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Daher ſeine Forderung nach einex Verminderung
der Stundenzahl, ſeine Erwägung der Beſchrän»
kung de3 Unterrichts auf den Vormittag, ſeine
Verſuche, dem Unterricht durch ſiraſſere Konzen-
tration „eine größere Cinheit u. eindringlichere
Kraft zu geben“ ; daher auch ſeine große Sorge
um die körperliche Ertüchtigung der Jugend (Tur-
nen, Schwimmen, Schlitiſchunhlaufen, Exerzieren).
Daß jene Schulgeſtaltung, die er erſirebte, wenig»
ſtens in ihren Grundgedanken die Zukunft für ſich
habe, war ſeine feſte Überzeugung, u. die Folge»
zeit hat ihm Recht gegeben; man denke nur an die
Dezemberkonſerenz v. 1890 mit ihren einſchnei-
denden Folgen u. den kaiſerl. Erlaß v. 26. Nov.
1900. Not bi3 in die Gegenwart ziehen ſeine
Gedanken ihre Kreiſe (vgl. Altonaer Syſtem, Frank-
ſurter Lehrplan), -- Sein ansgeprägte3s Gerechtig»
keitögefühl verlangte ferner Gleichberechtigung der
Abiturienten der Realſchule 1. O. mit denen der
Gymnaſien, u. die Sorge um die Realſchule über»
haupt legte ihm auch die Frage über die Vorbil-
dung ſür da3 höhere Lehramt an den Nealſchulen
nahe. Daß O.3 Plänen u. Syſtemen Fehler u.
Schwächen anhaften, iſt natürlich ; aber zu loben
bleibt die ehrliche Begeiſterung, mit der er für
ſein Jdeal eingetreten iſt, u. der Scharfbli,
mit dem er ſeine Pläne u. Forderungen auf=-
geſtellt u. begründet hat. Verſchlt wäre, in ihm
einen Gegner des Gymnaſium3 od. der alt»
ilaſſiſchen Bildung überhaupt zu ſehen. Er war
im Gegenteil ein begeiſterter Verehrer de3 Griechen-
tums.
1V. Sthriſten. Die bedeutendſten ſind teils
Flugſchriſten, teils Programmabhandlungen, teils
Auſſähe in Zeitſchriſten. Es ſind ſolgende : „Die
Leibeöübungen a. d. hieſigen Realſchule“ (Lipp-
ſtadt, Progr. 1857); „Über die Vorbildung für
da3 Lehramt an Realſchulen“ (Pädag. Archiv X11
[1870]); „Zur Konzentration des Unterrichts“
(ebd. Bd XU u. XIV [1871 f]); „Berichte über
Verſuche einer Konzentration des Unterricht3“
(Lippſtadt, Progr. 1872); „Volksſchule, Bürger-
ſchule u. höhere Schule“ (Düſſeld. Antrittörede
1872); „Da3 höhere Schulweſen unſers Staates,
(Ein Bericht" (1873); „Mit welcher Sprache be-
ginnt zwec>kmäßigerweiſe der ſremdſprachliche Un-
terricht ?" (1873); „Nber das nationale Kaiſer»
imm der Hohenzollern“ (1873); „Die Konferenz
zur Beratung über da3 höhere Schulweſen des
preuß. Staates. Cin Vortrag“ (1874); „Unſer
höheres Schulweſen gegenüber dem nationalen
Intereſje“ (1874); „Die Umgeſtaltung de3 hieſi-
gen Volköſchulweſen3" (Düſſeldorf 1876),
Literatur. K. Friedlaender, Allg. Dtſch.
Biogr. XX1V (1887) 503 ff; Pädag. Archiv XVI
(1874) enthält 2 Kritiken von 2 Flugſchriſt. O.3
durch Lattmann 1. E. v. Sallwürk ; Progr. d. Real»
Nahträge.
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Polga>, Friedrich. I. Leben8gang, Friedr.
B. wurde am 24. Jan. 1835 zu Flarchheim (Kreis
Langenſalza) al8 Sohn eines kleinen Landwirts
geboren. Großvater u, Vater übten ſtrenge Er-
ziehung („Lieber ein totes al8 ein verzogenes
Kind !“). Die Mutter dagegen waltete in Milde.
Was die Dorſſchule an Anregung vermiſſen ließ,
fand er beim Pfarrer Hahn. 1849/52 wurde er
auf der Präparandenanſtalt in Erfurt vorgebildet
N, beſuchte 1852/55 ebenda das Seminar. Zuerſt
wirkte er in dem eichsfeldiſchen Dörſchen Schier-
ſc<wende, 1860 erhielt er die erſte Lehrerſtelle in
Kammerſfort. Hier begann er ſremde Sprachen zu
ſtudieren. 1868 ging er al8 Mittelſchullehrex nach
Erfurt un. beſtand 1870 die Rektorprüfung. 1871
bi3 1876 war er Rektor der von ihm begründeten
Mittelſchule für Knaben u. Mädchen in Nord-
hanjen. 1876 ging er als Kreisſchulinſpekior nah
Worbis, wo er in 27jähriger Amtsdauer für
Hebung der Volksſchule tätig war. 1903 trat er
in den Nuheſtand u. wohnte ſeitdem in Treffurt.
Auch jetzt wurde er noch häufig von den Behörden
um Nat angegangen. Mit ſeinen Schülern u.
Lehrern unterhielt er bis zum Lebensende regen
Verkehr. Er ſtarb am 19. Juli 1915 in Treſfurt.
11. Von ſeinem Wirken u. Sthaffen geben
ſeine „Broſamen“ ein umſaſſendes, aufrichtiges
Bild. Als Lehrer, Rektor u. Kreisſchnlinſpektor
war er ein Muſter gewiſſenhaſteſter Pflichterfül-
lung. Über ſeine Arbeit ſuchte er ſich in ſtrenger
Selbſiprüſung Nechenſchaft zu geben. Er bildete
ſich durch fleißiges Studium fort, hielt gern
Muſterlektionen u. wußte auc< Amtsbrüder auſ=
wärts zu ziehen. Für Unterricht un. Erziehung
bildete er fich beſtimmte Negeln u. Grundſäße
herans, die er in den von ihm ſehr gepflegten
Lehrerkonſerenzen od. in Vereinöſihungen be
ſprach. Seine Schule galt als Muſterſchule, u.
ſein Nat war geſchäßt. =- Als Kreisſchulinſpektor
lag ihm vor allem daran, den Tieſſtand der Dorſ«=
ſchulen zu beſeitigen, Dabei vermied er alle Härten,
„Nähe u. Liebe“ waren ſeine Machtmittel. Aud)
hier galt jein Amtöbereich als vorbildlich. Lehrern,
Eltern, Fern- u. Naheſtehenden war er ein nie
-verdroſjener Berater u. Helſer in materieller od.
geiſtiger Not. Freundſchaft zu üben, war ihm
Bedürfnis ; ſein Haus war vielen eine Zuflucht u.
Nettung.
Seine umſangreiche ſchriſtſtelleriſche Tätigkeit
begann er 1867 als Mitarbeiter des „Schul-
blatt8 für die Prov. Sachſen“ u. an der „Allg.
deutſchen Lehrerzeitung“. Zunächſt waren es
Früchte der Schulſiubenarbeit, die er veröſſent-
lichte : „Geſchichtsbilder aus der allg. u. vaterländ.
! Geſchichte" (1874 u. 5.) ; „Illuſtr. Naturgeſch. d.
3 Reiche in Bildern, Vergleichungen u. Skizzen“
' (1875; 2 Tle: I 131905, 11 '"1901). Dann
ſchule 1. O. in Düſſeldorf v. Oſtern 1879; Progr. | folgten ein „Jlluſtr. Realienbuch“ (12?* 1909), ein
d. Höh. Bürgerſchule (ohne Latein) u. Vorſchule
in Düſſeldorf v. Oſtern 1879.
[9. Widmann.]
„Kleines Nealienbuch“ (über 150 Aufl.), „Das
erſte Geſhichtsbuch“" (71907), „Geſchichtöleitfaden
„für Mittel- u. Bürgerſchnlen" (181904), „Hiſtor,