PädagogiSche Reform.
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AEEETEREEERNENSENEETEESEEEEN NEENSTETTEN EINENGEN ENFERS EIFER
Hamburg, Mittwoch, den 14. August 1895.
Die Überbürdung der Schuljugend.
Von Paryus.
(Fortsetzung.)
Diese Theorie, angewandt auf den
Unterricht, hjer Speciell auf das Diktat-
Schreiben, ergiebt, dass die Leistungen der
Schüler nach Beginn einer Unterrichtsstunde
Schnell zu bedeutender Höhe anwachsen,
dann aber allmählich Sinken! Die Ermüdung
der Schüler Steigt. Diesger pSsychologisch-
phySiologische Vorgang muss Sich zeigen in
den Arbeiten, den Diktaten der Schüler.
Die Fehlerzabl. muss zuerst bedeutend ab-
nehmen, um dann Kontinuierlich zu Steigen
je länger die Arbeitszeit ist. Nicht bei allen
Schülern kann die Ermüdung gleichmässig
auftreten. Diese Differenz ist abhängig teils
von der ursprünglichen Bildung des Nerven-
SyStems, die eine Erbschaft früherer Gene-
rationen ist und bestimmt wird durch den
Reichtum des Vorrats an Arbeit und die
Form Seiner Angammlung, teils durch
Übung, die auf der Einwirkung der von
ausgen einströmenden Sinnesreize beruht.
Dexr letzte Faktor kann bei der Untersuchung
der Fehler eliminiert werden, da die Schüler
einer Klasse gleichmässig an der Übung
teilgenommen haben.
Die mir zur ÜUntersuchung vorliegenden
Diktate Sind angefertigt von den Schülern
der 6. Klasse einer Siebenstufigen Volks-
Schule. Das Alter der Schüler Schwankte
zwiSchen 7 und 8 Jahren. Da es mir haupt-
Sächlich darauf ankam, zu untersguchen, wie
verSchieden Sich die Leistungen der Schüler
in den einzelnen Unterrichtsstunden zu ein-
ander verhalten, 80 Sind drei Diktate ange-
fertigt worden und zwar in der 1. Vormit-
tagsstunde, der 1. und der letzten (3.) Nach-
mittagssStunde.
Das Verfahren war folgendes: Der zu
Schreibende Satz wurde vorgesprochen, ein
Schüler Sprach ibn pach. Darauf ergriffen
ale Kinder gleichzeitig die Feder und
Schrieben ibn nieder. Wer fertig war, legte
die Feder fort, bis Sich die Operation
wiederholte.
Die wichtigste Bedingung bei derartigen
pSYcho-phySiSchen Beobachtungen, die zwecks
UnÖntersuching der Leistungsfäbigkeit der
Schüler apgestellt werden, iSt die, dass das
Übungsmaterial homogen ist, d. h. dass die
Schwierigkeiten des Diktats gleichmässig
auf die einzelnen Sätze und Zeiten verteilt
werden, und dass die Sätze gleich viele
Einheiten, al80 Buchbstaben, haben, damit
XIX. Jahrgang.
eine qualitative und quantitative Gleichheit
der Arbeitsperioden hergestellt wird. Dann
nur können die Regultate der Untersuchungen
Anspruch auf Richtigkeit haben. Dem Problem
der gleichen Qualität oder der homogenen
Verteilung des UnterrichtssStoffes wird Burger-
Stein durch Seine Rechenoperationen in jeder
Weise gerecht. Ein gleiches Verfahren lässt
Sich bei den Diktierübungen leider nicht
anwenden, da die Schwierigkeiten nicht wie
beim Rechnen auf den Kinheiten, Sondern
auf der Zusammengetzung dergelben zu
Silben und Wörtern beruhen. In vorliegenden
Diktaten ist die homogene Verteilung des
Übungsmaterials auf die einzelnen Sätze
und Zeiten, Soweit irgend angängig, durch-
geführt, 80 dass, wenn auch Keine absolute,
80 doch eine Sich dieser nähbernde Homoge-
nität erzielt worden ist. Wenn Sich auch ein
analoges Verfahren wie bei Rechenübungen
nicht herstellen lässt, 80 Können doch die
Sich ev. ergebenden Fehler eliminiert werden
durch eine grösggere Anzahl von Diktaten
nach der Massmethode der richtigen und
falschen Fälle. Höpfper bat eine homogene
Verteilung des Arbeitsmaterials in Seinen
Verguchen nicht vornehmen Können, Yielmehr
die Art der Vertelnng der Schwierigkeiten
dem blinden Zufall überlasSen müsgen. In
Untersuchuingen an den VerstöSgen gegen
das GrogssSchreiben der Hauptwörter und
das Kleinschreiben der Zeit- und LELigen-
Schaftswörter will er freilich den Nachweis
fübren, dass die Fehlerprozente bei dieser
einen Gruppe von Fehlern analog Seinem
Hauptgesgetz : „Die Feblerkurve ist in ihrem
Hauptzuge eine gerade Linie,“ um eine fast
konstante Grösse Steigen. Darpach mügste
natürlich die Verteilung der Schwierigkeiten
eine homogene gewesen Sein. Vielleicht
wifft dies bei obigen Wortkategorien auch
zu, da 8ie in kurzen Sätzen gewöhnlich in
gleicher Zahl vorkommen. Hätte er eine
andere Gruppe von Fehlern, wie z. B. den
Ergatz der Buchstaben, VerstöSSe gegen
Wörter mit doppelten Buchstaben gewählt,
wobei allerdings nicht die Zabl der möglichen
Fehler festzusteleb Iist, 80 würde er zu
einem Regultat gekommen Sein, dass mit
ersterem bedeutend differiert. Schliesst man
aus diesen Feblern direkt auf die Schwierig-
keiten, 80 ergiebt Sich eine beterogene Ver-
telung des Pensums auf die Zeitperiode,
Darum dürfen vicht aus den Fehlern Folge-
rungen gezogen werden auf die Qualität des
Arbeitsstoffes, Sondern auf die Ermüdung
der geistigen Phänomepa. =- Ebenso wenig
kan gein Material den Anforderungen ad
!
die Quantität der Zeitperioden genügen, da
Seine Sätze in ihren Einheiten bedeutend
varlieren, 80 dass ein Satz doppelt und mehr
Buchstaben enthält als ein anderer. Nach
Paneths Untersuchungen verschwinden Erip-
nerungsbilder nach einem Zeitraum von 5
Minuten bedeutend Schneller als vorher..
Daraus folgt, dass bei langen Sätzen, deren
Diktat bei Höpfner nach meiner Schätzung
ca. 10 Minuten in Anspruch genommen haben
muss, die Reproduktion des diktierten Satzes
erschwert ist, was Sich in der grögSeren
Fehlerzahl gegen den Schluss des Satzes
äusSern Kann.
Die vorliegenden Arbeiten Sind quanti-
tativ mit AuSnahme von ein paar Differenzen
um einen Buchstaben gleich. Jeder Satz
enthält nämlich 19 Buchstaben. In der 1.
Arbeitsstunde des Vormittags, die nur 45
Minuten dauerte, wurden 6 Sätze diktierz:.
Dabei trafen auf jeden Satz 7*?/z Minuten
und auf je 2 Sätze genau 15 Minuten. Die
Arbeitsstunden am Xachmittage währten 60
Minuten. Demzufolge fand eine Vermehrung
des ArbeitssStoffes um 2 Sätze Statt. Im
übrigen war der Verlauf der Arbeiten genau
derselbe wie in der Vormittagsstunde. Be-
merken muss ich noch, dass Sich unter den
Schülern einige pSYchopatisch minderwertige
befanden, wodurch die Fehlerzahl der Klasse
im allgemeinen bedeutend Stieg, deren FVehler-
kurve aber gleich derjenigen der normal
veranlagten Schüler verlief. Ein AusScheiden
dieser Arbeiten ersSchien mir deShalb unnötig,
weil dadurch das Gesamtresultat in Keiner
WeisSe abgeändert wird.
Zeit. | SOR | fame ede aach Jad | Diſerenz
Vormittags
1. 30 | 17 | 1,491 11,5%
1. -- | 34 | 2,982 13,0%61,5%
In. -- | 48 | 4,211 |4,2%61,2%
Nachmit-
tags-Stunde
1. 31 | 48 | 405 | = | -
1. -- | 45 | 388 | =“ | --
1. -- | 43 | 3,650 | = | --
DV. - | 31 | 4329 | = | --
3. Stunde
1. 33 | 44 | 3,509 13,5% =
“ DI -- | 530 | 3,987 (4,0% =
1. -- | 49 | 3,908 |4,0%6| =
IV. -- | 57 | 4,545 |4,5%|
In der vorstehenden Tabelle giebt die
erste Vertikalreihe die Zeiten an, die zweite
die Schülerzabl, die dritte die Feblerzahbl
inperbalb einer Viertelstuinde, und in der