethiſche Auſgabe des Kulturſtaate3
löſen zu helfen u. mitzuarbeiten an der Verſitt-
lichung u. Humaniſierung der Welt, Vgl. auch
den Art, : Schule u. Krieg.
Literatur. W. Rein, Deutſ<he S<ulerzich.
(1907); Mün<, 3. (31913) ; F. Negener, Die Prin-
zip. d. Neformpädag. (1916); G. Budde, Alte u.
neue Bahnen |. d. Pädag. (1912); derſ., Verſ. einer
prinzip. Begründ. d. Pädag. d. höh. Knabenſchul.
auf R. Euckens, Philoſ. (1911); derſ., Noolog.
Pädag. (1914); E. Linde, Pädag. Streitſr. d.
Gegenw. (1913); O. Willmann, Didaktik (* 1909);
derſ., D. Lehrſtand i. Dienſte d. <hriſtl. Volt8(1910);
N. Lehmann, Erzieh. u. Unterr. (*1912); Herget,
Die wichtigſt. Strömung. i. pädag. Leben d. Gegenw.
(2 Bde, 1914 f); E. Jander, Deutſche Erzieh.,
deutſche Zukunft (1914); J. Norrenberg, Diedeutſche
höh. Schule nach d. Weltkriege (1915) ; Th. Ziege
ler, Kriegspädag. u. Z. (1915); H. Mutheſius,
Das Bildungsw. i. neuen Deutſchl. (1915); N.
Seyſert, Vom deutſch. Weſ. n. d. Kriege (1915);
H. Gaudig, Ansbl. i. d. Zukunft d. deutſch. Schule
(31915) ; Sprengel, Die deutſche Kultureinh. i.
Unterr. (1916); K. Keſſeler, Grundlinien einer
deutſch-idealiſt. Pädag. (1916); J. Wychgram, D.
dtſch. Schule u. dtſch. Zukunft (1916).
[O. Eberhard.]
Zuklagen der Lehrergehalter ſ. Beſoldung.
Zuneigung |ſ. Sympathie; vgl. auch Ab-
neigung.
Zunftweſen der Lehrer ſ. Lehrerzünſte.
Zurehnung, 1. Weſen. Z. iſt die mora=
liſche od. rechtliche Zurückführung einer Handlung
auf ihren Urheber. Bei ſittlich guten Handlungen
wird der Begriff Z. ſeltener angewandt; deſto
gebräuchlicher iſt er bei moraliſch unſittlichen u.
juridiſch unrechtmäßigen Handlungen. Die Z,
ſpricht au8, daß eine Perſon für eine Handlung
die Verantwortung (ſ. d.) trage u. die Folgen ihres