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liche.?) Um nun den Zögling des Verdienstes Christi teilhaftig zu machen,
muss er bekehrt werden. Die Bekehrung geht nach den Ansichten der Pietisten
vor Sich auf dem Wege der Heilsordnung nach der Lehre der Iüutherischen
Kirche.*) Doch betonen Sie den Orthodoxen gegenüber ganz begonders, dass
die Wiedergeburt des Mensgchen nicht Schon in der Taufe gesSchehe, Sondern
im Späteren Leben, veranlagst durch das Evangelium, ") vermittelt durch „den
Prozess einer wahren Herzensbusse“ und „vergiegelt“ durch die innerlich auch
deutlich fühlbare Zusage Gottes, nun „mit Christo lebendig gemacht, auferweckt
und ins himmlische Wegen vergetzt“ zu Ssein.*) Diese „Gottseligkeit“ wird
zwar vom BErzieher dem Zögling „eingepflanzt“ ,*?) aber Gott lässt gie
wachsen und gedeihen. So ist Sie, wie auch der Glaube, ?%) durch den der
Zögling der Gerechtigkeit Christi teilhaftig wird, ein „recht göttliches Werk“.
Die Sorge um das Seelenheil des Zöglings muss den pietistiSchen Erzieher
antreiben, möglichst frühzeitig mit Seiner auf die Bekehrung gerichteten Thätig-
keit zu beginnen, ??) bevor nicht „die Kräfte des alten Menschen“ in ihm 80
Stark geworden Sind, „dass ihnen darnach mit Ruten und Stecken nicht mag
gesteuert werden“. .?*) Doch ist mit der Bekehrung nur erst ein Teil der Auf-
gabe gelöst. Erst in einem Glauben, der Sich durch ein frommes Leben und
thätiges Christentum lebendig erweist, liegt die Bürgschaft für eine „wahre
Vereinigung des Herzens mit Gott“. Mit dem gottseligen Leben verträgt Sich
aber nach der Angicht der Pietisten eine Teilnahme an den Vergnügungen
dieser Welt nicht.**) Deshalb muss auch der pietistische Erzieher bemüht
Sein, durch Ständige Beaufsichtigung Solche von Seinem Zöglinge fern zu halten,
weil gie ihn „in der Stille des Gemüts“ beunruhigen nnd geinen bögen Lügten
neue Nahrung geben könnten.?**? „Zur wirklichen Ausübung der gefassten
Lehre“ aber Sind fleissige Ermahnungen, also Einwirkungen auf Sein Gewissen,
und gute Beispiele erforderlich.?*?) Die Kraft zu den gnten Werken erlangt
der Zögling durch den rechten Glauben, der zum „Grunde aller christlichen
Moralität notwendig“ ist.?8*) Der Pietismus „erkennt nur eine Sittlichkeit als
absolut wertvoll an, die auf dem rechten Glauben berüht, also religiöge Motive
zur Grundlage hat“.17) Der Zögling darf deshalb nicht Seinen eignen Willen
3) Francke, Über die Katechismusexamen, ebenda, S. 132.
6) Francke, Über die Katechismusexamen, ebenda, S. 131 ff.
7) Prancke, Über die Anführung der Kinder zum Gebete, ebenda, 8. 130.
8) Francke, Über Moral und Glauben, ebenda, 8.120. Vgl. auch Kurtz, Lehr-
buch der Kirchengegehichte. Mitau 1874. Bd. 2, 3. 202.
9) Francke, Kurzer und einfältiger VUnterricht, a. a. 0. 9. 71.
10) Francke, Über die Katechigmusexamen, ebenda, 8. 134.
11) Dass darin eine 970886 Gefahr liegt, 80 lange das Kind noch auf dem
„pelagianistischen“ Standpunkte steht, wonach es glaubt, wenn es artig sei und
fleissig bete, in den Himmel zu kommen, 8ei nur nebenbei erwähnt (vgl. Lechler in
Schmids Encyklopädie. Gotha. Bd. 2 [1878], 5. 751).
12) Francke, Kurzer und einfältiger Unterricht, a. a. O0. S. 53 H.
v Francke, bkrinnerungen an Studierende, ebenda, öS. 6021. |
14) Francke, Kurzer und einfältiger Unterricht, 'ebenda, S. 70f., Über das
Tavzen, ebenda, Z. 121 f., Ordnung und Lehrart im Paedagogio, ebenda, 8. 473.
15) Francke, Ordnung und Lehrart im Paedagogio, ebenda, 5. 472.
16) Prancke, Über Moral und Glauben, ebenda, 38. 118ff.
17) Richter in den Anmerkungen zu dem Franckeschen Aufsatze: Über Moral
und Glauben, ebenda, S8. 194,