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92) Führung des Titels als Doctor der Philoſophie.
Die Regierung zu N. hatte hinſichtlich des ihr mißbräuchlich
erſcheinenden Führens des Titels als Doctor der Philoſophie Folgen-
des an den Miniſter der Unterricht8-Angelegenheiten berichtet :
„Wir erlauben uns, bei dieſer Veranlaſſung unſer Bedenken
darüber auszuſprechen, daß es einem Lehrer , welcher gar nicht Uni-
verfitätsſtudien gemacht hat und in einem Examen pro s8chola ſehr
ic<mlecht beſtanden iſt, geſtattet bleibt, auf Grund eines auf einer
ausländiſchen Univerſität erworbenen Doctordiploms ſich fortwährend
als Doctor philos. zu bezeichnen und dadurc< das Publicum zu der
Annahme zu verleiten, als ſei er Litterat und habe eine gründlichere
gelehrte Bildung erworben. Dies läuft bei einem Manne, der ſich
zum Vorſteher einer Penſionsanſtalt gemacht hat, gradehin auf eine
j<ädliche Täuſchung derjenigen Perſonen hinaus, welche ihre Kinder
ihm in Penſion geben, weil ſie glauben müſſen, ſie einem Manne
von gelehrter Bildung anzuvertrauen. Doctoren der Medicin, welche
auf einer Univerſität das Doctordiplom erworben haben, dürfen ſich
als ſolche nur bezeichnen, wenn ſie no< ein ſtrenges Staatseramen
beſtanden haben ; ausländiſc<he Orden dürfen nur mit Erlaubniß des
Staats getragen werden. Euer Ercellenz hohem Ermeſſen ſtellen
wir ganz gehorſamſt anheim, ob höheren Ortes Maßregeln zu er-
Reiſen jein dürften, um ſol<en Mißbrau< in der Führung des
itels als Doctor der Philoſophie innerhalb der Gränzen unſeres
Staates zu verhüten." |
Darauf iſt folgender Beſcheid ergangen:
Auf den Bericht vom 16. Dezember v. I. bemerke ich, daß nach
den beſtehenden Beſtimmungen und mit Rückſicht auf das den Uni-
verſitäten Deutſchlands beiwohnende Recht, den Doctortitel zu ver-
leihen, den damit beliehenen Perſonen nicht verſagt werden kann,
dieſen Titel, insbeſondere den eines Doctors der Philoſophie, zu füh-
ren. Nur den Wundärzten erſter Klaſſe iſt es verboten, ohne beſon-
dere Genehmigung den Titel eines Doctors der Medicin zu führen.
: Den Behörden gegenüber trägt der Doctortitel keinerlei Berechtigung
oder Nachweis einer Qualification in ſi<, und muß es der öffent-
lichen Sitte und der Einſicht des Publicums überlaſſen werden, den
wiſchen einem Doctor rite promotus und einem von einer aus-
kändiſchen Univerſität nach irgend einem andern Modus vereideten
Doctor vorhandenen und berechtigten Unterſchied ſelbſt zu ziehen.
Berlin, den 13. Februar 1860. .
Der Miniſter der geiſtlichen 2c. Angelegenheiten.
v. Bethmann-Hollweg.
An
die Königliche Regierung zu N.
27,655. U,
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