Full text: Der Einsiedler von Sankt Michael

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
6 Erſtes Kapitel. 
weit und öde hinzog. Es gehörte dem deutijchen Landwirte Noxr- 
bert Gerhardt. 
Die Polen krochen dur< das Buſchwerk, das im Feld grünte 
und ihnen ein gutes Verſte>k bot, und hüteten ſich, Geräuſch zu 
machen; denn in der Nähe ſtanden preußiſche Grenzſoldaten auf der 
Wache. 
So gelangten ſie unentdeckt über die Wieſe zu dem Hauſe, deſſen 
Fenſter und Thüren verſchloſſen waren. Jm Hofe hielt ein großer 
Hund treulich Wache. Er jprang, als ſein ſcharfes Ohr das Geräuſch 
von leijen Schritten in der Stille der Nacht vernahm, zornig empor 
und erhob ein weithin tönendes Gebell. Einer der Polen aber brach 
eine Lücke in die Umzäunung, welche das Gehöft ring8um einſchloß, 
und al8 der Hund durch die ſo entſtandene Öffnung ins Freie 
jprang, machte ein wohlgezielter Beilhieb dem Leben des wachſamen 
Tieres ein jähes Ende. 
Die Polen -- es waren ſec<3 oder ſieben mit Beilen, Meſſern 
und Knütteln bewaffnete Männer -=- ſprengten, am Wohnhaus vor- 
beieilend, die Thüren der Ställe, die an der Hinterſeite des Gehöftes 
ſtanden, zogen Rinder und Roſſe auf die Wieſe und verſuchten, ihre 
Beute raſch über die Grenze nach Rußland hinüber zu treiben. 
Das Brüllen des Viehe38, das Wiehern und die Hufſchläge der 
Rojje weckten aber den Beſitzer, Norbert Gerhardt, aus dem Schlafe. 
Er öffnete das Fenſter und ſchoß, al38 er die Polen erblickt und ange- 
rufen hatte, jein Gewehr, das geladen neben ſeinem Bette hing, ab. 
Der Knall desſelben rief die preußiſchen Grenzwächter herbei und trieb 
auch die Knechte des Gehöftes aus ihren Betten. Die Räuber flohen 
wie ein Rudel Wild, das von den Jägern überraſcht wird, nach allen 
Seiten hin. Einige zerrten das Vieh an den Halftern über den 
Grenzgraben, und die andern verſteckten ſich in dem Gebüſche. Nor- 
bert Gerhardt eilte mit Gewehr und Jagdmeſſer bewaffnet ins Freie 
und befahl den Knechten, die mit Beilen und Knütteln aus Haus und 
Stall herbeikamen, die Polen zu verfolgen. Sein Sohn Heinrich, 
ein kräftiger zwanzigjähriger Jüngling, begleitete ihn; ſeine Icharfen 
Augen erſpähten zwei Polen, die in einem Föhrengehölze, das an der 
Grenze lag, ein Verſte> ſuchten. 
„Wir wollen ſie fangen!“ rief er und lief dem kleinen Walde zu. 
Dort jprang ihm ein Pole aus dem Dickicht entgegen, faßte ihn am 
Hals und warf ihn mit einem kräftigen Ruck in den Moo3grund; 
 

	        
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