17. September 1930
Die Mittelſchule
Nr. 38 „- Seite 527
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Zchulfaſſe zu zahlen, für volle Ferienmonate am letten Squl-
ad ve Vormonats, Die Forderung der bargeldlojen Zahlung
dürfte auf S<wierigkeiten ſtoßen. Sie wird undur<führbar
ſein. „Abmeldung beſreit von der Schulgeldzahlung nur, wenn
jie bis zum lezten Schultage des Vormonats dem Anſtalisleiter
zugegangen iſt.“ Wenn das Schulgeld na< vorausgeJangener
Mahnung nicht eine Woche nach Fälligkeit entrichtet iſt, kann
ſeine Beitreibung im Verwaltungszwangsverfahren und die
einſtweilige Ausſ<hließung vom Unterricht erfolgen. Um Doppel-
zahlungen des Schulgeldes zu vermeiden, iſt bei Schulwedſel
das Schulgeld nur einmal für den betreffenden Monat zu ent-
richten. Mißverſtändlich ſprit die Schulordnung "hier nur
vom „Übergzang eines Schülers von einer höheren Sdule in
eine andere“. Erinnert ſei deshalb an den Min.-Erl. vom
11. Juni 1914 -- UID 1618 --, der die Sdulgelderhebung
beim Übergang von einer mittleren Schule auf eine andere
regelt. Es heißt dort: „. . . Zur Behebung dieſer S<hwierig-
feiten veranlaſſe ic<h die Regierung, . . . dahin zu wirken, daß
das Schulgeld ohne Rüdſicht auf die tatſächliche Zahlung der-
jenigen Anſtalt verbleibt, die der Schüler in der Zahlungs-
veriode zuerſt beſjucht hat, wobei ein Fehlen wegen Krankheit
oder auf Grund eines Dispenſes dem Beſuch gleich zu erachten
iſt. Als Zahlungsperiode kommt das Vierteljahr oder der
Monat in Betracht, je nachdem das Sculgeld vierteljährlich
oder monatlich erhoben wird.“ Zu regeln wäre no< die Schul-
geldzahlung beim Übergang eines Schülers von einer mittleren
in eine höhere Schule und der umgekehrte Fall. Für minder-
Lbemittelte Schüler kann teilweiſe oder volle Sc<hulgeldbefreiung
„intreten. Die Schulordnung übernimmt die Beſtimmungen
über Geſ<Hwiſterermäßigungen dem Geſegze über das
Schulgeld an den öffentlichen höheren Schulen. Auf dieſe Weiſe
fommen au< den mittleren Schulen die Vorteile diejes Geſeßes
zugute. 821 (4) lautet: „Das Schulgeld darf für ein zweites
Kind des gleichen Erziehungsberechtigten drei Viertel, für ein
drittes Kind die Hälfte des regelmäßigen S<hulgeldſates nicht
überſteigen, für das vierte Kind und weitere Kinder darf ein
Sdqhulgeld niht erhoben werden, ſofern die wirtſchaftlichen Ver-
hältniſſe des Erziehungsberechtigten dies rechtfertigen und nicht
mangelnde Begabung des Kindes eine Ausbildung auf anderen
als höheren Sc<hutken angezeigt erſcheinen läßt; dabei werden
nur ſolhe Kinder gezählt, die eine öffentliche oder private
mittlere, höhere Fac<h- oder Hohſ<hule beſuchen. Die Ge-
ichwiſterermäßigungen dürfen nur auf Antrag der Erziehungs-
berechtigten gewährt werden.“
Der vorlezte Abſchnitt weiſt auf die Haftung des Er-
ziehungsberechtigten hin, die er für pfleglihe Behandlung und
pünktliche Rüägabe von Shuleigentum zu übernehmen hat.
Die Schule dagegen kann für das dem Erziehungsberechtigten
oder dem Schüler gehörende Eigentum eine Gewähr nicht über-
nehmen.
Den Sc<luß der Sdhulordnung bildet der Abſchnitt über
Zwangsmittei. Verhängung von Sdhulſtrafen, die beſonders
geregelt ſind, müſſen lezten Endes die Einhaltung der Beſtim-
mungen der Schulordnung und ſonſtiger Vorſchriften erzwingen.
„Iſt das beſtimmungswidrige Verhalten des Schülers auf den
Willen des Erziehungsberechtigten zurüdzuführen, [o behält ſich
die Schule das Recht vor, wenn der Erziehungsberechtigte zur
Einhaltung der Vorſchriften auf andere Weiſe nicht veranlaßt
werden kann, den Schüler im Verwaltungswege von der Schule
zu entfernen.“
RüÜübli>end mut gefagt werden, daß es einen Fortſchritt
bedeutet, wenn die verſchiedenen Sc<hulordnungen, die jezt an
den mittleren und höheren Schulen vorhanden ſind, abgelöſt
werden dur< einheitliche für alle Sc<hulen geltende
Beſtimmungen. Es iſt ſelbſtverſtändlih, daß dabei kein
Unterſchied zwiſchen den mittleren und höheren Schulen gemacht
worden iſt. Die neue Sc<hulordnung wird für alle öffentlichen
mittleren und höheren Schulen gelten. Weder der Erziehungs-
berechtigte no<g der Schüler haben in diejem Falle bei einer
Umſchulung umzulernen. Der Entwurf faßt im allgemeinen das
zuſammen, was bisher ſchon galt. Er erweitert aber dieſe
Zuſammenfaſſung dadurc<, daß er den Erfahrungen
namentlich der letzten Jahre Re<Hnung trägt,
Iaß er Schematijierungen vermeidet, dem
pflichtgemäßen Ermeſſen des Lehrkörpers
Spielraum läßt und vor allem verſucht, die Eltern
immer mehr an der Sdule zu intereſſieren,
daß er ein Elternrecht anerkennt. Den Exrziehungs-
dere<htigten iſt ein Abdru> der Schulordnung auszuhändigen.
Hoffentlich hat man au< den Reichsverband der Elternbeiräte
nittlerer Schulen zur Üußerung eingeladen. Im großen und
canzen wird man dem Entwurfe zuſtimmen können, wenn auch
ber Einzelheiten no< geredet werden muß,
Die Bedeutung des Shullandheimes für die
großſtädtiſche *) Jugend. . |
Das Sdullandjyeim für die großſiädiiſche Jugend hat in der
erſten »(aqcxiegszeit das Xicht der Weit erviiut -- und 1ept noch.
Cs wiro der Gerorxterung des ovigen TUyemas teinen Apvruc) tun,
wenn wir zuvor ver den pavagvg.iccyen Cejimeimungen viejer Zert,
vie auch die Schuliandyermvewegung ins Xeven rtieſ, ein wemg
verwerten. Wir juno uns vavei von vornyereim vewugßgt, daß üover
niandje diejer Vinge noc keim gültiges Ytverturteil geſat werden
faunn. Jit ooch jezt auf dem paovag»ogilcen Weviet no< 19 vieles
jiregend und prooprematil|<h, nv<d im Staoiwum des Werovens over
jon des Vergehens! Dager iſt es zur Zeit unmoglich, von der
Entwictiung vzw.. Yteugeſjraltung des deutjeyen Erziehungs- und
Schutwejen im erſten Sugrzehnt ver Ytactriegszeit =- Uno varüvper
- hinaus -- ein ares, opjeitives Bild zu entwerfen. Es muß
urijerer Nachzeit vorbehalten bleiben, leidenſ<a]t5ios und jahlid)
jejtzuſtellen, was dieje Epoche im Entwittungsgang ves SqyUul-
wejens bedeutet: was Entwidlung, Uusbpau der a1iten Schule,
was völlig neu oder gegenjaztic) zum wewejenen, was j1c< ais
wertvolles Dauergut vewahyrt und -- was Sdcein und Bilend»-
werk war und darum verging. Die Darſtellung dieſer pädago-
giſchen „Sturm- und Drangperiode“ in der Gejhichte der Pad-
agogitf wird ein intereſſantes und zugleicß ſchwieriges Kapitel
werden.
Allerdings können wir „Zeitgenoſſen“ ſc<on gewijſe Feit-
ſtellungen machen. Zeigt ſich voc< auf dem pädagogilchen Kampf-
plat der Ablauf und uusgang einzelner Zeiter|qyeinungen. eFatt
vergeſſen iſt der ſtürmijlche uuftatt: Dre Anfangseptjode, die
- Otto Fruſt als die „wildgewordene Pädagogik“ bezeichnete. Die
neuen Propheten behyerrjcten derzeit die Struation. Ungehemm-
ter Idealismus, Verbeſjerungsſucht, gepaart mit Egoismus und
Madytgelüſten -- und wenig Beſonnenheit und Einjicht -- hiel-
ten in jenen Tagen die padagogr|che Rednerbühne beſetzt. „Iteue
Jugenderziehung! Neue Schule! Fort mit der alten Lernjdjuie
und dem alten Schulmeiſter!“ war das Loſungsgeſ<rei.
Dann folgte die Ernüchterung; Einſicht und Verantwoxr-
tungsgefühl, dazu die Stimmen der bedrohten Wirtſchaft und
Kultur griffen zügelnd ein. Manche „Reformblüte“ verging in-
zwiſchen, mancher Reformer ging |<on i. R.
Sichtbar j<windet in unſern Tagen der Einfluß der Schul-
politiker, die mit politiſchen Niachtmitteln ihre „Reformen“ durc-
zuſetzen wußten. Das iſt gut. Aber deutli tritt dagegen hervor, wie
geute mehr und mehr ſic) Wirtſchaft und Kultur als beherrſ<ende
Faktoren der Geſtaltung des Schulweſens auswirken. Die Not-
wendigkeiten und Bedürfniſſe der bedrängten Wirtſ<aſt wie-
überhaupt unſrer ſchwierigen Zeit bedingen und fordern, daß die
Schule in der Jugend die vorhandenen Anlagen und Kräfie
mobil macht. Das heißt durchaus ni<ht Zwang und Vergewalti-
gung der Natur des Kindes. Ein auf die Bedürfniſſe des Gegen-
wartsleben eingeſtelltes Bildungsziel iſt einzig richtig, weil
natürlich und gegeben, und de&t ſic< zugleich mit der für alle
Zeiten ſc<on richtigen, heute ſtark betonten, aljo modernen päDd-
«gogiſhen Forderung: „Aufgabe der Schule iſt es, die in der
Jugend keimenden innern und äußern Kräfte planvoll und be-
wußt zur Entfaltung zu bringen -- zum Können.“ Dieſen Geiſt
atmen au< die vom Staat, dem verantwortlichen Hüter des
Ganzen, für das Schulweſen erlaſſen neuen Richtlinien. So
herrj<t gegenwärtig, theoretiſch genommen, auf der ganzen Linie
Klarheit und Übereinſtimmung über das zu erſtrebende Bildungs-=
ziel. Aktuell aber iſt die praktiſche Frage der zwed>entſprechen-
den Schulorganiſation. Wenn auc no dies ſ<wierige Problem
gelöſt wird, dann wird unſere Zeit troß ihrer anfänglichen WMir-
rungen nicht nur ein bemerkenswerter Abſchnitt in der Geſchichte
der Pädagogik ſein -- das bedingt ſ<on ohne weiteres ihre
Eigenart --, ſondern als eine der bedeutſamjten Entwicklungs-
ſtufen der Pädagogik anerkannt werden, die im deutſchen Scul-
wejen das „Können“ in erhöhtem Maße zur Geltung brachte.
Eine auf das ſoeben gekennzeichnete Bildungsziel eingeſtellte
Sculorganiſation wird aber ſtändig darauf bedacht jein müſſen,
in Erſcheinung tretenden beſonderen Hemmungen und Störungen
zu begegnen und ihre Urſachen zu beſeitigen. Das bringt uns
ebenfalls die „abnorme“ Nachtkriegszeit ausdrü>lich zu Bewu]zt-
ſein. Die Unterernährung der großſtädtiſchen Jugend in Der
Kriegs- und erſten Nachkriegszeit bewirkte nicht nur eine
Shwädung der körperlichen Anlagen und eine Hemmung ihrer
normalen Entfaltung, ſondern beeinträchtigte auch bedenklich
das innere Wachstum. Die Minderleiſtungen in der Schule
beſtätigen das. -
1) Gemeint iſt die Jugend der großen Städte: der ſogenann-
ten Großſtädte und Mittelſtädte.