Full text: Vom Büchertisch - 1910/1911 (20)

VoM BÜCHERTISCH. 
Monatsbeilage zu den Deutschen Blättern für erziehenden Unterrieht. 
Gegründet und 35 Jahre geleitet von 
+ FRIEDRICH MANN. 
 
Oktober, 1910, 
 
Inhalt: Zur Literatur der Yädagogik. Traub, Praktisches zur Kindererziehung, Kenudel, Das erste Schuljahr. Wernecke, Die Praxis der Elementar- 
klas386. Henck, Das zweite Schuljahr. Fuchs, 
Die Großstadt und ihr Verkehr. 
Wiederkehr, Der Sach- und Sprachunterricht im ersten Schuljahr. -- Zur 
Literatur des Deutschunterrichts Troll, Freis Kinderaufsätze nach dem Prinzip gelbständigen Schaffens. Lorenzen, Kinder vom Lande. Reiff, Praktische 
Kungterziehung. Dorenwell, Der deutsche Aufsatz. Ders., Der deutsche Aufsatz. Bargmann, Anleitung zur Aufsatzbildung. Schütz-Wegsterfeld, Meine Schul- 
buben beim Selbstschaffen. Zergiebel], Die Bildung des persönlichen Stils in der Volksschule. Kühn, Kin Beitrag zur Bebandlung Iyrischer Gedichte in der 
Schule. Weigand, Deutsches Wörterbuch. -- Zur Literatur des Geschichtsunterrichts und der Heimatkunde. Kühn, Quellen und quellenmäßige 
Berichte. 
Rappaport, Kine alte Reichgstadt wie gie war und wird. 
Zur Literatur der Pädagogik. 
Begsprochen von M. Troll, Rektor in Schmalkalden. 
Traub, Stadtpfarrer, Praktisches zur Kindererziehung. Stutt- 
gart, Kielmann. Preis 1 M. 
Das Büchlein hat ein Mann gegschrieben, der gich aufs Kinder- 
erziehen versteht. Es bringt alte, gute Grundeätze der Hauspädagogik 
und läßt nambafte Autoren in 80 reichem Maße zu Worte kommen, 
daß wohl mehr als die Hälfte des Heftchens auf Zitate entfällt. Es 
wird kein System der Erziehung aufgestellt; alles iet Empirie und 
nach den 3 Fragen gegliedert: Wer g8oll erziehen ? Wen gsollen wir 
erziehen ? Wie gollen wir erziehen ? Neues wird weder bhingichtlich 
des Inhalts noch der Form geboten. Die erziehlichen Maßnahmen 
beruhen auf streng evangelischer Grundlage. Da das Gebotene altes, 
längst ausgeprägtes Gold der Erzieherweisheit darstellt, wird das 
Büchlein kaum irgendwo Widerspruch erfabrep. Es kann aber auch 
nur als ein Mahnwort an die Eltern gelten. 
Keudel, Das erste Schuljahr. Eine methodische Behandlung 
gämtlicher Unterrichtsfächer der Elementarklasss. 4. Auflage. 
Leipzig, Teubner. 195 S. Preis 3 M. 
+ als Btoff für dew Religionasnnterrieht treten biblische Geschichten 
alten und neuen Testaments auf. In der 1. Schulwoche wird »Jesus 
gegnet die Kinder«, in der 4. die Himmelfahrt behandelt. 
Schließlich folgen wieder neutestamentliche Geschichten von der 
Geburt bis zur Auferstehung Jesu. Man erkennt daraus, daß 
den Kindern von 6--7 Jahren große Zumutungen gestellt werden. 
Geradezu ungeheuerlich aber erscheint es uns, wenn der Verfasger 
mit den Inzipienten in der 4. Schulwoche folgende Sprüche: Matth. 28,20, 
Siehe, ich bin bei euch alle Tage --, Joh. 14, 2, In meines Vaters 
Hause g8ind viele Wohnungen usw. und das Katechismusstück » Auf- 
gefahren gen Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, des allmächtigen 
Vaters, von dannen er kommen wird zu richten die Lebevdigen und 
die Toten« behandelt. Auch die vom Ministerialerlaß vom 31. Januar 
1908 mit Recht verpönten Wortfragen ireten noch recht zahlreich 
auf, die gich freilich bei der Schwierigkeit der gewählten Stoffe kaum 
werden vermeiden laegen, z. B. Wer hat alles geschaffen ? Wann hat 
Gott Himmel und Erde geegchaffen ? Wie war es auf der Erde? Auch 
den 1. Vers des Liedes »Befiehphl du deine Wege« halten wir auf 
dieger Alterestufe für viel zu schwer, ebenso den Vers »Liebster Jegu, 
wir gind hier«., Überhaupt liegen die ausgewählten religiögen 
Memorierstoffe für die Elementarschüler viel zu hoch. Die Abhand- 
lungen über den ersten Legeunterricht, die auch die neuesten Be- 
Strebungen berückgichtigen, orientieren gut. Freilich müsgen wir uns 
gegen das Legenlernen im 1. Halbjahr aussprechen. Die Behandlung 
der Sprachstoffs findet ungeren Beifall. Allerdings wäre es richtiger 
gewegen, wenn der Verfasger die im Anhange aufgeführten Stoffe des 
Werkunterrichts hier organisch eingegliedert hätte. 
Wernecke, Die Praxis der Elementarklas8e. Ein Führer 
auf dem Gebiete des Etementarunterrichts. 5. Auflage. Leipzig, 
Teubner. 385 S. 
Ein altes, gutes Buch, das nach des Verfasgers Tode die Hunter- 
bliebenen neu herausgegeben haben. Von den neuesten Strömungen 
nimmt das Buch allerdings noch keins Notiz. In zeiner Art aber 
Gurlitt, Plege des Heimatsginneg. 
 
Roßmaßler, Das Gebirgsdörfchen. -- Zeitschriften, 
ist es vortrefflich. Der Verfasger war ein Meister des Elementar- 
unterrichts aeiner Zeit, das werkt man auf jeder Seite. Darum kann 
das Buch dem, der den Reformen der Neuzeit abweisend gegenüber- 
gteht, wohl empfohlen werden. 
Henck, Rektor, Das zweite Schuljahr. Ein Lehrgang im Sinne 
moderner Bestrebungen. Mit zahlreichen Illustrationen, Zeichen- 
tafeln, methodischen Hinweigen und praktischen Beispielen. W.-Jena, 
Thür. Verlagsanstalt. 93 S. Preis? 
Im Mittelpunkte des Unterrichts steht der heimatliche Sach- 
unterricht. Der Lehrstoff wird von den Kindern durch eigene Be- 
obachtung gewonnen. Das Beobachtete wird dargestellt 1. durch 
Form und Farbe (Bauen, Tonevn, Zeicknen, Flechten, Schreiben), 
2. durch die Sprache (Sprechübungen, Legen, Lautschulung), 3. durch 
die Zabl (die angewandten Aufgaben gind in geschickter Weise dem 
beobachteten Sachgebiete entnommen). Hieran schließen 8ich kinder- 
tümliche Erzählungen aus demselben Gebietes und Gedichte. Die 
eingeschobenen neutestamentlichen Erzählungen stehen Jedoch in 
keinem oder nur in logem Zusammenhange mit dem Konzentrations- 
gtoffe. Gegang und Spiel gschließen jede Einheit ab. Begsonders 
wertvoll iet das Büchlein durch die vielen, meist gelungenen Kinder- 
zeichnungen, 80wie durch die reiche Sammlung angewandter Rechen- 
aufgaben. Es ist ferner ein Verdienst Hencks, als einer der Ersten 
Dann ' auf den bildenden Wert der Formarbeiten in Ton oder Plastilina hin- 
folgen : Die Schöpfung, Abrahams Berufung, Josephs Geschichten. | 
gewiegen zu haben. 
Fuchs, Arno, Die Großstadt und ihr Verkehr, Kultur- 
kundliche und ethische Anschauungsstoffe für den Anschauungs- 
unterricht in großen und mittleren Städten. Berlin, Warneck. 
243 8. Preis 3 M. 
Es ist heute jedem eingichtigen Pädagogen klar, daß der Sach- 
unterricht des ersten und zweiten Schuljahrs geine Stoffe der Um- 
gebung des Kindes, geinem täglichen Erleben, geinem Interessenkreise 
entnehmen muß. Darum Können Stoffe, die in der Dorfschule am 
Platze gind, in der Großstadtschule direkt unverwendbar Sein. Was 
8011 ein Großstadtkind bei einer Behandlung des Hühnerhofes, des 
Gemüsge-, Blumen- und Obstgartens anfangen ? Hingegen weiß es zu 
erzählen von der »Elektrischen«, vom »Taxameter«, von der »Lauben- 
kolonie«, vom »Grünkramladen«, von den Herrlichkeiten, die in Schau- 
fenstern ausgelegt aind, yom »Schutzmapn«, von »Soldaten«, die von 
der Parade beimkehren usw. So gehr auch die Notwendigkeit, dem 
Großstadtkinde Stoffe der Großstadt zu bieten, erkannt wurde, 80 
fehlte es doch an einer brauchbaren Gestaltung und Sammlung dieser 
Stoffe. Das vorliegende Buch hat endlich diegen Mangel behoben 
und bietet dem Stadtlehrer eine reiche Fundgrube. Wer zeinen 
Sachunterricht darnach gestaltet, wird die Kinder feggeln und 8sprech- 
lustig machen. Es bedarf dann keiner » Anschauungsbilder« mehr; 
denn diege Stoffe sind den Kindern alle geläufig. Wir wollen wüngschen, 
daß das Buch in allen großen und mittleren Städten fleißig benutzt 
wird. Aber auch dem Kleinstadt- und Dorflehrer kann es dienlich 
gein, zeigt es doch, wieviel vorteilhafter die Darstellung von Hand- 
lungen gegenüber den immer noch üblichen bloßen Beschreibungen ist. 
Wiederkehr, Hauptlehrer in Mannheim, Der Sach- und Sprach- 
unterricht im ersten Schuljahr auf Grund der Fibel »Unter 
uns Kindern« Mit einer Farbtafel. Mannheim u. Leipzig, Bens- 
heimer. XVI u. 328 8. 
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