Kaihotische Lehrerzeitung.
Organ für Förderung des katholischen Lehrerverbandes.
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II. Jahrgang. Ur. 20.
Druck und Vertag von Ferdinand Schöningh.
Paderborn, Münster, Osnabrück, Main;.
10. Juli 1891.
In hatt: Johannes von Gerson und seine Schrift: j trag von H. Sittart. — Ein Wort über die Hetzkünste der
I)o tralienäie ziarvulio aä Ltiristum. Von C. Ernesti. IV. ! „Pad. Ztg." — Berichte: Bochum, Warendorf, Berlin,
— Die Schule sei in erster Reihe Erziehungsanstalt. Vor-, Mainz, Frankfurt a. M. — Anzeigen.
Johannes non Gerson
und seine Schrift:
De trahendis parvulis ad Christum.
Von C. Ernesti, geistl. Seminarlehrer zu Wittlich.
(Nachdruck verboten.)
Vierte Betrachtung.
Sie soll mir einen Stab zur Verteidigung bieten,
zugleich die Kleinen ermahnen, durch mich, seinen un¬
würdigen Diener, zu Christus zu gelangen.
13. „Wenn ein Mensch in eine Sünde gefallen
ist, so belehrt ihr, die ihr geistlich seid, einen solchen
im Geiste der Sanftmut, und denke dabei an dich
selbst, damit nicht auch du versucht werdest.M1 Ein
sehr erfahrener Sittenlehrer hat den Ausspruch
gethan: „Die höchste Kunst ist die Leitung der
Seele" ;2 und doch wollen Männer unserer Zeit
und Priester nichts so ohne Kunst versuchen, und
selbst blind, führen sie Blinde. Wer wird sich
deshalb wundern, wenn mannigfaches Verderben
droht. Jetzt halten viele es sogar für unwürdig
eines Theologen, oder eines Gelehrten von Ruf,
oder eines Mannes, der eine kirchliche Würde be¬
kleidet, zu dieser Beschäftigung sich herabzulassen,
und vorzüglich mit den Kindern sich abzugeben;
ja, mein vermeintlicher Einfluß auf sie hat mir
üble Nachrede und Schmähung zugezogen. Für-
wahr, auch die Jünger des Herrn, welche damals
nocb für Himmlisches wenig empfänglich waren,
scheinen mir an dergleichen Thorheit gelitten zu
haben, als sie die Kinder von Christus fern zu
halten suchten und es ihres großen Meisters und
Lehrers Christi nicht würdig hielten, dieser niedrigen
Beschäftigung obzuliegen. Eine solche Meinung
widerlegt sowohl das Beispiel Christi, als das
oben angeführte Wort des Apostels, nach welchem
die Lehrer anderer Geistliche sind und von dem
Geiste der Sanftmut erfüllt und aufmerksam auf
sich sein sollen, um nicht selbst versucht zu werden.
Es ist aber zum Staunen, wenn man daran denkt,
wie selten das der Fall ist. Wer ist denn geistlich
gesinnt? Der alles geistlich beurteilt/ der aus
dem, was er selbst gelitten, Mitleid? gelernt, der
nicht seinen Nutzen, sondern die Ehre Jesu Christi^
sucht, den die Liebe, Demut und Gottesfurcht so
erfüllt, daß Eitelkeit und Leidenschaft in ihm keinen
Platz findet, dessen Wandel im Himmel ist/ der
wie einer aus den Engeln Gottes nach ihrem Bei¬
spiele weder durch Segen noch durch Fluch bewegt
wird, der über seiner Beschäftigung mit dem Ge¬
ringeren seine höheren nicht aufgiebt, noch sich
dabei verderblichen Schmutz zuzieht. („Was wird
es ihm sonst nützen, wenn er die ganze Welt ge¬
winnt, aber Schaden an seiner eigenen Seele leidet, "5
und dabei nicht auf den Befehl hört: „Erbarme
dich deiner eigenen Seele und gefalle Gott"?H
Endlich, der durch keine Körperschönheit gereizt
oder angezogen wird, sondern losgerissen auf der
erhabenen Burg der Vernunft nur mit dem klar
erkannten Zustande der Seelen sich beschäftigt. So
lange alles das dir fehlt, und du plötzlich durch
Verdächtigungen beunruhigt, durch Drohungen er¬
schreckt, von Ruhm aufgeblasen oder durch üblen
Ruf kleinmütig wirst: so lange bist du fleischlich,
nicht geistlich gesinnt, und noch nicht hinreichend
tauglich, andere im Geiste der Sanftmut zu unter¬
weisen. Der gegen mich erhobene Vorwurf hätte
sich deshalb darauf beschränken sollen, mich viel¬
mehr der Vermessenheit, als der zu großen Er¬
niedrigung zu beschuldigen, weil ich mich in das
Amt der geistlichen Männer einmische, um die
- I. Kor. 2, 14. 15. 2 Hebr. 4, 15. 2 Phil. 3, 21.
* Phil. 3, 20. * Matth. 16, 26. « Eccli. 30, 24.
1 Gal. 6, 1. 2 St. Gregor M. reg. part. p. I. c. 1.