Full text: Sulzer bis Zynismus (5)

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T.,3, die beſonders glei zur Zeit ihre8 Entſtehen3 
ſchon gut beobachtet werden müſſen, da ſie dann noch 
nicht zu automatiſchen Akten geworden u. de8halb 
leichter zu beſeitigen ſind. Hier führt die Übung8- 
behandlung am ſicherſien zum Erſolg. Bringt man 
die Kinder dur Anſtachelung de8 Willen8 zur Be- 
herrſchung ihrer Bewegungen, u. zwar zunächſt der 
willfürlichen, ſo wirkt dies vorteilhaft auf die Be- 
ſeitigung de8 T. Wertvoll ſind dabei vor allem 
gymnaſtiſche Übungen, die ſich bis auf die kleinſten 
Körperteile, beſonder3 der durch den T. betrof 
fenen, erſtrecken. Fingergymnaſtik, Kopf=, Numpf= 
bewegungen, Übungen in Bewegungäloſigkeit de3 
Geſichtes verſprechen Erfolg. Bei koordiniertem 
T. iſt deſſen Auflöſung in die einzelnen Teilbe- 
wegungen 11. Übungen der entſprechenden Körper- 
teile notwendig. Je mehr Herrſchaſt über den 
ganzen Bewegung3apparat erlangt wird , deſto 
mehr treten auch die T.3 zurück. Dieſe Behand- 
lung ſeßt natürlich eine ausreichende Entwicklung 
der willfürlichen Auſmerkjamkeit vorau8, we8halb 
bei ausgeſprochen idiotiſchen Kindern eine Beſeiti- 
gung des T. nicht möglich iſt (vgl. auch die Art, 
Phyſiognomik, Veitstanz). 
Literatur. Th. Heller, Grundr. d. Heilpädag. 
(21912); Th. Ziehen, Die Geiſteskrankheiten d. 
Kindesalters (3 Bde, 21914). Zur Behandlung d. 
T. vgl. beſ. Knauer, Bewegungstherapie (in A, 
Dannemann , H. Schober, E. Schulze, Enzykl. 
Handb. d. Heilpädag. [1911] Sp. 324/336). 
[F. Weigl.] 
Tierarznei-Hochſchulen |. Hochſchule, 
Abſchn. VII 
Tiergarten u. Schuleſ. Zoologiſche Gärten. 
Tierkunde |. Zoologie. 
Tierquälerei (Tierſchuh). T. geſchieht 
unbewußt od. bewußt, durch Unverſtand, Leicht- 
ſinn, Mutwillen, Bosheit od. Eigennuß. Cin 
großer Teil der nicht nur von den untern Volk83= 
klaſſen begangenen Vergehen entfällt auf die Jus= 
gend. Unwijſenheit (Tötung angeblich ſchädlicher 
Tiere : Kröten, Fledermäuſe uſw.), Unüberlegtheit, 
überſchäumende3 Kraſtgeſühl , Neugierde, Lange= 
weile, Drang zur Nachahmung des Beiſpiels (Er= 
wachſener ſührt die jugendlichen Perſonen meiſt 
zur T. ; ſelbſt Dreijährige kann man ſchon bei der 
Marterung von Fröſchen, Würmern, Raupen uſw. 
antreſſen, ohne daß man ihnen Grauſamkeitsge= 
lüſte zuſchreiben dürfte. Doch findet man bei den 
Kindern auch ſchon wirklich boshaſte Geſinnung, 
die ja immer mit Grauſamkeit verbunden iſt. Die 
aus grauſamen Inſtinkten hervorgehende T. iſt 
immer als eine ſchwere Entartung der Kindesſeele 
zu betrachten ; ſie wirkt verrohend u. eniſittlichend 
u. iſt eine Schule de3 Verbrechens, da von der T. 
bi3 zum Noheitävergehen am Menſchen nur ein 
tleiner Schritt iſt. Es iſt wohl nicht übertrieben, 
wenn man behauptet, daß alle Menſchenſchinder 
in der Jugend auch Tierquäler geweſen ſind. 
Tierſ<uß heißt de8halb zugleich Menſchen= 
ſchuß u. iſt dringend geboten, Staat u, Gemeinde 
Tierarznei-Ho<ſ<hulen -- Tierquälerei (Tierſchuß). 
 
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erfennen dieſe Notwendigkeit durch Schaffung von 
ſtraſgeſeßlichen (nach 8 360 des Reich8-St.-G.- 
B. Geldſtrafe bis 150 AM od. Haft) u. Polizei- 
verordnungen gegen öffentliche od. Ärgernis er- 
regende T. an. Doh bieten ſie nur einen be- 
ſchränkten Shub, da T. oſt ſchwer als geſeßlich 
ſtraſbare Handlung zu bezeichnen iſt. Den beſten 
Tierſchuß gewährt die Erziehung des Menſchen, 
namentlich der bildſamen, begeiſterungsfähigen 
Jugend, zu Natur= 11. Tierfreunden. Familie, 
Kirche u. Schule ſollten gemeinſam durch Wort 
u. praktiſches Beiſpiel daran arbeiten, daß T. von 
einer Maſſenerſcheinung wenigſten3 zu einer Sel= 
tenheit3erſcheinung herabſinkt. Jugend u, Volk 
ſollen Tierſchuß als Pſlicht u. T. al8 Vergehen 
empfinden. Deshalb muß das Mitgefühl mit der 
Tierwelt gepflegt u. daneben die Erkenntnis ver= 
breitet werden, daß Tierſchutz den eigenſten JInter= 
ejfjen de3 Menſchen dient. Beſonder8 die Schule 
hat zur Förderung des Tierſchußgedankens in faſt 
allen Unterrichtsfächßern ſowie bei der Anleitung 
zur Schafſſung einer Sammlung (. d.), bei ge- 
meinſamen Ausflügen uſw. viel Gelegenheit. Auch 
die rechte Benußung von Zoologiſchen Gärten 
(f. d.) wirkt der T. entgegen. Anderſeits iſt frei- 
lic) auch eine Überſpannung des Tierſchußes8 zu 
verhüten. Menſchen, die Hunde, Kaßen uſw. wie 
verzärtelte Kinder hegen u. pflegen, bilden ſchon 
an 1. für ſich eine wenig anziehende Erſcheinung; 
kommt dann gar noch hinzu, daß dieſe Gattung 
von „Tierfreunden“ gleichzeitig für die Leiden u. 
Qualen ihrer Mitmenſchen keinerlei Herz hat, ſo 
wirkt ihr Gebaren geradezu abſtoßend. Das muß 
die Schule den Kindern zu Gemüte führen! 
Um der T. wirkungs8voller entgegentreten zu 
können, empfiehlt ſich Anſchluß an einen der ſeit 
dem 19. Jahrh. beſtehenden Tierſchußver- 
eine, die den Tieren unnötige Quälereien er= 
ſparen u. auch das Ausſterben beſtimmter Tiex2 
arten infolge von „Nawubwirtſchaft“ verhindern 
wollen (f. Naturſchuß). In vielen Kulturländern 
beſtehen eigne Jugend=Tierſ<hußvereinis- 
gungen, Alle dieje Vereine ſuchen durch Preſſe 
u. Tierſchubſchriften (Zeitſchriften, Flugblätter, 
Tierſhußſprüche 1. =plakate, Kalender, Leſebücher) 
auf weite Kreiſe veredelnd einzuwirken. Ein Teil 
der Schriſten iſt wegen der darin geſchilderten Ge» 
jühlöroheiten nur für Erwachſene geeignet. Paſ- 
ſende Tierſchußlektüre kann bei der Ergänzung der 
Schülerbibliothek u. zu Prämienzwecken verwandt 
werden. Auf die Tätigkeit der Tierſchußvereine 
ſind internationale Abmachungen (z. B. 1902 in 
Pari3 zum Schuße der ſür die Landwirtſchaft nüßs= 
lichen Vögel), tierärztliche Überwachung der Ar= 
beitstiere, Tierſchußhäuſer u. andre Wohlfahrts8- 
einrichtungen im Intereſſe der Tiere, namentlich 
in den Großſtädten, zurückzuführen. 
Literatur. Kalender u. Leſebüchlein des 
Deutſchen Lehrer«Tierſchußvereins 11. des Berliner 
Tierſ<hußvereins (Berlin) ; Tiermärc<hen , aus8ge= 
wählt vom Hamburger Jugendſchriftenausſchuß 

	        
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