Full text: Kurrent?- Kursiv?- Rund?- oder neues Normalalphabet!!!

 
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Der Übergang von der alten Mönchsfchrift zur einfacheren Fraftur- 
jchrift (Kanzleifchrift), von diefer zum Noßbergfchen und von dem zum 
preußischen, jpäter Henzejchen Duftus hat fich nicht unter der befonderen 
Beihilfe von Lehrerfonferenzen und verfammlungen, von Adminijtrationen 
und Minifterien, überhaupt von Befchlüffen vollzogen. Der Anfto 
hierzu fam im Gegenteil aus dem Wolfe und war jo mächtig, daß Tich 
alle anderen beteiligten Faktoren gezwungen fahen, diefem Zuge nad) 
Bereinfahung zu folgen“ Das Bolf brauchte eben handlichere 
Schriftzeichen, und jo jchuf es fich diejelben und gebrauchte fie. 
Die Schrift unterliegt denjelben Gejegen der Veränderung und An- 
paflung, wie die Sprache. Wie an diejer täglich das ganze Volf wandelt 
und modelt, um fie fich mundrecht zu machen, jo arbeitet auch jeder 
ederbeflifjene daran, die Schrift fich „Handrecht“ zu machen, feine 
Neigungen, feinen Charakter in derjelben auszuprägen. Daher pflegen 
wir heutzutage die Kunft, aus der Handjchrift auf den Charakter zu 
ichließen. Daher jchreibt jeder Menfch feinen eigenen Duktus, und daher 
bleibt fchlieglich von den in der Schule geübten, mit unendlicher Mühe 
geübten, Formen zuleßt recht wenig übrig, wenig mehr, als eine all- 
gemeine Ühnlichkeit. 
Das Beitreben, fich die Schrift Handrecht zu machen, geht fo weit, 
einzelne „Schreibregeln“ vollitändig über den Haufen zu werfen, wie 
3. ®. die: Die Buchftaben müffen in einem Winfel von 45° (bez. 550) 
zur Linie ftehen! Welcher BVielfchreiber richtet fich nach ihr? Diefe 
Negel wird durch die Praxis einfach verworfen. Daraus ergiebt fich ein 
Rüdjchlug auf ihre Natürlichkeit und Zuläffigkeit.**) 
Unbequeme Buchftabenformen jchleift ebenjo jeder Schreiber nach 
*) In der heimatlichen Dorfichule des Verf. führte ein denfender Tehrer den 
preußiichen Duftus jchon 1852 ein; auf dem vom Verf. bejuchten Seminare jchrieb 
man den alten Roßbergjchen bi Ditern 1864 und der Verf. mußte fic) bequemen, 
da3 befjere Neue in das liebe gute Alte umzulernen, biß endlich auch der Seminar- 
Schreib-Oberlehrer zum höheren Standpunkte jenes Dorfichullehrers fich aufichwang. 
**) Und trogdem jind die auf Einführung der Steilfchrift gerichteten Bes 
jtrebungen gejcheitert!? Wie fommt das? Weil die Steilfchrift-Neformatoren fi) 
niht die Schnelljhhreiber zum Vorbilde nahmen, fondern „neuen Wein in 
alten Schläuche füllen“, d.h. die alten Zormen in die neue Richtung zwängen mollten. 
Man verjuche das nur an dem üblichen großen lateinijchen 
Me S hy!
	        
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